VwGH vom 25.05.2016, 2013/15/0244

VwGH vom 25.05.2016, 2013/15/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Beschwerde des Finanzamts Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0109-K/11, betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2008 (mitbeteiligte Partei: A S, vertreten durch die Walder Braito Steuerberatungs GmbH in 6430 Ötztal-Bahnhof, Bahnhofstraße 20), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte ist eine Agrargemeinschaft nach § 34 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz. Mit Vertrag vom verpachteten die Mitbeteiligte und die Agrargemeinschaft L ihre jeweiligen Eigenjagdgebiete an einen Pächter.

2 Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung wurden die Verfahren bezüglich Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 der mitbeteiligten Partei wiederaufgenommen und die Umsatzsteuerbescheide dahingehend abgeändert, dass ein Teil der Jagdpachtumsätze der Mitbeteiligten zugerechnet wurde.

3 In der gegen diese Bescheide gerichteten Berufung wandte sich die Mitbeteiligte gegen diese Vorgangsweise. Begründend führte sie aus, die beiden Agrargemeinschaften hätten sich zu einer Verpachtungsgemeinschaft zusammengeschlossen, um gemeinsam ein bestimmtes Grundstück zu verpachten. Der Zusammenschluss der beiden Eigenjagden diene der Vereinfachung der Bejagung der bestehenden Jagdgebiete. Die beiden Agrargemeinschaften würden gemeinsam als Unternehmer (Verpachtungsgemeinschaft) auftreten. Es sei daher unrichtig, beide Agrargemeinschaften je für sich selbst umsatzsteuerlich zu beurteilen und ihnen die anteiligen Umsätze aus der Jagdverpachtung zuzurechnen.

4 Die belangte Behörde gab der Berufung statt. Die beiden Agrargemeinschaften hätten gemeinsam eine Grundfläche von 2.350 ha als Eigenjagd verpachtet. Dadurch hätten sie ihre Bemühungen und die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke zum gemeinschaftlichen Nutzen (Verpachtung einer Eigenjagd) iSd § 1175 ABGB vereinigt. Die beiden Agrargemeinschaften stellten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke der Verpachtung der Eigenjagd dar. Im Pachtvertrag trete die Personenmehrheit "Eigenjagd (Mitbeteiligte) und Agrargemeinschaft (L)" als Verpächter auf. Zusammenschlüsse mehrerer Personen hätten selbst Unternehmereigenschaft, wenn die Personenmehrheit als solche nach außen hin in Erscheinung trete und selbstständig gewerblich oder beruflich tätig werde. Aus dem Pachtvertrag und den die Jagdpacht betreffenden Überweisungsbelegen gehe hervor, dass die Personengesellschaft nach außen hin gegenüber Dritten - insbesondere gegenüber dem Pächter, den Banken und Behörden - aufgetreten sei.

5 Steuerpflichtiger sei, wer die wirtschaftliche Tätigkeit eines Dienstleistenden selbstständig ausübe. Eine Personengesellschaft, die sich wie die durch die Mitbeteiligte und die zweite Agrargemeinschaft gebildete Personengesellschaft als solche zu Leistungen verpflichte, besitze stets Unternehmereigenschaft. Eine Weisungsunterworfenheit gegenüber einem anderen Unternehmer könne nicht festgestellt werden.

6 Der gegenständliche Fall sei mit dem Verhältnis zwischen einer Hausgemeinschaft und ihren Miteigentümern vergleichbar. Die nach außen auftretende Hausgemeinschaft sei ein von den einzelnen Miteigentümern verschiedenes Unternehmen. Das Unternehmen der Personengesellschaft umfasse nicht die unternehmerische Tätigkeit der einzelnen Gesellschafter. Ebenso umfasse das Unternehmen der gegenständlichen Personengesellschaft, die aus zwei Agrargemeinschaften bestehe, nicht deren unternehmerische Tätigkeit.

7 Gewerblich oder beruflich sei jede Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Es genüge, dass durch einen einmaligen Vertragsabschluss ein Dauerzustand zwecks Erzielung fortlaufender Einnahmen geschaffen werde. Die Personengesellschaft übe in Bezug auf die Verpachtung der Eigenjagd eine nachhaltige Tätigkeit aus, da sie durch den Vertragsabschluss einen Dauerzustand mit dem Ziel laufender Einnahmen geschaffen habe.

