zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 16.05.2013, 2011/06/0139

VwGH vom 16.05.2013, 2011/06/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der I E in G, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 6516/2011/0011, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: S P, vertreten durch die Bartl Partner Rechtsanwalts KG in 8010 Graz, Hauptplatz 3/II; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte (Bauwerberin) betreibt auf ihren Grundstücken Nr. 73/11 und 73/3, KG G, einen Pferdehaltungsbetrieb mit einem bewilligten Stall- und Wirtschaftsgebäude für 41 Pferde. Am langte bei der Baubehörde erster Instanz ein Ansuchen um Genehmigung für die Errichtung von Pferdestallungen für 34 Pferde, einer Bewegungs- und Trainingshalle, einem Betriebsgebäude und sieben PKW-Abstellplätzen auf dem vom bestehenden Betrieb ca. 50 m Luftlinie entfernten Grundstück Nr. 12 ein. An der östlichen Grenze des Bauplatzes verläuft eine öffentliche Straße. Das Baugrundstück liegt im "Freiland, Landwirtschaft" gemäß § 25 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 bzw. § 33 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des östlich des Bauplatzes gelegenen Grundstücks Nr. 74; zwischen dem Bauplatz und dem Grundstück der Beschwerdeführerin liegt die öffentliche Straße.

Nach Begutachtung durch einen Sachverständigen für Landwirtschaft und Bauland betreffend das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes und über die Erforderlichkeit der geplanten Baumaßnahmen für den Betrieb erfolgte mit eine Projektänderung. Demnach wurde das Betriebsgebäude im Kellergeschoss um 18,38 m2 und im Erdgeschoss um 13,18 m2 verringert; das Obergeschoss des Betriebsgebäudes im Ausmaß von 146,83 m2 entfiel zur Gänze. Die Bruttogeschossfläche wurde somit um insgesamt 178,39 m2 auf 2.259,58 m2 vermindert. Auch die Terrasse des Betriebsgebäudes wurde um 9,8 m2 auf 73,46 m2 verringert.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz mit Bescheid vom das Bauansuchen der Bauwerberin gemäß §§ 13, 29 und 114 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 ab. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der von der Behörde bestellte Gutachter hinsichtlich der Geruchsimmissionen festgestellt habe, für den geplanten Stallgebäudekomplex errechne sich auf Grund der vorliegenden immissionsrelevanten Parameter eine Geruchszahl von G=4,3, was einen äußerst geringen, knapp an der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Immissionswert darstelle. Auf Basis der in der "Vorläufige Richtlinie zur Beurteilung von Immissionen aus der Nutztierhaltung in Stallungen" (kurz: VRL) bestehenden Ausbreitungsberechnung müssten die Schutzabstände, also jene richtungsabhängigen Entfernungen, bei denen ein weitgehender Schutz von Immissionen aus der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zu erwarten sei, in Richtung Nordwesten und Südosten mit 41 m, in allen anderen Himmelsrichtungen mit 36 m angegeben werden. Zumindest das Wohnhaus der Beschwerdeführerin liege im Schutzabstand.

Laut Flächenwidmungsplan - so die Baubehörde erster Instanz weiter - sei nach Maßgabe des örtlichen Entwicklungskonzeptes rund um Tierhaltungsbetriebe ab einer Größe der Geruchszahl G=20 der Geruchsschwellenabstand und der Belästigungsbereich auszuweisen. Der Belästigungsbereich betrage den halben Geruchsschwellenabstand. Dies gelte zwar erst für Tierhaltungsbetriebe ab einer Geruchszahl G=20, doch sei hier ein Belästigungsbereich gesetzlich normiert worden. Dieser sei mit dem Schutzabstand gleichzusetzen. Aus dem Lageplan sei ersichtlich, dass das Grundstück der Beschwerdeführerin innerhalb des Belästigungsbereiches von 18 m liege. Das Ermittlungsverfahren habe zwar ergeben, dass eine sehr geringe Geruchszahl festgestellt worden sei und die Nachbarschaft auf Grund der Situierung des Bauplatzes im Freiland eine entsprechende Belästigung als ortsüblich infolge der dort zulässigen Bebauung mit landwirtschaftlichen Betrieben akzeptieren müsse, es sei jedoch die Unzumutbarkeit der Immissionen zu untersuchen. Diesbezüglich komme die Behörde erster Instanz zu der Ansicht, dass zumindest für die Beschwerdeführerin Belästigungen nicht ausgeschlossen werden könnten, weil ihr Grundstück innerhalb der Belästigungszone liege, sodass das Bauansuchen abgewiesen werden müsse.

