VwGH 06.10.2011, 2011/06/0144
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | VVG §2 Abs1; |
RS 1 | Dem österreichischen (Verwaltungsrecht) Vollstreckungsrecht ist eine allgemeine Härteklausel oder die Einrichtung eines Vollstreckungsschubes aus Gründen besonderer Härte unbekannt (Holzhammer: "Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht" 1974, S 20). Der Versuch, im Wege der Interpretation des § 2 Abs 1 VVG durch die Rechtsprechung derartiger Rechtsinstitute zu schaffen, geht sowohl am Wortlaut als auch am Zweck der Bestimmung vorbei. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/06/0184 E RS 1
(hier nur erster Satz) |
Norm | VVG §2; |
RS 2 | Aus dem im § 2 VVG verankerten Schonungsprinzip ist kein Rechtsanspruch abzuleiten, das Verwaltungsvollstreckungsverfahren (wie in der Beschwerde intendiert, entweder bis zu einer positiven Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes oder aber einen positiven Abschluss des Verfahrens zur Revision des Flächenwidmungsplanes) zu sistieren (Hinweis E vom , 2001/07/0016). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde
1. der C L und 2. des G L, beide in M, beide vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B-12.10-M221/2011-77, betreffend die Anordnung der Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2006/06/0001, vom , Zl. 2009/06/0130, und vom , Zl. 2009/06/0224, zu entnehmen. Für den Beschwerdefall ist daraus hervorzuheben, dass die Beschwerdeführer mit dem rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M. vom verpflichtet wurden, binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides das auf einem näher genannten Grundstück befindliche Wohnhaus zu beseitigen. Die Bezirkshauptmannschaft (BH) drohte den Beschwerdeführern mit Schreiben vom die Ersatzvornahme an. In der Folge erging ein Kostenvorauszahlungsauftrag (siehe dazu das eingangs genannte hg. Erkenntnis vom ).
Aufgrund des Vorbringens in der Beschwerde, des vorgelegten, angefochtenen Bescheides und den weiters vorgelegten Unterlagen geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem weiteren Sachverhalt aus:
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom ordnete die BH die Ersatzvornahme an.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.
Zur Begründung heißt es nach Darstellung der Vorgeschichte und Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen, die BH habe der belangten Behörde mit Schreiben vom mitgeteilt, dass die Vollstreckungsbehörde derzeit keine weiteren Vollstreckungsschritte unternehme, weil der Gemeinderat eine Revision des Flächenwidmungsplanes beschlossen habe und Bestrebungen im Gange seien, das Grundstück, auf welchem sich das verfahrensgegenständliche Haus befinde, von Freiland in Bauland umzuwidmen.
Für das Gebäude liege (aber) keine rechtskräftige Baubewilligung vor. Die Beschwerdeführer hätten nach Anordnung der Ersatzvornahme mit Eingabe vom neuerlich um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Hauses auf dem Grundstück angesucht. Dieses Ansuchen sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom als unbegründet abgewiesen worden, der dagegen erhobenen Berufung sei mit Bescheid des Gemeinderates vom keine Folge gegeben worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Weiters liege ein rechtskräftiger Beseitigungsauftrag vom vor, der nunmehr vollstreckt werden müsse. Daran könne das Vorbringen in der Berufung (dass die Beschwerdeführer außer Stande seien, dem Kostenvorauszahlungsauftrag nachzukommen, und überdies obdachlos würden und völlig verarmten) nichts ändern.
Da somit festgestellt worden sei, dass die Durchführung des Vollstreckungsverfahrens jedenfalls zulässig gewesen und darüber hinaus gemäß der Mitteilung der BH dem Beseitigungsauftrag noch nicht entsprochen worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 VVG lautet:
"§ 2. (1) Bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse haben die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten, daß jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.
(2) Geldleistungen dürfen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notdürftige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird."
Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, dass die Anordnung der Ersatzvornahme, jedenfalls im Beschwerdefall, die Berücksichtigung einerseits des Schonungsprinzips und andererseits ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse verlangt hätte. Die Besonderheit des Falles liege darin, dass die Beschwerdeführer der, wie sich später herausgestellt habe, irrigen Annahme gewesen seien, das Haus sei durch Konsumierung einer rechtskräftigen Baubewilligung errichtet worden; sie hätten aber feststellen müssen, dass das nicht der Fall sei (weil das Haus abweichend von der Baubewilligung errichtet worden sei). Vielmehr sei es konsenslos. Eine Baubewilligung sei auch nicht zu erlangen gewesen, weil das Grundstück im Jahr 1993 von Bauland in Freiland rückgewidmet worden sei. Nun sei eine entsprechende Revision des Flächenwidmungsplanes mit dem Ziel, das Grundstück wieder als Bauland zu widmen, im Gange, die belangte Behörde als Gemeindeaufsichtsbehörde habe in einer Stellungnahme dagegen auch keine Bedenken geäußert. Unabhängig davon hätten sich die Beschwerdeführer um die Erteilung einer Baubewilligung für das tatsächlich bestehende Haus bemüht, wohl in Kenntnis, dass eine solche auf Grund der Freilandausweisung nicht erteilt werden dürfe, aber mit dem Ziel, die seinerzeitige Rückwidmung von Bauland in Freiland beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen zu können. Sie hätten auch bereits den im Bauverfahren ergangenen abweislichen Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom beim Verfassungsgerichtshof bekämpft und im verfassungsgerichtlichen Verfahren die Bewilligung der aufschiebenden Wirkung beantragt; dieses Verfahren sei anhängig. Angesichts dessen sei es unverhältnismäßig (und rechtswidrig) gewesen, die Ersatzvornahme anzuordnen. Zumindest hätte die belangte Behörde die Anordnung der Ersatzvornahme mit dem Eintritt der Rechtskraft des Flächenwidmungsplan-Revisionsverfahrens bedingen können. Weiters eröffne die Anordnung der Ersatzvornahme die Möglichkeit der Vollstreckung des Kostenvorauszahlungsauftrages, was im Wege einer Exekution auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer zum Verlust des Grundstückes führen könnte, seien sie doch in wirtschaftlicher Hinsicht außer Stande, den auferlegten Betrag (von EUR 27.408,30) zu leisten.
Dieses Vorbringen vermag den Beschwerdeführern nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde nach rechtskräftiger Abweisung des zwischenzeitig gestellten Baugesuches mit dem angefochtenen Bescheid die Anordnung der Ersatzvornahme bestätigt hat. Dem Verwaltungsvollstreckungsrecht ist eine allgemeine Härteklausel oder die Einrichtung eines Vollstreckungsaufschubes aus Gründen besonderer Härte unbekannt, dies ergibt sich auch nicht aus § 2 VVG (vgl. dazu beispielsweise aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0036). Aus dem im § 2 VVG verankerten Schonungsprinzip ist kein Rechtsanspruch abzuleiten, das Verwaltungsvollstreckungsverfahren (wie in der Beschwerde intendiert, entweder bis zu einer positiven Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes oder aber einen positiven Abschluss des Verfahrens zur Revision des Flächenwidmungsplanes) zu sistieren (vgl. dazu beispielsweise auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/07/0016).
Da sich somit schon aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung (die in der Bestätigung der Anordnung der Ersatzvornahme erblickt wird) nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | VVG §2 Abs1; VVG §2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2011060144.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAE-85127