VwGH vom 15.09.2016, 2013/15/0219
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser, sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz in 4040 Linz, Neues Rathaus, Hauptstraße 1-5, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(Gem) - 524705/1-2013- Gb/Os, betreffend Kommunalsteuer 2006 bis 2010 (mitbeteiligte Partei: U GmbH in F, vertreten durch die PwC PricewaterhouseCoopers Wirtschaftsprüfung u. Steuerberatung GmbH, Wirtschaftsprüfer in 1030 Wien, Erdbergstraße 200), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte, eine in Deutschland ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsgegenstand das Investmentgeschäft in Form der Verwaltung von Sondervermögen ist, unterhält ein Büro in Linz, in welchem in den streitgegenständlichen Jahren zwei Mitarbeiter beschäftigt waren.
2 Der Tätigkeitsbereich der österreichischen Mitarbeiter gestaltet sich nach den - insoweit unbestritten gebliebenen - Angaben der Mitbeteiligten folgendermaßen: Ihre Hauptaufgabe ist die Suche nach potentiellen Kunden (Banken, Assetmanagern, Versicherungen, Pensionskassen etc.), die im Privatkundengeschäft aktiv sind. Die Mitarbeiter besuchen diese und stellen die Mitbeteiligte als Unternehmen und deren Produktpalette vor. Sobald ein potentieller Kunde an den Produkten Interesse zeigt, können die österreichischen Mitarbeiter allgemeine Auskünfte zu diesen erteilen. Detaillierte Auskünfte zu einzelnen Produkten werden direkt vom zuständigen Fonds- und Produktmanager der Mitbeteiligten in Deutschland erteilt. Die österreichischen Mitarbeiter können weder die Konditionen der Vertriebsverträge mit den Kunden (Banken, Versicherungen) verhandeln noch haben sie Abschlussvollmacht für die Mitbeteiligte. Ihre weiteren Aufgaben sind Marktforschung und Kontaktmanagement hinsichtlich des österreichischen Markts, die allgemeine Auskunftserteilung bei fondsspezifischen Anfragen von Banken und Sparkassen, die Erstellung von Präsentationen und Infobroschüren sowie die Planung von Events zu Werbe- und Informationszwecken.
3 Anlässlich einer Kommunalsteuer-Nachschau schrieb der Magistrat der Stadt Linz der Mitbeteiligten Kommunalsteuer samt Säumniszuschlag für die Jahre 2006 bis 2010 vor. Das Büro der Mitbeteiligten in Linz begründe nach dem Kommunalsteuergesetz 1993 und dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland (im Folgenden nur: DBA-Deutschland) eine Betriebsstätte in Österreich.
4 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Berufung und beantragte die Nichtfestsetzung der Kommunalsteuer. Bei dem Büro in Linz handle es sich um keine Betriebsstätte, sondern um eine bloße Repräsentanz. In einer Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen seien Werbeaktivitäten, Kontaktaufbau und -pflege zu Banken und Versicherungen, der Aufbau und die Pflege von Kunden- und Produktdatenbanken sowie die Bereitstellung einer Informationsstelle für Banken, Versicherungen und unabhängige Vermittler als bloße Hilfstätigkeiten angesehen worden, die keine wesentliche Funktion einer Investmentgesellschaft erfüllten. Es handle sich bei diesem Büro somit um eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich dazu unterhalten werde, für das Unternehmen Tätigkeiten vorbereitender Art bzw. Hilfstätigkeit auszuüben. Gemäß Art. 5 Abs. 4 lit. e DBA-Deutschland seien solche Einrichtungen keine "Betriebsstätten" im Sinne dieses Abkommens, weshalb die Arbeitslöhne der dem österreichischen Büro der Mitbeteiligten zuzurechnenden Dienstnehmer nicht der Kommunalsteuer unterlägen.
5 Der Stadtsenat der Stadt Linz wies die Berufung ab und führte begründend hierzu aus, beim Büro der Mitbeteiligten in Linz handle es sich um eine Betriebsstätte nach dem DBA-Deutschland. Die dort ausgeübte Tätigkeit stelle keine Hilfstätigkeit iSd Art. 5 Abs. 4 lit. e des Abkommens dar, weil es sich um keine unterstützende Tätigkeit für das Unternehmen der Mitbeteiligten, sondern um eine unternehmerische Tätigkeit mit Außenwirkung handle. Dass die Tätigkeit im Linzer Büro der österreichischen Finanzmarktaufsicht angezeigt worden sei, spreche ebenfalls dafür, dass die Mitbeteiligte dort nicht bloße Hilfstätigkeiten ausübe. Zudem bestehe der Zweck des DBA-Deutschland darin, zu verhindern, dass Steuern doppelt - sowohl in Deutschland als auch in Österreich - erhoben würden. Die Arbeitslöhne der österreichischen Mitarbeiter unterlägen jedoch in Deutschland nicht der Kommunalsteuer oder einer vergleichbaren Steuer. Die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen sei nicht rechtsverbindlich und es liege ihr ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei.
