VwGH vom 21.09.2016, 2013/13/0127

VwGH vom 21.09.2016, 2013/13/0127

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die als Revision geltende Beschwerde der W in W, vertreten durch die Treufinanz Wirtschaftstreuhand Ges.m.b.H. in 1180 Wien, Sternwartestraße 76, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3163-W/13, miterledigt RV/3162-W/13, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2000 und 2002 bis 2004 sowie Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit über Umsatzsteuer für das Jahr 2000 entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2. In Bezug auf die Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2004 wird der Revision Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat:

"Die Bescheide vom , betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2004, die im Übrigen unverändert bleiben, werden endgültig erlassen."


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3.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.
4.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Über Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2003 ergingen gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufige Bescheide vom (für die Jahre 2000 und 2001) und vom (für die Jahre 2002 und 2003). Am begann bei der Revisionswerberin eine u.a. die Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2004 betreffende Außenprüfung, die mit Bericht vom abgeschlossen wurde. Auf der Grundlage des Berichtes erließ das Finanzamt endgültige Bescheide vom über Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2003 sowie - ohne Begründung der Vorläufigkeit - vorläufige Bescheide vom selben Tag über Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2004. Die Bescheide vom konnten der Revisionswerberin zunächst nicht zugestellt werden, weil - nach gleichlautenden Berichten des Zustellers vom - "bis Ortsabwesenheit" vorlag. Auf den zurückgelangten Sendungen in den vorgelegten Akten findet sich jeweils der Vermerk "neu zugestellt ". Rückscheine über die schließlich erfolgten Zustellungen sind in den vorgelegten Akten nicht auffindbar.

2 Mit Eingabe vom , beim Finanzamt am selben Tag eingelangt, legte die Revisionswerberin dar, es werde "vorsichtshalber beantragt nach rechtswirksamer Zustellung der Bescheide für die Jahre 2001 bis 2004 die Berufungsfrist auf 8 Wochen zu verlängern, das ist bis zum ". Mit Bescheid vom verlängerte das Finanzamt die Berufungsfrist hinsichtlich dieser Bescheide bis zum .

3 Mit Eingaben vom (für das Jahr 2000) und vom (für die Jahre 2001 bis 2004) erhob die Revisionswerberin gegen die Bescheide vom mit Ausnahme des Bescheides über Umsatzsteuer für das Jahr 2001 Berufung, wobei sie jeweils (auch in den beiden das Jahr 2000 betreffenden Berufungen) angab, der Bescheid sei "eingelangt am ". Inhaltlich verwies sie in diesen Eingaben auf Stellungnahmen vom und vom zum Prüfungsbericht vom ("eingel. am "). Die das Jahr 2000 betreffenden Berufungen trugen auch den Vermerk "Verjährung".

4 Das Finanzamt legte die Berufungen Ende November 2013 der belangten Behörde vor, wobei dem Vorlagebericht die der Revisionswerberin bis dahin nicht zur Kenntnis gebrachte Stellungnahme der Prüferin vom zu den Berufungen angeschlossen wurde.

5 Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab.

6 Dagegen richtet sich die als Beschwerde eingebrachte Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Akten durch das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde getretene Bundesfinanzgericht erwogen hat:

7 I. Die vorliegende Beschwerde gilt gemäß § 4 Abs. 1 letzter Satz VwGbk-ÜG in Verbindung mit § 28 Abs. 5 BFGG als Revision. Für ihre Behandlung gelten gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe, dass statt einer Ablehnung der Beschwerde die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann.

8 II. Die Revisionwerberin erachtet sich in Bezug auf die Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2004 im Recht auf richtige Ermittlung des Abschreibungsbetrages für die Mietobjekte Märzstraße und Handelskai, in Bezug auf die Umsatzsteuer für die Jahre 2000, 2002 und 2003 im Recht auf Aufhebung der endgültigen Bescheide vom wegen Verjährung und in Bezug auf die Bestätigung der vorläufigen Bescheide für das Jahr 2004 im Recht auf Erhalt endgültiger Bescheide verletzt.

9 III. Mit den Ausführungen zur Absetzung für Abnutzung hinsichtlich der beiden Mietobjekte (Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2004) zeigt die Revision keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung auf:

10 Zum Objekt Märzstraße wird im Wesentlichen nur vorgebracht, der von der Revisionswerberin als richtig erachtete Abschreibungszeitraum sei in früheren Jahren akzeptiert worden, weshalb die Änderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Diesem Verständnis des Grundsatzes steht die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen (vgl. dazu die Nachweise bei Ritz , BAO5, § 114 Tz 9).

