VwGH vom 18.10.2012, 2011/06/0078

VwGH vom 18.10.2012, 2011/06/0078

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des RF in B, vertreten durch Mag. Christa Schatzl, Rechtsanwalt in 8952 Irdning, Aignerstraße 22, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B-12.10-M310/2010- 2, betreffend einen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer teilte mit Eingabe vom , bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangt am , unter Verwendung eines formularmäßigen Vordruckes "Bewilligungsfreie Vorhaben" die beabsichtigte Errichtung des Bauvorhabens "2 Abstellplätze mit Arbeitsgrube und Überdachung" auf einem näher genannten Grundstück mit.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde wies den Beschwerdeführer mit Schreiben vom darauf hin, dass das mitgeteilte Vorhaben nicht unter § 21 Stmk. BauG subsumiert werden könne. Er vertrete die Rechtsansicht, es falle unter einen bewilligungspflichtigen Tatbestand.

In weiterer Folge erteilte der Bürgermeister mit Bescheid vom dem Beschwerdeführer als Eigentümer den Auftrag, die auf dem Grundstück Nr. 2477/2, KG M, errichtete bauliche Anlage (Abstellfläche mit Montageschacht) im Ausmaß von ca. 2,70 x 5,40 m und den Montageschacht im Ausmaß von ca. 1,10 x 4,20 m mit einer Tiefe von ca. 1,80 m sowie einer Zugangsstiege binnen einer Frist von 2 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. In der Begründung führte die erstinstanzliche Behörde aus, von der Baubehörde sei am festgestellt worden, dass die im Spruch angeführte bauliche Anlage auf dem genannten Grundstück errichtet worden sei. Dieses Grundstück liege laut Flächenwidmungsplan 3.0 im allgemeinen Wohngebiet. Bewilligungsfrei gemäß § 21 Abs. 1 Z. 2 lit. b Stmk. Bau seien lediglich Flugdächer mit einer überdeckten Fläche von max. 40 m2. Gehe man davon aus, dass Nebengebäude ebenerdig sein müssten (siehe § 4 Z. 43 leg. cit.) und der Gesetzgeber offensichtlich Gebäude mit Keller u. dgl. (z.B. auch Schächten) nicht als Nebengebäude habe einstufen wollen, gelange man zum Schluss, dass eine bauliche Anlage mit einem Montageschacht nicht bewilligungsfrei sei. Diese bauliche Anlage mit Montageschacht sei als anzeigepflichtig gemäß § 20 Z. 2 lit. c (allenfalls lit. b, wenn es sich um eine Konstruktion mit - teilweisen - Umschließungen handle) einzustufen (wenn die Zustimmung der angrenzenden Grundeigentümer vorliege), ansonsten sei sie bewilligungspflichtig. Gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG habe die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, die mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom als unbegründet abgewiesen wurde. Die Berufungsbehörde führte aus, die vom Beschwerdeführer "behauptete Bewilligungsfreiheit der Abstellfläche mit der Montagegrube und Zugangsstiege habe die Bestimmungen des Stmk. BauG jedenfalls nicht zu entkräften, geschweige denn eine Rechtswidrigkeit des erteilten Beseitigungsauftrages zu erweisen" vermocht.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Vorstellung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde zunächst zum Einwand, es handle sich um ein baubewilligungsfreies Bauvorhaben, aus, dass für die Errichtung der gegenständlichen Abstellfläche mit Montageschacht zweifelsohne eine baubehördliche Genehmigung erforderlich sei. Gemäß § 19 Z. 1 Stmk. BauG 1995 seien Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie umfassende Sanierungen bewilligungspflichtig, sofern sich aus den §§ 20 und 21 nichts anderes ergebe. Ein derartiges Vorhaben, nämlich eine Abstellfläche mit Montageschacht, sei in § 21 Abs. 1 Z. 2 Stmk. BauG 1995 nicht aufgezählt und es sei diese Anlage auch gemäß Z. 3 leg. cit. mit keiner in dieser Bestimmung angeführten baulichen Anlage vergleichbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde - die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG 1995) in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003, lauten (auszugsweise):

