VwGH vom 17.04.2008, 2006/15/0082
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der S in E, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in 4320 Perg, Dr. Schoberstraße 25, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0015-L/05, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1999 sowie Einkommensteuer 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog bis zum Jahr 1998 gewerbliche Einkünfte aus einem Textilhandelsbetrieb. Mit Einbringungsvertrag vom brachte sie das Einzelunternehmen zum Stichtag gemäß Art. III UmgrStG in die neu gegründete C-GmbH ein.
Anlässlich einer im März 2004 stattgefundenen abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1999 bis 2001 wurde festgestellt, dass in der Schlussbilanz des Einzelunternehmens zum u.a. ein gegenüber der R-Bank offener Kredit aufscheine. Dieser Kredit sei - wie aus dem Kontoauszug Nr. 4/001 hervorgehe - mit einem Betrag von 1,210.574,69 S "als Forderungsabschreibung 1999 von der Bank getilgt" worden. In der Einbringungsbilanz zum scheine dieses Kreditinstitut nicht mehr unter den Gläubigern auf. Die Beschwerdeführerin habe in der laufenden Buchhaltung des Jahres 1999 den von der Bank abgeschriebenen Betrag am als Sanierungsgewinn mit dem Buchungssatz "Konto 3130 (Verbindlichkeiten R-Bank) gegen 8600 (Sanierungsgewinn)" verbucht. Mit sei diese Buchung jedoch wieder storniert worden.
In ihrer rechtlichen Würdigung vertrat die Prüferin die Ansicht, dass der gegenständliche Erlass der Bankverbindlichkeit in Höhe von 1,210.574,69 S im Jahr 1999 bei der Beschwerdeführerin als nachträgliche Betriebseinnahme gemäß § 32 Z. 2 EStG 1988 zu erfassen sei. Die Beschwerdeführerin habe daher im Jahr 1999 gewerbliche Einkünfte in Höhe von 1,210.575 S erzielt.
Das Finanzamt schloss sich dieser Rechtsansicht an und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1999.
In ihrer sowohl gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch gegen den neuen Sachbescheid eingebrachten Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, dass Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit gemäß § 32 Z. 2 EStG 1988 nur vorliegen würden, wenn die Einkunftsquelle veräußert oder aufgegeben worden wäre. Gegenständlich liege aber weder eine Betriebsveräußerung noch eine Betriebsaufgabe vor. Der bisher geführte Einzelbetrieb sei mit Wirkung vom nach Art. III UmgrStG in die C-GmbH eingebracht worden. Die Zurückbehaltung der Bankverbindlichkeit anlässlich der Einbringung stelle eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen dar. Ein nach dieser Entnahme erfolgter Wegfall der Verbindlichkeit sei daher der Privatsphäre der Beschwerdeführerin zuzurechnen und für steuerliche Belange nicht zu berücksichtigen.
Die Verbindlichkeit habe bei Abschluss des Einbringungsvertrages noch bestanden und habe daher auch entnommen werden können. Erst zum sei es zum (endgültigen) Wegfall der streitgegenständlichen Verbindlichkeit gekommen, weil sich die R-Bank in der Vereinbarung vom vorbehalten habe, dass die Kreditsalden samt Zinsen und Spesen wiederaufleben, falls bis zu diesem Zeitpunkt über das Vermögen der Beschwerdeführerin oder der C-GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet werden sollte.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführerin sei zuzustimmen, dass nur solche Wirtschaftsgüter gemäß § 16 Abs. 5 Z. 3 UmgrStG zurückbehalten werden könnten, die bei Abschluss des Einbringungsvertrages noch vorhanden seien. Im Beschwerdefall sei der Verzicht auf das aushaftende Restobligo mit Abschluss der Vereinbarung am "auf beiden Seiten" schlagend geworden. Die nachgelassene Bankschuld sei daher am Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages nicht mehr vorhanden gewesen. Da die streitgegenständliche Verbindlichkeit "im Rückwirkungszeitraum (1. Jänner - ) bereits ausgeschieden" sei, könne der betreffende Geschäftsfall nicht mehr durch eine rückwirkende Entnahme in das Privatvermögen verlagert werden. Für die steuerliche Behandlung des Nachlasses von ehemaligen betrieblich veranlassten Verbindlichkeiten sei dieser Umstand aber nicht von maßgeblicher Bedeutung.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin könne - wie im angefochtenen Bescheid näher ausgeführt - auch im Falle einer Umgründung beim Einbringenden von einer "ehemaligen Tätigkeit" gesprochen werden. Die Einbringung stelle nämlich einen Tauschvorgang dar, der ertragsteuerlich als Veräußerung und Anschaffung zu behandeln sei. Eine Ausnahme von der Gewinnrealisierung sei infolge Verwirklichung der Tauschfiktion des § 6 Z. 14 EStG 1988 lediglich auf Grundlage des UmgrStG möglich.