11 Zum Objekt Handelskai hatte die Revisionswerberin ein Gutachten vorgelegt, dem das Finanzamt nur teilweise (nämlich hinsichtlich der Abschreibungsdauer, aber nicht in Bezug auf den Gebäudewert) folgte, was in den Bescheiden vom - durch Verweis auf den Prüfungsbericht - näher begründet wurde. Dem trat die Revisionswerberin in ihren Schriftsätzen im Berufungsverfahren, die vor allem der Verteidigung ihrer Aufzeichnungsmethoden dienten, nur in äußerster Kürze und mit Argumenten entgegen, zu denen sich die belangte Behörde mit Verweisungen auf den Bericht begnügen durfte. Die Revision knüpft nicht an die im Berufungsverfahren erhobenen Einwände an und behauptet bloß in allgemein gehaltener Form, das Finanzamt habe "einzelne Punkte des Gutachtens aus dem Gesamtkontext gerissen, sodass das Endergebnis in der Form der berechneten jährlichen Abschreibung nicht mehr schlüssig ist". Die Revisionsergänzung entfernt sich in dieser Hinsicht noch weiter von den im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Einwänden, weshalb ihr insoweit auch das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot entgegensteht.

12 Der zum Objekt Handelskai im Berufungsverfahren gestellte Antrag auf Einvernahme des Gutachters nannte kein Beweisthema ("Es wird auch die PV v. (...) verlangt"). Auch die Revision lässt nicht erkennen, was die Einvernahme des Gutachters - über den Inhalt des schon vorliegenden Gutachtens hinaus - zur Entscheidungsfindung konkret beigetragen hätte.

IV. In Bezug auf die geltend gemachte Verjährung (Umsatzsteuer für die Jahre 2000, 2002 und 2003) ist die Revision zum Teil berechtigt:

Die belangte Behörde hat zum Vermerk "Verjährung" in den das Jahr 2000 betreffenden Berufungen im angefochtenen Bescheid dargelegt, bei vorläufigen Bescheiden beginne die Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde. Im vorliegenden Fall sei die Ungewissheit frühestens durch eine die Vorjahre betreffende Berufungsentscheidung vom beseitigt worden, weshalb den nach der anschließenden Außenprüfung erlassenen Bescheiden vom nicht der Ablauf der Verjährungsfrist entgegenstehe.

13 Die Revision verweist auf - in den vorgelegten Akten nicht auffindbare - Schreiben vom und vom , mit denen die Revisionswerberin auch in Bezug auf die Jahre 2001 und 2002 auf den Ablauf der Verjährungsfrist hingewiesen habe, und vertritt den Standpunkt, die Argumentation der belangten Behörde möge "für die Einkommensteuer überzeugen, aber nicht für die Umsatzsteuer". Hinsichtlich der Umsatzsteuer habe es in dem damals anhängigen Berufungsverfahren keine Streitpunkte mit Auswirkungen für die Folgejahre gegeben.

14 Die Gegenschrift nimmt dazu wie folgt Stellung:

"Unter Verweis auf die Ausführungen in der angefochtenen Berufungsentscheidung (vom , S. 15) in Hinblick auf die gravierenden Buchführungsmängel betreffend fehlende getrennte Aufzeichnungen je Liegenschaft war die Bemessungsverjährung betreffend die Vorsteuerfestsetzung im Rahmen des vorgelagerten Verfahrens des UFS RV/4563-W/02 vom sowohl für das Umsatz- und Einkommensteuerverfahren 2000 dem Grunde nach zu berücksichtigen."

15 In Bezug auf die Umsatzsteuer für das Jahr 2000 wäre aber auf die absolute Verjährung gemäß § 209 Abs. 3 BAO Bedacht zu nehmen gewesen, wobei die Sonderregelung für vorläufige Bescheide in § 209 Abs. 4 BAO gemäß § 323 Abs. 27 BAO auf die Umsatzsteuer für das Jahr 2000 noch nicht anwendbar ist.

16 Vorweg ist dazu anzumerken, dass der Bescheid vom zunächst nicht zugestellt werden konnte und dies wohl erst nach dem Jahreswechsel gelang, was anhand der vorgelegten Akten aber nur vermutet werden kann. Die Zehnjahresfrist des § 209 Abs. 3 BAO beginnt allerdings schon mit "Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4)" und nicht nach Maßgabe der in § 208 BAO für die Verjährungsfristen nach § 207 BAO getroffenen Regelungen, also nicht etwa erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden, oder im Falle vorläufiger Bescheide des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt worden ist. Bei der Umsatzsteuer entsteht der Abgabenanspruch gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 UStG 1994 jeweils mit Ablauf des Kalendermonats (vgl. zur Konsequenz für die absolute Verjährung Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 209, 581 f; zu einer insoweit noch vergleichbaren früheren Rechtslage auch die Erkenntnisse vom , 89/15/0083, VwSlg 6518/F, und vom , 97/13/0202). Auch die in § 209 Abs. 1 BAO getroffenen Regelungen über die Verlängerung von Verjährungsfristen nach § 207 BAO sind auf die Verjährung gemäß § 209 Abs. 3 BAO nicht anwendbar (vgl. etwa Ritz , BAO5, § 209 Tz 36). Mit der Annahme, die durch Zustellung Ende 2010 oder Anfang 2011 erfolgte Erlassung des Bescheides über die Festsetzung von Umsatzsteuer für das gesamte Jahr 2000 habe nicht gegen die Vorschriften über die Verjährung verstoßen, hat die belangte Behörde daher die Rechtslage verkannt.

