VwGH vom 25.07.2013, 2013/15/0201
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4150 Rohrbach, Linzerstraße 15, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zlen. RV/0254-L/07, RV/0253-L/07, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2005 (mitbeteiligte Partei: DI F in A), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte hat im Jahr 2005 um 38.367,76 EUR auf dem Dach seines privaten Wohnzwecken dienenden Hauses eine Photovoltaikanlage errichtet, die mit einem Einmalbetrag von 19.020 EUR gefördert worden ist. Der Technikraum befindet sich im Keller, eine Stromspeichermöglichkeit in Form von Akkumulatoren besteht nicht. Der gesamte von der Photovoltaikanlage produzierte Strom wird an das (öffentliche) Netz geliefert, wobei der im eigenen Haushalt benötigte Strom wieder - zum selben Preis wie geliefert (Bruttopreis/kWh 0,181 EUR) - zurückgekauft wird.
Im Zeitraum 2005 bis 2008 hat der Mitbeteiligte insgesamt rund 44.600 kWh Strom in seinem Haushalt verbraucht. In dieser Zeit hat die Photovoltaikanlage insgesamt eine Menge von
19.801 kWh Strom produziert.
Die im Jahr 2005 geltend gemachte Vorsteuer betrug 6.394,63 EUR.
Für die Stromlieferungen aus der Photovoltaikanlage wurde monatlich eine Gutschrift in Höhe von 80,39 EUR brutto überwiesen.
Nach Meinung des Finanzamtes begründete der Mitbeteiligte mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage keine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit, weshalb ihm mit Umsatzsteuerbescheid 2005 der Vorsteuerabzug versagt wurde.
Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde betreffend Umsatzsteuer 2005 auf Grund eines Vorsteuerüberhangs eine Abgabengutschrift in Höhe von 6.309,29 EUR fest.
Begründend hielt sie fest, der Betrieb einer Photovoltaikanlage erfülle die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG, wenn er als Nutzung eines Gegenstandes zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolge. Diese Feststellung sei aufgrund der Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalles zu treffen. Könne ein Gegenstand - wie vorliegend - seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, so seien alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet werde. In diesem Fall könne der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt werde, eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden könne, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt werde (vgl. das , Enkler ).
Der Mitbeteiligte habe eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung errichtet und liefere den erzeugten Strom zur Gänze dem Ökostrom Solarpartner, der Ö Vertriebs-GmbH. Dieser Solarpartner trete im Geschäftsverkehr als "Käufer" und "Verkäufer" von Strom auf. Es sei also jedenfalls von einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auszugehen. Dem Mitbeteiligten werde für die Lieferung ins Netz ein fremdüblicher Preis bezahlt (jeweils geltender Marktpreis laut Aushang der Regulierungsbehörde E-Control). Es sei also auch das Merkmal der Entgeltlichkeit gegeben. Aufgrund der Planung und Auslegung der Anlage sei von vornherein davon auszugehen, dass dauernd überschüssiger Strom erzeugt werde, zumal es zu witterungsbedingten Überschüssen komme. Diese Tatsache werde auch durch die bereits vorliegenden Daten bestätigt. So seien im Jahr 2005 (5 Monate) 2.829 kWh erzeugt und 1.986 kWh dauerhaft in das Netz eingespeist, im Jahre 2006 6.789 kWh erzeugt und 3.762 kWh dauerhaft eingespeist und im Jahre 2007 6.789 kWh erzeugt und
3.268 kWh dauerhaft in das Netz eingespeist worden.
Da also ein Stromüberschuss in der Anlage nicht nur gelegentlich entstehe, diene diese nicht ausschließlich oder überwiegend der eigenen (privaten) Stromversorgung. Dadurch sei aber auch das gesetzliche Erfordernis der Nachhaltigkeit erfüllt. Durch den Netzzugangsvertrag sei ein Dauerzustand zwecks Erzielung fortlaufender Einnahmen geschaffen worden ("... dieser Vertrag gilt ab und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen....").