Betrieblich veranlasste Verbindlichkeiten, die umgründungsbedingt vom Einbringenden zurückbehalten werden, änderten ihre Eigenschaft als betrieblich veranlasste Verbindlichkeiten insbesondere dann nicht, wenn das Zurückbehalten der Verbindlichkeit zur Beseitigung einer Überschuldung als Umgründungshilfe erfolge. Eine Verbindlichkeit könne nach der Rechtsprechung nicht mit steuerlicher Wirkung umgewidmet werden.
§ 32 Z. 2 EStG 1988 habe die Funktion, die Steuerwirksamkeit von Ereignissen, die in einem engen Zusammenhang mit der seinerzeitigen Betriebsführung stehen, aber erst nach Beendigung der betrieblichen Tätigkeit anfallen, zu sichern. Daher sei der Nachlass einer ehemals betrieblichen Verbindlichkeit gemäß § 32 Z. 2 EStG 1988 steuerpflichtig.
Die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens sei zu Recht erfolgt, weil erst im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung der Umstand des Schuldnachlasses hervorgekommen sei.
Die dagegen erhobene Beschwerde wendet sich gegen die Besteuerung des Schuldnachlasses gemäß § 32 Z. 2 EStG 1988.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass die streitgegenständliche Verbindlichkeit anlässlich der Einbringung des Einzelbetriebes in die C-GmbH zurückbehalten wurde. Die Aktenlage bietet keinen Anlass, die diesbezügliche Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen.
Während die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren noch die Ansicht vertreten hat, der Erlass der zurückbehaltenden Verbindlichkeit sei als Vorgang der Privatsphäre nicht steuerpflichtig, tritt sie der Steuerpflicht des gegenständlichen Schulderlasses vor dem Verwaltungsgerichtshof mit dem Vorbringen entgegen, der Schulderlass führe zu negativen Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile. Werde nun - wie im angefochtenen Bescheid geschehen - Einkommensteuer festgesetzt, käme es bei einer späteren Veräußerung der Gesellschaftsanteile "durch das Zuzählen der negativen Anschaffungskosten zum Veräußerungsgewinn zu einer nochmaligen, also 2fachen Besteuerung dieses Schuldnachlasses." Die Besteuerung des Schuldnachlasses erfolge in Verbindung mit dem UmgrStG durch Verminderung der Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile, welche gemäß § 43 Abs. 2 UmgrStG in Evidenz zu halten seien.
Gemäß § 32 Z. 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 u.a. auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3. Solche Einkünfte sind der Einkunftsart zuzurechnen, der die frühere Tätigkeit bzw. das frühere Rechtsverhältnis zuzuordnen war.
Der Erlass von betrieblichen Verbindlichkeiten führt - so wie jeder Wegfall von Betriebsschulden, der nicht auf einem außerbetrieblichen Vorgang beruht - zu einer gewinnerhöhenden Betriebsvermögensvermehrung; die aus dem Erlass ehemals betrieblicher Verbindlichkeiten resultierenden Betriebsvermögensvermehrungen sind somit grundsätzlich im Sinne des § 32 Z. 2 EStG 1988 als positive nachträgliche Einkünfte steuerpflichtig (s. das zur vergleichbaren Rechtslage nach dem EStG 1972 ergangene hg. Erkenntnis vom , 92/15/0041, VwSlg. 6.781/F).
Die von der Beschwerdeführerin befürchtete Doppelbesteuerung im Falle der späteren Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft tritt nicht ein, weil die Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile durch den Schuldnachlass keine Verminderung erfahren. Die Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile bestimmen sich nach dem im Einbringungsvertrag definierten Einbringungsvermögen. Wird eine betriebliche Verbindlichkeit nicht in übernehmende Körperschaft eingebracht, ist das eingebrachte Vermögen (und damit die Anschaffungskosten der als Gegenleistung für die Einbringung gewährten Gesellschaftsanteile) entsprechend höher als im alternativen Fall der Einbringung der Verbindlichkeit. Durch den Nachlass der nicht in die übernehmende Körperschaft eingebrachten Verbindlichkeit erfährt das Einbringungsvermögen hingegen keine Änderung. Durch ihr Zurückbehalten nimmt die Verbindlichkeit gerade nicht an dem in der Beschwerde angesprochenen "Tauschvorgang" (Hingabe von Vermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen) teil. Der Nachlass der zurückbehaltenen betrieblichen Verbindlichkeit führt damit nicht zu dem in der Beschwerde vertretenen "Zuzählen der negativen Anschaffungskosten".
Dem Beschwerdevorbringen gelingt es nach dem Gesagten nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am