17 Die Entscheidungen über Umsatzsteuer für die Jahre 2002 und 2003 werfen keine Fragen der absoluten Verjährung auf. In Bezug auf diese Jahre kommt es wegen der Fristverlängerung gemäß § 209 Abs. 1 BAO durch die im Jahr 2006 begonnene (im Jahr 2010 abgeschlossene) Außenprüfung, auf die die Revision in diesem Zusammenhang nicht eingeht, aber auch nicht auf die in der Revision behandelte Frage an, ob bei der Erlassung der vorläufigen Bescheide vom eine im selben Jahr beseitigte Ungewissheit im Sinne des § 208 Abs. 1 lit. d BAO bestand. Wenn die Revision in Bezug auf die Umsatzsteuer für das Jahr 2003 geltend macht, die Verjährungsfrist habe "bereits Ende 2002" begonnen, so beruht dies auf einer offenkundig irrtümlichen Gleichsetzung mit der Umsatzsteuer für das Jahr 2000 und dem vorläufigen Bescheid darüber vom . Aber auch in Bezug auf das Jahr 2002 stehen die Erlassung des vorläufigen Bescheides und die anschließende Außenprüfung dem Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO vor der Erlassung der Bescheide vom von vornherein entgegen.

18 V. Dem Vorbringen in der Revision, die Voraussetzungen des § 200 Abs. 1 BAO für die Erlassung vorläufiger Bescheide über die Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2004 seien nicht erfüllt gewesen, tritt das Bundesfinanzgericht in der Gegenschrift nicht entgegen. Es vertritt die Ansicht, vorläufige Bescheide hätten grundsätzlich dieselben Rechtswirkungen wie endgültige, weshalb die Revisionswerberin nicht in Rechten verletzt sei.

19 Mit dem Erkenntnis vom , 2013/13/0045, hat der Verwaltungsgerichtshof die unveränderte Bestätigung eines vorläufigen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil die in § 200 Abs. 1 BAO normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines solchen Bescheides nicht vorlagen. Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, erweisen sich auch die mit der vorliegenden Revision bekämpften Entscheidungen über die Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2004 in diesem Punkt als rechtswidrig. Die Revisionswerberin ist dadurch schon mit Rücksicht auf die Möglichkeit von Abänderungen zu ihrem Nachteil bei der endgültigen Abgabenfestsetzung in ihren Rechten verletzt. Dem steht nicht entgegen, dass vorläufige und endgültige Bescheide in anderer Beziehung, wie etwa hinsichtlich ihrer Vollstreckbarkeit, die gleichen Rechtswirkungen haben.

20 VI. Zur Begründung der behaupteten Rechtsverletzungen macht die Revision darüber hinaus noch zwei Verfahrensmängel geltend, die den angefochtenen Bescheid im Ganzen betreffen:

21 Als Verletzung im Recht auf Parteiengehör wird gerügt, dass der Revisionswerberin die Stellungnahme der Prüferin erst kurz vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis gebracht wurde. Dies ist aber nicht mit Ausführungen darüber verbunden, zu welchem erst durch diese Stellungnahme erforderlich gewordenen Vorbringen die Revisionswerberin deshalb keine Gelegenheit gehabt habe. Ein relevanter Verfahrensmangel ist schon aus diesem Grund nicht erkennbar.

22 Beanstandet wird schließlich auch die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Vertreter der Revisionswerberin, denen sie keine Zustellungsvollmacht erteilt hatte. Hiezu und zu den Folgen einer Beschwerdeerhebung gegen einen der beschwerdeführenden Partei noch nicht wirksam zugestellten Bescheid kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf Rz 9 des Erkenntnisses vom , 2012/13/0043, und auf das dort zitierte Erkenntnis vom , 2013/09/0011, verwiesen werden.

23 VII. Aus den dargelegten Gründen war zunächst der angefochtene Bescheid, soweit damit über die Umsatzsteuer für das Jahr 2000 entschieden wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

24 In Bezug auf die Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2004 macht der Verwaltungsgerichtshof mit Rücksicht darauf, dass den die Absetzung für Abnutzung und allgemein das Verfahren betreffenden Argumenten der Revision keine Berechtigung zukommt, von der ihm durch § 42 Abs. 3a VwGG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch, statt einer Aufhebung dieser Teile des Bescheides in der Sache selbst zu entscheiden und die im Übrigen unverändert bleibenden Bescheide des Finanzamtes endgültig zu erlassen.

25 Im verbleibenden Umfang der Anfechtung war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am