Die Bauwerberin brachte dagegen eine Berufung vom ein. Darin wies sie auf die vom immissionstechnischen Sachverständigen errechnete Geruchszahl von G=4,3 hin, die die Unerheblichkeitsgrenze nur geringfügig überschreite. Es sei daher jedenfalls davon auszugehen, dass die Geruchsimmissionen ortsüblich seien, weil in einem Gebiet mit der Widmung Freiland die für ein Dorfgebiet festgestellte Geruchszahl von G=40 bzw. 45 noch höher sei; im "Freiland" komme vermehrt Tierhaltung in Betracht und die dadurch verursachten Geruchsbelästigungen seien intensiver. Die Geruchszahl von G=4,3 stelle jedenfalls keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende oder unzumutbare Belästigung im Sinn des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG dar. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, eine vergleichende Standortbewertung gemäß VRL durchzuführen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Behörde von den Ausführungen des Sachverständigen abgewichen sei. In der ergänzenden Stellungnahme des von der Behörde bestellten Sachverständigen vom werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der letzten Novelle zum Baugesetz die Geruchszahl G=20 als eine Dimension eingeführt worden sei, ab der erst mit maßgeblichen Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu rechnen sei. Wenn die Behörde aus dem Umstand, dass sich das Grundstück der Beschwerdeführerin im Belästigungsbereich befinde, auf eine Abweisung des Bewilligungsantrages schließe, verkenne sie, dass bei einer Widmung Freiland keine Schutzabstände zu berechnen seien, weil in dieser Widmung ortsübliche Emissionen infolge der dort zulässigen Bebauung mit landwirtschaftlichen Betrieben zulässig seien. Er weise auch ausdrücklich darauf hin, dass die errechneten Abstände lediglich eine Hinweisfunktion hätten. Das entscheidende Beurteilungsmaß sei die Ortsüblichkeit, die bei der geringfügigen Geruchszahl von G=4,3 zweifelsfrei vorliege.