"§ 4

Begriffsbestimmungen

Z. 12 Bauliche Anlage (Bauwerk): jede Anlage,


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-
zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind,
-
die mit dem Boden in eine Verbindung gebracht wird und
-
die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet ist.
Eine Verbindung mit dem Boden besteht schon
dann, wenn die Anlage
-
durch eigenes Gewicht auf dem Boden ruht oder
-
auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder
-
nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden;
§ 19
Baubewilligungspflichtige Vorhaben Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus
den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:
1.
Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen,
§ 20
Anzeigepflichtige Vorhaben
Anzeigepflichtig sind folgende Vorhaben, soweit sich aus § 21
nichts anderes ergibt:
1.
Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleinhäusern im Bauland, wenn die Eigentümer der an den Bauplatz angrenzenden Grundstücke sowie jene Grundeigentümer, deren Grundstücke vom Bauplatz durch ein schmales Grundstück bis zu 6 m Breite (z. B. öffentliche Verkehrsfläche, privates Wegegrundstück, Riemenparzelle u. dgl.) getrennt sind, durch Unterfertigung der Baupläne ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem Vorhaben erklärt haben;
2.
die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von
a)
Abstellflächen für mehr als fünf Krafträder bis höchstens 30 Krafträder oder mehr als zwei Kraftfahrzeuge bis höchstens zwölf Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3500 kg einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrten;
b)
Garagen für höchstens 30 Krafträder oder höchstens zwölf Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3500 kg und Nebenanlagen, auch wenn sie als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden;
c)
Schutzdächern (Flugdächern) mit einer überdeckten Fläche von über 40 m2, auch wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden;
d)
Nebengebäuden,
jeweils wenn die Voraussetzungen nach Z. 1 vorliegen.
§ 21
Baubewilligungsfreie Vorhaben

(1) Zu den bewilligungsfreien Vorhaben gehört die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von:

2. kleineren baulichen Anlagen, wie insbesondere

b) Abstellflächen für höchstens fünf Kraftfahrräder oder höchstens zwei Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3500 kg einschließlich der erforderlichen Zu und Abfahrten, Fahrradabstellanlagen sowie Schutzdächer (Flugdächer) mit einer überdeckten Fläche von insgesamt höchstens 40 m2, auch wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden;

d) Wasserbecken bis zu insgesamt 100 m3 Rauminhalt, Saisonspeichern für solare Raumheizung und Brunnenanlagen;

...

3. kleineren baulichen Anlagen und kleineren Zubauten, jeweils im Bauland, soweit sie mit den in Z. 2 angeführten Anlagen und Einrichtungen hinsichtlich Größe und Auswirkungen auf die Nachbarn vergleichbar sind;

(3) Bewilligungsfreie Vorhaben sind vor ihrer Ausführung der Gemeinde schriftlich mitzuteilen. Die Mitteilung hat den Ort und eine kurze Beschreibung des Vorhabens zu enthalten.

(4) Durch baubewilligungsfreie Vorhaben dürfen Bau- und Raumordnungsvorschriften, wie insbesondere festgelegte Bauflucht-, Baugrenz- und Straßenfluchtlinien, sowie die Vorschriften über Abstände nicht verletzt werden.

§ 41

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

..."

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf "Unterbleiben unnötiger und existenzgefährdender Aufträge" verletzt. Er bringt vor, seiner Ansicht nach handle es sich bei der Errichtung der Abstellfläche um ein bewilligungsfreies Bauvorhaben gemäß § 21 Abs. 1 Z. 2 lit. b Stmk. BauG 1995 und bei der Vertiefung in Form einer Montagegrube um ein bewilligungsfreies Vorhaben gemäß § 21 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG 1995. Selbst wenn man zur Ansicht gelangen sollte, das Bauvorhaben wäre anzeigepflichtig gewesen, so sei er seiner diesbezüglichen Verpflichtung mit seinem Schreiben nachgekommen. Im Übrigen sei bislang noch keine Nutzung als Montagegrube erfolgt, sodass die Vertiefung im Bereich der Abstellfläche auch anderweitig, wohl auch als Wasserbecken im Sinne des § 21 Abs. 1 Z. 2 lit. d Stmk. BauG genutzt werden könne. Weder die Baubehörden noch die belangte Behörde hätten sich mit den Einwendungen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, sie hätten auch nicht die nötigen Erhebungen durchgeführt. Im Falle der "Unschlüssigkeit" wäre die Beiziehung eines einschlägigen Sachverständigen erforderlich gewesen, um das tatsächliche Ausmaß der angefertigten baulichen Anlage zu beurteilen.