Die Motivation, die zur Leistungserbringung geführt habe (Umweltschutzgedanke, Unabhängigkeit, fehlende Speichermöglichkeit für Eigenverbrauch), sei dagegen irrelevant. Auch sei keine Gewinnerzielungsabsicht, sondern lediglich Einnahmenerzielungsabsicht erforderlich.
Der Umstand, dass der Mitbeteiligte für seinen Haushalt insgesamt mehr Strom benötige, als die Anlage erzeuge, sei unerheblich. Maßgeblich sei die überwiegend unternehmerische Nutzung des konkreten Wirtschaftsgutes "Photovoltaikanlage". Ob und in welchem Umfang privater (Strom)Konsum erfolge, sei für die Frage, ob die Anlage unternehmerisch oder nicht unternehmerisch verwendet werde, unerheblich.
Der Mitbeteiligte nutze die Photovoltaikanlage jedenfalls zu mindestens 10% für sein Unternehmen, auch dann wenn man davon ausgehe, dass nur der überschüssige Strom in das Netz eingespeist werde (2005: "produzierter" Strom: 2.829 kWh und "überschüssiger" Strom: 1.986 kWh). Da aber der gesamte produzierte Strom mit Umsatzsteuer verrechnet und der selbst verbrauchte Strom wieder mit Umsatzsteuer zurückgekauft werde (ohne Vorsteuerabzug), erübrige sich auch eine allenfalls erforderliche Eigenverbrauchsbesteuerung für den Privatverbrauch. Unter diesen Umständen könne der Mitbeteiligte seine Anlage insgesamt (zu 100%) seinem Unternehmen zuordnen und den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten der Anlage geltend machen (vgl. Urteile des BFH vom , V R 10/07 und vom , V R 80/07). Durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges aus den Anschaffungskosten habe der Mitbeteiligte bereits zum Zeitpunkt der Errichtung diese Zuordnung unzweifelhaft bekannt gegeben und sei eine zeitnahe Zuordnung erfolgt.
Bei der Berechnung der Steuerfestsetzung für 2005 ging die belangte Behörde von folgenden Zahlen aus: Bei einer insgesamt gelieferten Solarstrommenge von 2.829 kWh aus der Photovoltaikanlage ergebe sich bei einem kWh-Satz von 0,181 EUR ein Bruttoerlös von 512,05 EUR, woraus sich ein Nettoerlös von 426,71 EUR und ein USt-Betrag von 85,34 EUR ergebe. Angesichts der geltend gemachten Vorsteuer für die Photovoltaikanlage in Höhe von 6.394,63 EUR ergab sich daraus ein Vorsteuerüberhang bzw. eine Abgabengutschrift in Höhe von 6.309,29 EUR.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 Bundesabgabenordnung erhobene Beschwerde, in der das Finanzamt einerseits die Zuerkennung der Unternehmereigenschaft und Annahme einer nachhaltigen unternehmerischen Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Photovoltaikanlage für Zwecke der privaten Energieversorgung und andererseits die Zuerkennung des vollen Vorsteuerabzuges gemäß § 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 1 UStG 1994 für die Errichtung der Anlage unter Außerachtlassung der Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 sowie alternativ einer Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 bekämpft.
Aus Anlass des vorliegenden Beschwerdeverfahrens legte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
"Begründet der Betrieb einer netzgeführten Photovoltaikanlage ohne eigene Stromspeichermöglichkeit auf oder neben einem privaten Wohnzwecken dienenden Eigenheim, welche technisch derart ausgelegt ist, dass die Stromerzeugung der Anlage dauerhaft die durch den Anlagenbetreiber insgesamt privat verbrauchte Strommenge im Eigenheim unterschreitet, eine 'wirtschaftliche Tätigkeit' im Sinne des Art. 4 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie des Anlagenbetreibers?"