Anlässlich der Berufung holte die belangte Behörde eine weitere Stellungnahme des Sachverständigen vom ein. Darin führte dieser zur Frage der Ortsüblichkeit aus, es sei eine vergleichende Standortbeurteilung laut VRL durchzuführen, wobei in erster Linie auf die bestehende Hofstelle Bezug genommen werde. Für diese errechne sich eine Geruchszahl von G=5,2. Im Gemeindegebiet von Graz gebe es vier näher genannte vergleichbare Pferdehaltungen. Die immissionsrelevanten Parameter für die Geruchszahlenberechnungen seien für sämtliche Pferdeställe ident. Daraus folge, dass die Geruchszahlen der Vergleichsbetriebe über jenen des verfahrensgegenständlichen lägen bzw. dass ein näher genannter Betrieb dem verfahrensgegenständlichen etwa entspreche. Die vergleichende Standortbeurteilung ergebe, dass die Geruchszahl auf dem ortsüblichen Niveau liege und damit die Auswirkungen auf die Nachbarschaft das ortsübliche Ausmaß nicht überstiegen. Es sei jedenfalls keine unzumutbare Belästigung für Nachbarn zu erwarten. Da die Entfernung zwischen der Hofstelle und dem Einreichprojekt etwa 100 m betrage, die Belästigungsgrenze der Hofstelle nach "worst case" Kriterien 29 m und die des geplanten Projektes 26 m betrage, komme es zu keinen Überschneidungen dieser Bereiche und es sei keine Kumulierung der beiden Ställe gegeben. Das Projekt sei daher als getrennte Emissionsquelle zu beurteilen.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich in ihrer Stellungnahme vom im Rahmen des Parteiengehörs negativ zu diesen Aussagen des Sachverständigen. Dabei verwies sie auf drei bereits im erstinstanzlichen Verfahren bzw. im Berufungsverfahren vorgelegte Privatgutachten von Dipl. Ing. T. vom , vom und vom über die Auswirkungen von Pferdehaltungen auf die Nachbarschaft. Geruchsschwellen, Schutzabständen und Belästigungsgrenzen komme auch im Freiland Bedeutung zu. Der berechnete Schutzabstand von 36 m reiche in das Grundstück der Beschwerdeführerin hinein. In diesem sei kein absoluter, sondern ein weitgehender Schutz vor Immissionen indiziert. In dem Gutachten des von der Behörde bestellten Sachverständigen vom sei nicht berücksichtigt worden, dass zu dem derzeitigen Bestand von 41 Pferden 37 (laut Genehmigungsantrag: 34) Pferde des Projektes hinzuzurechnen seien. Daher sei nur einer der Vergleichsbetriebe mit 80 Pferden tauglich. Dieser sei jedoch nicht näher untersucht worden. Die herangezogenen Vergleichsbetriebe seien auch nicht in der Nähe des Projektes und wiesen räumlich, topo- und orographisch verschiedene Voraussetzungen auf. Die VRL entspreche nicht mehr dem Stand der Technik. Zum Beweis dafür würden die Stellungnahmen von Dipl. Ing. T. vom und vom vorgelegt. Da die Immissionsbelastung der Beschwerdeführerin aus mehreren Richtungen erfolge, sei nach dem "neuen Stand der Technik" (gemeint ist wohl eine Berechnung nach der Geruchsimmissions-Richtlinie GIRL des Landesamtes für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen) von einer summierten Geruchszahl von G=8,6 auszugehen. Die Überschreitungshäufigkeit der Geruchsschwellenkonzentration auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin betrage über 30% der Jahresstunden, was weit über den (zumutbaren) Beurteilungswerten von 3% bzw. 8% liege.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) gab die belangte Behörde der Berufung der Bauwerberin Folge und erteilte die beantragte baurechtliche Bewilligung unter Auflagen. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, das vorliegende Bauvorhaben stimme mit der Widmung Freiland überein und es sei nicht ersichtlich, wie ein für diese Gebietskategorie typischer Betrieb der Erholungsfunktion bzw. den weiteren Zielsetzungen des Stadtentwicklungskonzeptes der Landeshauptstadt G. (kurz: STEK) hinderlich sein sollte. Es entstehe vielmehr der Eindruck, die Nachbarn wollten das Freiland in ein Wohngebiet "umdeuten".

Die Baubehörde erster Instanz sei jedoch von falschen Rechtsgrundlagen ausgegangen. Im vorliegenden Fall sei das Stmk. BauG in der Fassung vor dem LGBl. Nr. 88/2008 anzuwenden, weil das Bauansuchen am bei der Erstbehörde eingelangt sei, die genannte Novelle jedoch erst mit in Kraft getreten sei. Gemäß § 119g Stmk. BauG seien zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle anhängige Verfahren nach den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen. Die Antragsänderung (vom ) "zum ursprünglichen Antrag vom " sei auch nicht wesensändernd im Sinn des § 13 Abs. 8 AVG, weil das Vorhaben nach der Planänderung substantiell (Maße, Gestalt…) kaum verändert, sondern nur verkleinert worden sei. Durch diese Reduzierung sei das Wesen des Antragsgegenstandes keinesfalls geändert worden, die Änderung habe zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit des Projektes hinsichtlich dessen Auswirkungen auf öffentliche Interessen gedient.

Die gegenständlich maßgebliche Flächenwidmung ("Freiland-Landwirtschaft") kenne keinen Immissionsschutz für Nachbarn im Sinn des § 26 Abs. 1 Z 1 Stmk. BauG. Nachbarn hätten aber auf der Grundlage des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG im Ergebnis einen gewissen Immissionsschutz unabhängig von der Widmung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0303). Zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Beschwerdeführerin liege eine öffentliche Verkehrsfläche. § 13 Abs. 12 Stmk. BauG sei nach dem expliziten Wortlaut dessen Abs. 13 dann nicht anwendbar, wenn die Gebäude, deren Abstandsvergrößerung aus Immissionschutzgründen im Raum stehe, gegenüber einer öffentlichen Verkehrsfläche lägen. Dies sei hier der Fall. Daher stehe den Nachbarn auch nicht das aus § 13 Abs. 12 Stmk. BauG erfließende Immissionsschutzrecht zu. Der unmissverständliche Wortlaut der Bestimmung zwinge zu dieser Schlussfolgerung. Die Geruchsimmissionslage betreffend die Nachbarn sei daher nicht Gegenstand des Verfahrens.