8 Beide Agrargemeinschaften seien als Körperschaften öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

9 Die Verpachtung einer Eigenjagd gegen ein Jahresentgelt von 14.704,22 EUR stelle eine nachhaltige privatwirtschaftliche, dienstleistende Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht dar, die nicht den Agrargesellschaften als Gesellschaftern der Personengesellschaft, sondern der Gesellschaft selbst als Unternehmerin zuzurechnen sei.

10 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde des Finanzamts. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 In der Beschwerde führte das Finanzamt aus, dass nach den Bestimmungen des Tiroler Jagdgesetzes 2004 (TJG 2004) auf einem Eigenjagdgebiet die Ausübung des Jagdrechts dem Grundeigentümer zustehe. Übe er das Jagdrecht nicht selbst aus, so habe er die Ausübung des Jagdrechts unverzüglich an eine geeignete Person zu verpachten oder auf einen Jagdleiter zu übertragen. Es sei ausdrücklich normiert, dass das Jagdrecht mit einer bestimmten Grundfläche von einer bestimmten Mindestgröße untrennbar in Verbindung stehe. Somit sei es ausgeschlossen, dass mehrere Grundeigentümer durch Privatvereinbarungen eine Eigenjagd bzw. daraus abgeleitet ein eigenständiges und verpachtungsfähiges Jagdrecht begründen könnten. Vielmehr stehe die Ausübung des Eigenjagdrechts ausschließlich dem Eigentümer des auf Grundlage des TJG 2004 festgestellten Eigenjagdgebietes zu. Die Ausübung des Jagdrechts hinsichtlich einer an ein Eigenjagdgebiet angegliederten Grundfläche iSd § 8 TJG 2004 komme ex lege ebenfalls allein dem Eigenjagdberechtigten zu. Der Eigentümer der an das Eigenjagdgebiet angegliederten Grundfläche habe gegenüber dem Eigentümer der Eigenjagd Anspruch auf einen Anteil am Pachtzins, der nach dem Verhältnis der Grundflächen zu berechnen sei. Die belangte Behörde habe dies verkannt, wenn sie ausführe, dass die beiden Agrargemeinschaften durch die gemeinsame Verpachtung in Bezug auf die verpachteten Flächen die Qualifikation einer Eigenjagd erlangt hätten. Schon aus dem Wortlaut des Vertrages, wonach dieser mit den "Eigenjagden" der Mitbeteiligten und der Agrargemeinschaft L abgeschlossen worden sei, ergebe sich, dass jeweils eine eigenständige Eigenjagd durch einen Eigenjagdberechtigten eigenständig verpachtet werde. Diese Sichtweise stehe auch mit den Vorschriften des TJG 2004 im Einklang. Die Unterfertigung einer einzigen Vertragsurkunde stehe dieser Beurteilung nicht entgegen.

12 Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Maßgeblichkeit des Außenverhältnisses verkenne die belangte Behörde die Rechtslage, wenn sie ausführe, dass die Personenmehrheit dritten Personen gegenüber in Erscheinung trete. Leistungen seien grundsätzlich jenem Unternehmer zuzurechnen, der sie im eigenen Namen erbringe, unabhängig davon, ob er das unternehmerische Risiko aus dem Geschäft trage und ob er auf eigene oder fremde Rechnung tätig werde. Das Auftreten gegenüber Dritten sei somit - ebenso wie die Überweisung des Entgelts auf das gemeinsame Bankkonto der Personenmehrheit - belanglos. Entscheidend sei vielmehr das Auftreten des Leistenden gegenüber seinem Leistungsempfänger im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen, also die vereinbarungsgemäße Verpachtung der Eigenjagd durch die mitbeteiligte Partei an den Jagdpächter entsprechend der schriftlich ausgefertigten Vereinbarung über die Jagdverpachtung.

13 Strittig ist somit ausschließlich, ob es sich bei der gemeinsamen Verpachtung des Jagdgebiets um eine Leistung der von den beiden Agrargemeinschaften gebildeten Personengemeinschaft handelt oder wie das beschwerdeführende Finanzamt meint, um zwei getrennt zu betrachtende Leistungen der einzelnen Agrargemeinschaften.

14 Das beschwerdeführende Finanzamt stützt seine Ansicht insbesondere darauf, dass die von der Mitbeteiligten und der Agrargemeinschaft L gewählte Gestaltung den Bestimmungen des TJG 2004 widerspreche, weil nur der Jagdberechtigte selbst seine Eigenjagd verpachten könne und somit eine gemeinsame Verpachtung zweier Eigenjagden nicht möglich sei.