Mit Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom , Rs C-219/12, beantwortete der EuGH die Vorlagefrage wie folgt:
"Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Betrieb einer auf oder neben einem Wohnhaus angebrachten Photovoltaikanlage, die derart ausgelegt ist, dass zum einen die Menge des erzeugten Stroms die durch den Anlagenbetreiber insgesamt privat verbrauchte Strommenge immer unterschreitet und zum anderen der erzeugte Strom gegen nachhaltige Einnahmen an das Netz geliefert wird, unter den Begriff 'wirtschaftliche Tätigkeiten' im Sinne dieses Artikels fällt."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist dabei jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
Den unionsrechtlichen Hintergrund der Bestimmung bildet der im Beschwerdefall noch anzuwendende Art. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern.
Dieser lautet:
"Artikel 4
(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst."
In seinem Urteil vom , Rs C-219/12, hat der EuGH zur Frage der "wirtschaftlichen Tätigkeit" im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Photovoltaikanlage Folgendes ausgeführt:
"28 Da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fotovoltaikanlage Strom produziert, der gegen nachhaltige Einnahmen an das Netz geliefert wird, ist festzustellen, dass die Voraussetzungen dafür, dass diese Tätigkeit unter den Begriff 'wirtschaftliche Tätigkeiten' im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie fällt, erfüllt sind.
29 Diese Schlussfolgerung wird nicht durch den von dem vorlegenden Gericht festgestellten Umstand in Frage gestellt, dass die Menge des von dieser Anlage erzeugten Stroms die durch den Anlagenbetreiber für seinen Haushaltsbedarf verbrauchte Strommenge immer unterschreitet.
30 Im vorliegenden Fall geht nämlich aus der Vorlageentscheidung hervor, dass aufgrund der technischen Merkmale der fraglichen Anlage zum einen der erzeugte Strom an das Netz geliefert wird und zum anderen der verbrauchte Strom vom Betreiber des Netzes gekauft wird. Wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, wird, da es sich um eine netzgeführte Stromerzeugungsanlage handelt, eine Zuordnung und Identitätsbestimmung des in Rede stehenden vertretbaren Wirtschaftsguts Strom nach seiner Einspeisung in das Netz und seiner Zurücklieferung aus dem Netz gar nicht möglich sein.
31 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit der Lieferung von Strom unabhängig von dem Vorgang ist, mit dem der Betreiber der Fotovoltaikanlage Strom für seinen Haushaltsbedarf aus dem Netz bezieht, und dass deshalb das Verhältnis zwischen der Menge des erzeugten Stroms einerseits und der des verbrauchten Stroms andererseits für die Einstufung dieser Liefertätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit keine Rolle spielt."
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid - in Übereinstimmung mit dieser Rechtsansicht des EuGH - davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte auf Grund des Betriebs der netzgeführten Photovoltaikanlage und der regelmäßigen entgeltlichen Lieferung von darin produziertem Strom an das Netz Unternehmer iSd § 2 UStG 1994 ist und ihm deshalb im Zusammenhang mit der Errichtung der Anlage auch die Vorsteuerabzugsberechtigung zukomme.
Was weiters die von der Amtsbeschwerde ins Treffen geführte Außerachtlassung der Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 sowie alternativ einer Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 anbelangt, so ist die Amtsbeschwerde auch damit nicht im Recht.
Bei einer Volleinspeisung des von der Photovoltaikanlage produzierten elektrischen Stroms in das öffentliche Stromnetz bleibt für eine Anwendung der Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 wie auch für eine Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 jedenfalls kein Raum.
Soweit die Beschwerde schließlich die Sachverhaltsannahme einer Volleinspeisung als aktenwidrig bekämpft, ist ihr mit der Gegenschrift der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde diese Feststellung auf den Vertrag des Mitbeteiligten mit der Ö Vertriebs-GmbH sowie auf das Ergebnis der Betriebsprüfung gestützt hat. Lediglich abrechnungstechnisch sei von einer saldierten Vorgehensweise wie bei einer Überschusseinspeisung ausgegangen worden.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am