Dessen ungeachtet sei schlüssig nachgewiesen worden, dass durch das Projekt keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarn erfolge. Die Ortsüblichkeit des Pferdegeruchs sei schon deshalb gegeben, weil es einen rechtmäßigen Pferdehaltungsbetrieb für 41 Pferde in unmittelbarer Nähe des Baugrundstückes und des Grundstückes der Beschwerdeführerin gebe. Zu beurteilen sei daher, ob durch das Projekt eine das vorhandene ortsübliche Ausmaß übersteigende Geruchsbelästigung, die nicht zumutbar sei, oder eine Gesundheitsgefährdung ausgelöst werde. Dies sei von dem von der Behörde erster Instanz bestellten Sachverständigen auf der Grundlage der VRL beurteilt worden. Sofern die Nachbarn die VRL als nicht dem Stand der Technik entsprechend kritisierten, werde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis etwa auf die Erkenntnisse vom , Zl. 2009/06/0031 und Zl. 2007/06/0279) verwiesen, wonach dieser die VRL als dem Stand der Technik entsprechend beurteilt habe. Die vom Privatgutachter Dipl. Ing. Dr. T. bevorzugte GIRL enthalte keine Aussage zur Ortsüblichkeit, also zum hier relevanten Fragenkomplex (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/06/0081, und vom , Zl. 2002/05/1073). Das Privatgutachten enthalte lediglich Feststellungen zur Immissionsbelastung abhängig von der Windrichtung über gewisse Zeiten im Jahr, es lasse jedoch eine Relation zur Ortsüblichkeit der Immissionen vermissen. Daher liefere es keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung, ob eine Immission ortsüblich bzw. zumutbar sei. Nach der VRL seien Schutzabstände im vorliegenden Fall nicht relevant, sondern die vergleichende Standortbeurteilung. Diese sei im Berufungsverfahren nachgeholt worden. Die bestehende Hofstelle in ca. 100 m Entfernung zum Bauprojekt könne als Vergleichsbetrieb herangezogen

werden. Diese weise eine Geruchszahl von G=5,2 auf, also eine

höhere als das Bauvorhaben mit G=4,3. Zu einer Kumulation der

Geruchsimmissionen komme es nicht, weil die Belästigungsgrenzen des projektierten Vorhabens 26 m und die des Bestandsbetriebes 29 m betrügen, diese beiden Betriebe jedoch 100 m voneinander entfernt lägen. Die Schlussfolgerungen des von der Behörde erster Instanz bestellten Gutachters in konsequenter Anwendung der VRL erwiesen sich als nachvollziehbar und schlüssig, weil das Berechnungsmodell der GIRL für Kumulationen erst ab Entfernungen der Immissionsquellen von über 100 m gültig bzw. anwendbar sei und darunter keine verlässlichen Aussagen über Kumulationen zulässig bzw. einer gesonderten Prüfung zuzuführen seien. Dem Gutachten des von der Behörde erster Instanz bestellten Sachverständigen werde daher ein höherer Beweiswert beigemessen; den Gutachten von Dipl. Ing. Dr. T. könne kaum eine Bedeutung im Verfahren zukommen, weil sie den relevanten Fragenkomplex nicht behandelten. Zusammenfassend werde festgehalten, dass es für die Beschwerdeführerin zu keinen das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen oder Gefährdungen durch Gerüche komme.

