VwGH vom 20.09.2012, 2011/06/0072
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Dr. Waldstätten sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des H H in G, vertreten durch Dr. Hans Werner Schmidt, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Brockmanngasse 63/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.5-53/2010-6, betreffend Übertretung des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) aufgetragen, an dem in seinem Miteigentum stehenden Gebäude auf einer näher bezeichneten Liegenschaft die anstatt der bestehenden Auslagenkonstruktion mit Kämpfer und Parapet errichtete "Nurglas"-Auslagenscheibe binnen zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom keine Folge gegeben.
Daraufhin wurde gegen den Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom gemäß § 118 Abs. 2 Z. 11 Stmk. BauG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,--, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, verhängt, weil er in der Zeit vom 1. bis dem Beseitigungsauftrag nicht nachgekommen sei. Auf Grund des vom Beschwerdeführer erhobenen Einspruchs vom , in dem er im Wesentlichen vorbrachte, nicht er, sondern Ing. Z. sowie DI G. seien für die Änderung des Geschäftsportales verantwortlich, erließ der Bürgermeister der Stadt Graz sodann das Straferkenntnis vom , mit dem über den Beschwerdeführer neuerlich eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt wurde, weil er in der Zeit vom 1. bis den mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom erlassenen Beseitigungsauftrag nicht erfüllt habe.
Dagegen berief der Beschwerdeführer und begründete dies u. a. neuerlich damit, dass nicht er, sondern Ing. Z. sowie DI G. für die Änderung des Geschäftsportales verantwortlich seien. Darüber hinaus stehe die Fassade im Eigentum aller Wohnungseigentümer, daher hätte das Straferkenntnis - wenn schon nicht an die namentlich bekannten Verursacher der konsenslosen Änderung - so doch an jeden einzelnen Wohnungseigentümer oder zumindest die Wohnungseigentümergesellschaft zugestellt werden müssen. Ing. Z. sowie DI G. hätten bereits am einen Antrag auf nachträgliche Genehmigung der vorgenommenen Änderungen eingebracht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie stellte fest, dass der Beschwerdeführer den rechtskräftigen Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG insofern nicht erfüllt habe, als er auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft die anstatt der bestehenden Auslagenkonstruktion mit Kämpfer und Parapet errichtete Nurglas-Auslagenscheibe im Erdgeschoss rechts neben dem Eingang nicht beseitigt habe. Dipl. Ing. G. und Ing. Z. hätten am bei der Baubehörde um nachträgliche Bewilligung der konsenslosen baulichen Maßnahme angesucht. Die Bewilligung sei ihnen mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom erteilt worden. Aus rechtlicher Sicht sei festzuhalten, dass die Nurglas-Auslagenscheibe ohne vorherige Bewilligung durch die Baubehörde errichtet worden sei. Die Bewilligungspflicht habe auch im Zeitpunkt der Erlassung des Beseitigungsauftrages bestanden. Der Bescheid sei daher zu Recht erlassen worden und dem Beseitigungsauftrag sei zu entsprechen gewesen. "Zu berücksichtigen war jedoch, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darauf hinweist, dass während der Anhängigkeit eines Verfahrens über eine nachträgliche Baubewilligung ein Beseitigungsauftrag grundsätzlich nicht vollstreckt werden darf und auch keine Strafbarkeit besteht (s. Zl. 2005/05/0134, vom , Zl. 2010/06/0007-6). Der im angefochtenen Straferkenntnis festgestellte Tatzeitraum trägt diesem Umstand Rechnung."
In weiterer Folge ging die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen ein, wonach der Beschwerdeführer nicht Urheber der Änderung des Geschäftsportales gewesen und als Miteigentümer an der Liegenschaft nicht allein zur Verwaltung und Vertretung der Gemeinschaft der Eigentümer befugt sei. Auch das Verschulden des Beschwerdeführers sah die belangte Behörde als gegeben an, weil ihm ein entsprechender Entlastungsbeweis nicht gelungen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass ein rechtskräftiger Beseitigungsauftrag vorlag, dem im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses nicht Folge geleistet worden war. Die Beschwerde bringt jedoch u.a. vor, das Straferkenntnis stütze sich auf einen Zeitraum vom 1. bis , in dem der Beschwerdeführer dem Beseitigungsauftrag nicht nachgekommen sei; bereits am sei jedoch der Antrag um nachträgliche Bewilligung jener Anlage, die Gegenstand des Beseitigungsauftrages sei, bei der Baubehörde eingelangt. Die Strafbarkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der konsenslosen Baumaßnahme sei daher "ab dem aufgehoben".
Bereits dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom , Zl. 766/68, VwSlg 7657/A, zur Wiener Bauordnung ausführte, ist die Strafbarkeit dann nicht gegeben, wenn der Eigentümer von der ihm im Gesetz eingeräumten Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung Gebrauch gemacht hat. In diesem Fall ist während des Laufes des Verfahrens über das Bauansuchen bis zur rechtskräftigen Entscheidung eine Bestrafung wegen Nichtbeseitigung des bauordnungswidrigen Baus nicht möglich (vgl. auch Moritz , Bauordnung für Wien4, 2009, S. 367, sowie die bei Geuder-Hauer , Wiener Bauvorschriften5, S. 900 zu E 5 wiedergegebene hg. Judikatur).
Im vorliegenden Fall stellte die belangte Behörde sowohl den Tatzeitraum zwischen 1. und als auch den Umstand der Antragstellung vom "um nachträgliche Bewilligung der konsenslosen baulichen Maßnahme" sowie deren Genehmigung mit Bescheid vom fest. Darüber hinaus führte sie - unter Zitierung der hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/05/0134, und vom , Zl. 2010/06/0007, letzteres zum Steiermärkischen Baugesetz 1995 - aus, dass während der Anhängigkeit eines Verfahrens über eine nachträgliche Baubewilligung ein Beseitigungsauftrag grundsätzlich nicht vollstreckt werden dürfe und auch keine Strafbarkeit bestehe. Aus welchem Grund sie jedoch zu dem Schluss kam, der im angefochtenen Straferkenntnis festgestellte Tatzeitraum trage diesem Umstand Rechnung, ist nicht nachvollziehbar. Wenn die belangte Behörde dazu in ihrer Gegenschrift ausführt, das ursprüngliche Ansuchen auf Bewilligung der konsenslosen baulichen Maßnahmen vom sei mit Bescheid vom zurückgewiesen worden und bei dem Ansuchen vom seien Änderungen, die als Voraussetzung für die Bewilligungsfähigkeit vorzunehmen gewesen wären, berücksichtigt worden, ist ihr zu entgegnen, dass der Mangel einer Bescheidbegründung nach ständiger hg. Judikatur nicht durch entsprechende Ausführungen in der Gegenschrift beseitigt werden kann (vgl. dazu die in Mayer , B-VG4 (2007) zu § 36 VwGG angeführte hg. Judikatur). Dem im angefochtenen Bescheid zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0007, lag zugrunde, dass ein vorschriftswidriger Bau, für den bereits feststand, dass er nicht bewilligt werden konnte, Gegenstand eines (weiteren) Verfahrens über eine nachträgliche Baubewilligung war. Aus dem angefochtenen Bescheid geht nicht hervor, dass im gegenständlichen Fall ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt; vielmehr war aus dem Umstand der mit Bescheid vom erteilten Genehmigung von einer Genehmigungsfähigkeit der konsenslosen baulichen Maßnahme auszugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die gemäß §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien,am