15 Ob Bestimmungen des Jagdrechtes eine gemeinsame Verpachtung zweier Eigenjagden erlauben, kann im gegebenen Zusammenhang dahinstehen, weil es für Zwecke der Umsatzsteuer unerheblich ist, ob eine Leistung rechtlich zulässig ist (vgl. ).

16 Eine Personenmehrheit ist dann als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zu sehen, wenn sie im eigenen Namen nach außen (Dritten gegenüber) in Erscheinung tritt und eine gewerbliche und berufliche Tätigkeit entfaltet (vgl. ). Das beschwerdeführende Finanzamt bekämpft die Zurechnung der Verpachtungsleistung an diese mit der Begründung, dass die Verpächtergemeinschaft im abgeschlossenen Jagdpachtvertrag nicht gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen aufgetreten wäre. Der Jagdpachtvertrag sei mit den "Eigenjagden der (Mitbeteiligten) und der Agrargemeinschaft (L) ... im folgenden kurz Verpächter genannt" abgeschlossen worden.

17 Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Aus der Verwendung des Wortes "Eigenjagden" im Jagdpachtvertrag musste die belangte Behörde nicht den Schluss ziehen, dass nicht die Verpächtergemeinschaft, sondern die beiden Agrargemeinschaften jeweils für sich als Unternehmer aufgetreten wären. Die beiden Agrargemeinschaften werden im Jagdpachtvertrag als "Verpächter" (im Singular) bezeichnet und traten auch hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag als eine Vertragspartei auf. Es war somit nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass die aus der Mitbeteiligten und der Agrargemeinschaft L bestehende Personenmehrheit auch gegenüber ihrem Vertragspartner und Leistungsempfänger als solche aufgetreten ist und in diesem Namen die Leistung aus dem Pachtvertrag erbracht hat.

18 Das beschwerdeführende Finanzamt wirft der belangten Behörde weiters vor, sie sei nicht darauf eingegangen, dass die Umsätze bei der Personenmehrheit aufgrund der Kleinunternehmerregelung nicht der Besteuerung unterlägen, während die mitbeteiligte Partei im streitgegenständlichen Zeitraum wegen Überschreitung der Kleinunternehmergrenze nicht von der Umsatzsteuer befreit sei. Es sei nicht erkennbar, dass die vorliegende Gestaltung eine andere Erklärung als die Erlangung dieses Steuervorteils habe. Die belangte Behörde habe sich mit der Frage, ob eine missbräuchliche Gestaltung vorliege, gar nicht auseinandergesetzt.

19 Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH wird als Missbrauch im Sinne des § 22 BAO eine rechtliche Gestaltung angesehen, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung - vor dem Hintergrund des mit der Regelung des Abgabengesetzes verfolgten Zieles - ungewöhnlich und unangemessen ist und die nur auf Grund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Können beachtliche außersteuerliche Gründe für eine - wenn auch ungewöhnliche - Gestaltung angeführt werden, ist ein Missbrauch auszuschließen (vgl. eingehend , mit weiterführenden Hinweisen zur Rechtsprechung des EuGH).

20 Das beschwerdeführende Finanzamt hat die Zurechnung anteiliger Umsatzerlöse an die mitbeteiligte Partei nicht mit dem Vorliegen einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung begründet. Vielmehr wird im Prüfungsbericht ausgeführt, dass der Zusammenschluss "nur zur Erlangung der Qualifikation als Eigenjagd" eingegangen worden sei. Auch in der Beschwerde wird nichts vorgebracht, das auf das Vorliegen einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung hindeutete.

21 Mit dem bloßen Hinweis auf die im Beschwerdefall zur Anwendung gelangende Kleinunternehmerregelung macht das Finanzamt nicht plausibel, dass gegenständlich eine Konstellation vorläge, die eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Missbrauchsthematik durch die belangte Behörde notwendig gemacht hätte. Weder wird dargelegt, dass eine unangemessene Gestaltung gegeben sei, die dem Zweck der Umsatzsteuergesetzes zuwiderlaufe. Noch gelingt es dem beschwerdeführenden Finanzamt, die Vereinfachung der Bejagung als von der Mitbeteiligten angegebenen maßgeblichen Grund für die gewählte Gestaltung zu entkräften.

22 Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

23 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am