Die projektgemäß geplanten sieben KFZ-Abstellplätze, drei davon im südwestlichen Eck des Bauplatzes, seien direkt an die öffentliche Verkehrsfläche angeschlossen. Die KFZ-Abstellplätze sowie die Pferdegeräusche seien einer schalltechnischen Begutachtung unterzogen worden. Laut Gutachten vom seien die Geräusche der Pferde in Relation zu den KFZ-Fahrbewegungen als untergeordnet zu bezeichnen. Die örtliche Umgebungslärmsituation werde durch den Verkehrslärm geprägt. Der Immissionspunkt an der Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin werde in der Nacht durch das Projekt eine Immissionserhöhung um ca. 3 dB aufweisen. Diese Erhöhung liege aber im Bereich, die die zusätzlichen PKW-Fahrbewegungen auf der öffentlichen Straße verursachten. Die von Fahrbewegungen auf der öffentlichen Straße verursachten Lärmimmissionen könnten von Nachbarn im baubehördlichen Bewilligungsverfahren jedoch nicht geltend gemacht werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/06/0267, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof habe im allgemeinen Wohngebiet eine Lärmzunahme von tagsüber um 3 dB und in der Nacht um 8 dB nach schalltechnischer und medizinischer Beurteilung als zumutbar qualifiziert. Im gegenständlichen Verfahren gehe es nicht um die Einhaltung eines Widmungsmaßes, weil Freiland kein solches aufweise, sondern um die relative Lärmzunahme, die wesentlich geringer sei als die vom Verwaltungsgerichtshof als zulässig qualifizierte. Der Lärm von Pferden sei in der Umgebung ebenfalls vorhanden und im vorliegenden Ausmaß jedenfalls als gebietstypisch einzustufen. Eine Beurteilung des gegenständlichen Bauvorhabens unter dem Blickwinkel des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG führe zu keinem anderen Ergebnis (gemeint wohl: als bei Nichtanwendung dieser Bestimmung).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Sofern die Beschwerde die Anwendung des Stmk. BauG in der Fassung LGBl. Nr. 88/2008 fordert, weil im angefochtenen Bescheid (auf Seite 23) ausgeführt werde, der ursprüngliche Antrag stamme vom , die erwähnte Novelle sei jedoch schon am in Kraft getreten, ist ihr zu entgegnen, dass der Genehmigungsantrag laut vorliegenden Verwaltungsakten am bei der Baubehörde erster Instanz einlangte. Bei der Datumsangabe "" im angefochtenen Bescheid handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler, weil die belangte Behörde in der Bescheidbegründung (beispielsweise auf Seite 5 und auch - mit ausführlicher Begründung über die Nichtanwendbarkeit des Stmk. BauG in der Fassung LGBl. Nr. 88/2008 - im ersten Absatz auf Seite 23) zutreffend von dem Antragsdatum ausgeht. Auch das Beschwerdevorbringen, durch die Projektänderung vom sei das Wesen des Projektes geändert und somit unter Zurückziehung des ursprünglichen Antrages ein neues Projekt eingereicht worden, ist aus den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht zielführend.

Im vorliegenden Fall ist daher das Steiermärkische Baugesetz in der Fassung LGBl. Nr. 27/2008 anzuwenden. Dessen § 13 lautet auszugsweise:

"§ 13

Abstände

(1) …

(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

(4) …

(12) Läßt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten oder ist dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich, hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben.

(13) Die Abs. 1 bis 12 gelten nicht für


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Gebäude gegenüber öffentlichen Verkehrsflächen;
-
Wirtschaftsobjekte, die der urkundlichen Ausübung eines Einforstungsrechtes nach dem Einforstungslandesgesetz dienen;
-
Almhütten und Almstallungen, die der bestimmungsgemäßen Nutzung nach dem Almschutzgesetz dienen;
-
Wirtschaftsobjekte der Stammsitzliegenschaften auf Privatgrundstücken innerhalb des Agrargemeinschaftsgebietes.

(14) …"

Der Beschwerde ist zunächst zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall die Bestimmungen des § 13 Abs. 1 bis 12 Stmk. BauG anzuwenden sind, obwohl sich zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Beschwerdeführerin eine öffentliche Verkehrsfläche befindet. Die in § 13 Abs. 13 erster Gedankenstrich leg. cit. normierte Ausnahme von den Abstandsvorschriften bezieht sich nämlich nur auf jene Abstände, die Gebäude zu öffentlichen Verkehrsflächen einzuhalten haben. Eine allenfalls erforderliche Vorschreibung größerer Abstände nach Abs. 12 gegenüber Grundstücken, die durch eine öffentliche Straße getrennt sind, wird allein dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. dazu auch Hauer/Trippel , Steiermärkisches Baurecht, 4. Auflage, Anm. 37 zu § 13 Stmk. BauG).