6 Die Mitbeteiligte erhob dagegen Vorstellung an die Landesregierung, der mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid stattgegeben wurde. Die belangte Behörde hob den Bescheid des Stadtsenates auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Linz zurück.
7 In der Bescheidbegründung weist die belangte Behörde zunächst darauf hin, dass die Anzeige bei der Finanzmarktaufsicht für die Beurteilung, ob das Büro in Linz eine Betriebsstätte iSd DBA-Deutschland darstelle, irrelevant sei. Diese Anzeige sei für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr notwendig, der aber nicht vom Bestehen einer Betriebsstätte abhängig sei. Arbeitsumfang und Art der Tätigkeiten der Mitarbeiter deckten sich weitgehend mit der Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen, die die Beurteilung der Betriebsstätte einer britischen Investmentgesellschaft in Österreich zum Gegenstand gehabt habe. In dieser Anfragebeantwortung seien der Kontaktaufbau und die Kontaktpflege mit Banken und Versicherungen als unabhängigen Vertriebspartnern, welche die Produkte der Investmentgesellschaft schließlich ihren eigenen Kunden anbieten sollten, als Hilfsfunktion qualifiziert worden. Die Ausnahmebestimmung des DBA-Großbritannien sei zwar nicht wortident mit jener des DBA-Deutschland, es könne jedoch kein rechtlich relevanter Unterschied festgemacht werden. Unter Bezugnahme auf Ausführungen im Rahmen des Salzburger Steuerdialogs 2009 führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Durchführung von Verhandlungen mit externen österreichischen Vertriebspartnern dann keine Betriebsstätte begründe, wenn im Wege dieser Verhandlungen nur Informationen über Anlagemöglichkeiten erteilt würden und diese Verhandlungen in das zustande kommende Investmentgeschäft nicht entscheidend eingriffen. Gegenständlich sei evident, dass die Mitarbeiter in Linz nicht entscheidend in das Zustandekommen der Investmentgeschäfte eingriffen, sondern unterstützend und vorbereitend tätig seien. Bei der Repräsentanz in Linz handle es sich daher um eine feste Geschäftseinrichtung, die unter Art. 5 Abs. 4 lit. e des DBA-Deutschland falle.
8 Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde der Landeshauptstadt, welche von der geschäftsführenden Vizebürgermeisterin unterzeichnet wurde.
9 Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Gegenschrift und beantragten, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Beschwerde der Landeshauptstadt richtet sich dagegen, dass das Büro der Mitbeteiligten in Linz nicht als Betriebsstätte im Sinne des DBA-Deutschland qualifiziert und der Kommunalsteuerbescheid aus diesem Grund aufgehoben worden sei. Zu den formellen Voraussetzungen der Beschwerdeerhebung wird in der Beschwerde u.a. vorgebracht, dass der Bürgermeister zur Erhebung der Beschwerde berechtigt sei, weil er gemäß § 49 Abs. 1 des Statuts der Stadt Linz die Stadt nach außen vertrete. Im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung sei er von der geschäftsführenden Vizebürgermeisterin vertreten worden.
12 Die belangte Behörde macht in ihrer Gegenschrift u.a. die Unzulässigkeit der gegenständlichen Beschwerde geltend, da diese nicht dem Statut der Stadt Linz entsprechend erhoben worden sei.
13 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ordnungsgemäß kundgemachte Organisationsnormen für juristische Personen auch des öffentlichen Rechts nach außen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe vorsehen können; sprechen die Normen von einer Vertretung nach außen schlechthin, so kann nicht auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen zurück gegriffen werden. Nach § 49 Abs. 1 des Statutes für die Landeshauptstadt Linz vertritt der Bürgermeister die Stadt Linz nach außen. Der Bürgermeister kann nach § 26 des Statutes für die Landeshauptstadt Linz in allen Befugnissen und Angelegenheiten durch den Vizebürgermeister bzw. die Vizebürgermeisterin vertreten werden. Die gegenständliche Beschwerde wurde von der Vizebürgermeisterin unterschrieben, die den Bürgermeister im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung vertreten hat. Es ist demnach ein zur Vertretung nach außen schlechthin ermächtigtes Organ einer juristischen Person tätig geworden, sodass die Frage, ob ein Beschluss des Stadtsenates vorliegt, für die Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde keine Rolle spielt (vgl. ).