Festzuhalten ist zunächst, dass es im baupolizeilichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG nicht von Bedeutung ist, ob eine bauliche Anlage, die bewilligungs- oder anzeigepflichtig ist, auch konsensfähig ist. Maßgeblich ist nach dieser Bestimmung, dass eine vorschriftswidrige bauliche Anlage vorliegt. Vorschriftwidrig ist eine bauliche Anlage jedenfalls in den in Abs. 1 dieser Bestimmung beschriebenen Fällen, wenn eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung bzw. ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 Stmk. BauG errichtet bzw. eine bewilligungsfreie bauliche Anlage nicht im Sinne des BauG ausgeführt wurde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0150).

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Rechtsansicht zu Grunde, das gegenständliche Bauvorhaben sei in § 21 Abs. 1 Z. 2 Stmk. BauG 1995 nicht aufgezählt und diese Anlage sei auch gemäß § 21 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. mit keiner in dieser Bestimmung angeführten baulichen Anlage vergleichbar.

Mit dieser Ansicht ist die belangte Behörde im Recht:

Sowohl die in Z. 2 leg. cit. beispielhaft aufgezählten als auch jene mit diesen hinsichtlich ihrer Größe und Auswirkungen auf die Nachbarn vergleichbaren und vom Landesgesetzgeber in Z. 3 leg. cit. allgemein umschriebenen nicht näher spezifizierten kleineren baulichen Anlagen haben gemeinsam, dass von ihnen nach dem diesen Bestimmungen zu Grunde liegenden Tenor typischerweise keine oder lediglich geringe Emissionen zu erwarten sind. In Zusammenhalt mit der Bestimmung über die Geltendmachung von Nachbarrechten im Sinne des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann dies nur dahin verstanden werden, dass die von bewilligungsfreien kleineren baulichen Anlagen im Sinne des § 21 Abs. 1 Z. 2 oder 3 leg. cit. ausgehenden Emissionen somit nur ein solcherart geringes Ausmaß aufweisen dürfen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0022, VwSlg 15.917 A/2002).

Zu den nach § 26 Abs. 1 Stmk. BauG durchsetzbaren Nachbarrechten gehört u.a. auch der Schutz vor mit der Flächenwidmung (§ 23 Stmk. ROG) in Widerspruch stehenden unzumutbaren Immissionen. Davon ausgehend ist der belangten Behörde beizupflichten, dass eine Abstellfläche von ca. 2,70 x 5,40 m mit einem Montageschacht von ca.1,10 x 4,20 m bei einer Tiefe von ca. 1,80 m und einer Zugangsstiege weder unter § 21 Abs. 1 Z. 2 noch unter Z. 3 leg. cit. subsumiert werden kann, weil eine solche kleinere bauliche Anlage hinsichtlich der Auswirkungen auf die Nachbarn in Hinblick auf die mit der Reparatur von Fahrzeugen üblicherweise verbundenen Immissionen mit den in Z. 2 ausgeführten Anlagen nicht vergleichbar ist. Bei dieser Beurteilung ist es ohne Bedeutung, dass der Abstellplatz die Flächenbegrenzung des § 21 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. nicht überschreitet. Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das vom Beschwerdeführer der Baubehörde gemäß § 21 Abs. 3 Stmk. BauG mitgeteilte Bauvorhaben, das in seiner Gesamtheit zu beurteilen ist, als bewilligungspflichtig gemäß § 19 Z. 1 leg. cit. beurteilte.

Nach dem Vorgesagten geht auch die Verfahrensrüge betreffend die Ermittlung des tatsächlichen Ausmaßes der baulichen Anlage ins Leere.

Dass eine Nutzung der Vertiefung im Bereich der Abstellfläche als Wasserbecken beabsichtigt sei, bringt der Beschwerdeführer erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor, weshalb diesem Vorbringen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG entgegensteht.

Die Beschwerde war somit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am