Die belangte Behörde setzte sich jedoch auch ausführlich mit der Frage auseinander, ob durch das Projekt eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarn erfolgt.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0024, mwN) begegnet es keinen Bedenken, wenn sich die Behörden des Verwaltungsverfahrens auf die VRL stützen. Angesichts des Umstandes, dass die Novelle LGBl. Nr. 88/2008 nicht anwendbar ist, ist auf das örtlich zumutbare Ausmaß von Immissionen im Sinn der Ortsüblichkeit bzw. einer Gesundheitsgefährdung abzustellen (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/06/0122). Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die vom Privatgutachter Dipl. Ing. Dr. T. herangezogene GIRL keine Aussagen zur Ortsüblichkeit enthalte, blieben unbestritten. Da das beabsichtigte Vorhaben im "Freiland, Landwirtschaft" liegt, ist die vergleichende Standortberechnung im Sinn der VRL bei der Vollziehung des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG eine maßgebliche Beurteilungsgrundlage (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0073).

Eine solche vergleichende Standortberechnung wurde im

Berufungsverfahren durchgeführt. In seiner Stellungnahme vom

führte der von der Behörde beigezogene

Sachverständige aus, das Ist-Maß werde durch den Bestandsbetrieb

mit einer Geruchszahl von G=5,2 geprägt; die Zusatzbelastung des

gegenständlichen Projektes werde mit G=4,3 berechnet, was knapp

über der Grenze der Irrelevanz von G=3 liege. Anhand von vier

näher genannten Vergleichsbetrieben kam er zu dem Ergebnis, die Geruchszahlen dieser Vergleichsbetriebe lägen über dem verfahrensgegenständlichen Projekt bzw. entspreche die Geruchszahl eines Betriebes dem Projekt. Daher sei davon auszugehen, dass die Auswirkungen auf die Nachbarschaft das ortsübliche Ausmaß nicht überstiegen. Es sei jedenfalls keine unzumutbare Belästigung für Nachbarn zu erwarten.

Die Beschwerde zieht die vom Sachverständigen errechneten Geruchszahlen für das Bestandsobjekt und das projektierte Vorhaben nicht in Zweifel, leitet jedoch aus dem Umstand, dass die errechnete Belästigungsgrenze des Projektes bis auf das Grundstück der Beschwerdeführerin reiche, für diese unzumutbare oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen ab. Dabei verkennt sie, dass im vorliegenden Fall auf Grund der anzuwenden Rechtslage die Ortsüblichkeit der Gerüche bzw. eine mögliche Gesundheitsgefährdung zu beurteilen war; die Ermittlung von Schutzabständen oder Belästigungsgrenzen war gesetzlich nicht geboten. Daher vermag die Beschwerdeführerin allein mit dem Hinweis darauf, dass die Belästigungsgrenze des Projektes auf einem Teil ihres Grundstückes liege, eine unzumutbare oder ortsunübliche bzw. gesundheitsgefährdende Belästigung nicht darzutun. Bei einer Sonderwidmung Landwirtschaft ist das örtlich zumutbare Maß von Geruchsbelästigung höher anzusetzen als beispielsweise im Bauland-Agrargebiet (vgl. die bei Hauer/Trippel , aaO, Rz 36a zu § 25 ROG zitierte hg. Judikatur). Die Beschwerde lässt offen, aus welchem Grund eine nur knapp über der Geringfügigkeitsgrenze liegende Geruchszahl, die unter dem Ist-Maß liegt, ortsunüblich oder gesundheitsgefährdend sein soll. Die Zuziehung eines medizinischen Sachverständigen zu dieser Frage war daher entbehrlich (vgl. dazu die bei Hauer/Trippel , aaO, Anm. 34 zu § 13 Stmk. BauG zitierte hg. Judikatur).