14 Das DBA-Deutschland 1954, BGBl. Nr. 221/1955, das die Anwendbarkeit auf die österreichische Gewerbesteuer ausdrücklich vorsah und aufgrund der Anpassungsklausel des Art. 2 Abs. 2 auch für jede gleiche oder ähnliche Steuer galt, die nach seiner Unterzeichnung von einem der Vertragsstaaten eingeführt wurde, hat sich auch auf die Kommunalsteuer erstreckt (vgl. ). Im für die Streitjahre anwendbaren DBA-Deutschland 2002, BGBl. III Nr. 182/2002, ist die Gewerbesteuer bei den bestehenden österreichischen Steuern, für die das Abkommen gilt, nicht mehr angeführt. Auch die neu eingeführte Kommunalsteuer ist im Katalog des Art. 2 nicht angeführt. Abs. 12 lit. a des Protokolls zu Art. 24 DBA-Deutschland 2002 sieht jedoch ausdrücklich vor, dass in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Unternehmen, denen nach den Bestimmungen des Abkommens vom eine Entlastung von der österreichischen Kommunalsteuer zu gewähren gewesen wäre, diese Entlastung auch weiterhin so lange zusteht, wie Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Grund ihrer DBA mit der Republik Österreich von dieser Abgabe entlastet werden. In den Streitjahren waren mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen auf die österreichische Gewerbesteuer und damit aufgrund einer entsprechenden Anpassungsklausel auch auf die Kommunalsteuer anwendbar (u.a. die Abkommen mit Frankreich, BGBl 613/1994, Italien, BGBl 125/1985, oder Portugal, BGBl 85/1972). Daher ist im Streitfall nach den Bestimmungen des DBA-Deutschland 1954 zu prüfen, ob der Mitbeteiligten eine Entlastung von der Kommunalsteuer "zu gewähren gewesen wäre".
15 Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass es sich beim Büro der Mitbeteiligten in L um eine feste Geschäftseinrichtung handle, die nur dazu unterhalten werde, für das Unternehmen Tätigkeiten vorbereitender Art bzw. Hilfstätigkeit auszuüben. Gemäß Art. 5 Abs. 4 lit. e DBA-Deutschland 2002 seien solche Einrichtungen keine "Betriebsstätten", weshalb die Arbeitslöhne der dem österreichischen Büro der Mitbeteiligten zuzurechnenden Dienstnehmer nicht der Kommunalsteuer unterlägen. Ob der Mitbeteiligten auch nach den Bestimmungen des DBA-Deutschland 1954 eine Entlastung von der Kommunalsteuer zu gewähren gewesen wäre, wurde nicht geprüft.
16 Art. 4 Abs. 3 DBA-Deutschland 1954, BGBl. Nr. 221/1955, lautete:
"Betriebsstätte im Sinne dieses Abkommens ist eine ständige Geschäftseinrichtung des gewerblichen Unternehmens, in der die Tätigkeit dieses Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird."
17 Die Nummern 8 und 9 des Schlussprotokolls zu Art. 4 DBA-Deutschland 1954, BGBl. Nr. 221/1955, lauteten:
"8. Betriebstätten sind Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen, Fabriken, Werkstätten, Lagerhäuser, Bergwerke, Steinbrüche oder andere Stätten der Ausbeutung von Grund und Boden, dauernde Verkaufsausstellungen; ferner Bauausführungen, Montagen und dergleichen, deren Dauer zwölf Monate überschritten hat oder voraussichtlich überschreiten wird, und andere ständige Geschäftseinrichtungen.
9. Unbeschadet der Vorschriften in Nummer 10 gelten nicht als Betriebstätten:
a) die gelegentliche oder zeitlich beschränkte
Benutzung bloßer Stapelgelegenheiten;
b) das bloße Unterhalten eines Warenlagers, auch in
einem Lagerhaus, zu Auslieferungs-, nicht aber zu
Ausstellungszwecken;
c) das bloße Unterhalten einer ständigen
Geschäftseinrichtung ausschließlich für den Einkauf von Gütern und Waren."
18 Im DBA-Deutschland 1954 findet sich keine dem Art. 5 Abs. 4 lit. e DBA-Deutschland 2002 vergleichbare Bestimmung. Nach Art. 4 Abs. 3 DBA-Deutschland 1954 stellen feste Geschäftseinrichtungen, in denen vorbereitende Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten ausgeübt werden, nur dann keine Betriebsstätten dar, wenn sie vom Ausnahmekatalog der Nr. 9 des Schlussprotokolls (Stapelgelegenheiten, Warenlager, Einkaufsbetriebsstätten) erfasst sind (vgl. Lang/Schuch , Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Österreich, Art. 4, Rz 118). Daher fielen auch bloße Verbindungsbüros (Repräsentanzen) regelmäßig unter den Betriebsstättenbegriff des Art. 4 Abs. 3 DBA-Deutschland 1954.
19 Dass im Büro der Mitbeteiligten in L vom Ausnahmekatalog der Nr. 9 des Schlussprotokolls zum DBA-Deutschland 1954 erfasste Tätigkeiten ausgeübt worden wären hat die Mitbeteiligte im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Derartiges wurde von der belangten Behörde auch nicht festgestellt.
20 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
21 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am