Hinsichtlich möglicher Kumulationen verweist die Beschwerde auf die Stellungnahmen von Dipl. Ing. Dr. T. vom und , in denen dieser ausführte, dass sich die Schutzabstände von Ist-Situation und Prognosefall überschnitten, am Grundstück der Beschwerdeführerin eine Geruchsbeeinträchtigung von mehreren Seiten erfolge und daher die Überschreitungshäufigkeit der Geruchsschwellenkonzentration über 30% der Jahresstunden betrage, was weit über den Beurteilungswerten von 3% bzw. 8% liege. Dabei bezieht sich Dipl. Ing. Dr. T. erkennbar auf die im Auftrag des (damaligen) Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie von der österreichischen Akademie der Wissenschaften erstellten umweltwissenschaftlichen Grundlagen und Zielsetzungen im Rahmen des nationalen Umweltplans für die Bereiche Klima, Luft, Lärm und Geruch. Darin werden für Österreich stark wahrnehmbare Gerüche bis maximal 3% der Jahresstunden und eine Gesamtgeruchsbelastung (wahrnehmbar und stark wahrnehmbar) von maximal 8% der Jahresstunden empfohlen.

Dazu ist zunächst auf die obigen Ausführungen zu dem Beschwerdevorbringen betreffend die Belästigungsgrenzen zu verweisen. Allein aus dem Umstand, dass das Grundstück der Beschwerdeführerin innerhalb des Schutzabstandes (innerhalb dessen eine relevante Wahrnehmung der Gerüche erfolgt, vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2012/06/0073) des Projektes liegt, ergibt sich nicht, dass diese einer unzumutbaren oder das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigung oder Gesundheitsgefährdung ausgesetzt ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2011/06/0122 betreffend ein Wohngebiet; im Freiland mit einer Sonderwidmung Landwirtschaft ist das örtlich zumutbare Maß von Geruchsbelästigung - wie oben dargelegt - höher anzusetzen als im Bauland-Agrargebiet und nochmals höher als im Wohngebiet). Bei den von der österreichischen Akademie der Wissenschaften erstellten umweltwissenschaftlichen Grundlagen und Zielsetzungen im Rahmen des nationalen Umweltplans für die Bereiche Klima, Luft, Lärm und Geruch handelt es sich um unverbindliche Empfehlungen zur Erstellung eines nationalen Umweltplanes, nicht jedoch um Kriterien zur Genehmigung eines konkreten Projektes. Angesicht des Umstandes, dass die für das gegenständliche Projekt ermittelte Geruchszahl - unbestritten - nur knapp über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass mit dem gegenständlichen Bauvorhaben keine das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen für die Beschwerdeführerin verbunden sind, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Soweit die Beschwerde kritisiert, bei der vergleichenden Standortbewertung sei das Naheverhältnis der Nachbarschaft außer Acht gelassen worden, ist ihr zu entgegnen, dass der Sachverständige ausführte, zumindest zwei der Vergleichsbetriebe wiesen in hohem Ausmaß eine dem zu beurteilenden Betrieb sehr ähnliche Lage auf.

Die Beschwerde bringt weiter vor, das Baugrundstück liege zwar im Freiland, die faktische Bebauung entspreche jedoch eher dem eines reinen Wohngebietes, weil die Flächen ausschließlich mit Wohnbauten bebaut seien. Dem STEK zufolge diene die Widmung als Freiland der Bewahrung des Grünraumes; jegliche weitere Verbauung sei für ein gesundes Stadtklima, die Sicherung der Lebensqualität und die Naherholung hintanzuhalten. Überdies verlaufe in diesem Gebiet das Landschaftsschutzgebiet Nr. 30.

Auch dieses Beschwerdevorbringen ist nicht zielführend. Zunächst trifft es nicht zu, dass sich in der Umgebung des Grundstückes der Beschwerdeführerin ausschließlich Wohnbauten befinden; vielmehr besteht dort beispielsweise der Bestandsbetrieb der Bauwerberin als landwirtschaftlicher Betrieb. Dass das gegenständliche Vorhaben für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht erforderlich wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, inwiefern das gegenständliche Vorhaben dem STEK, in welchem beispielsweise auch eine Flächensicherung für bestehende landwirtschaftliche Betriebe vorgesehen ist, oder dem Landschaftsschutzgebiet Nr. 30 widerspricht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum auf einem ausdrücklich mit der Sonderwidmung Landwirtschaft gewidmeten Grundstück die Errichtung eines für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlichen Baus (§ 25 Abs. 3 Z 1 lit. b ROG) nicht zulässig sein soll.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil eine gesonderte Entschädigung für eine Stellungnahme der mitbeteiligten Partei in § 1 Z 3 der genannten Verordnung nicht vorgesehen ist.

Wien, am