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VwGH vom 18.11.2008, 2006/15/0050

VwGH vom 18.11.2008, 2006/15/0050

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2006/15/0052 E

2006/15/0051 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Klagenfurt, in 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 2 und 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , GZ. RV/0269-K/04, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer des Jahres 2001 (mitbeteiligte Partei: A E in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist eine Agrargemeinschaft nach dem Kärntner Flurverfassungslandesgesetz (Stammfassung LGBl. Nr. 64/1979) und laut Generalakt der zuständigen Agrarbezirksbehörde vom Eigentümerin des Gemeinschaftsbesitzes "Nachbarschaft E" in der Katastralgemeinde K.

Mit Vertrag vom verkaufte die mitbeteiligte Partei eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft im Ausmaß von

47.322 m2. Der erzielte Verkaufserlös betrug 970.000 S 70.492,65 EUR) und wurde nach Abzug von Nebenkosten im Jahr 2001 gemäß Beschluss der Vollversammlung der Agrargemeinschaft im Verhältnis der Anteile ihrer Mitglieder am Gemeinschaftsbesitz an diese ausbezahlt.

Mit Haftungs- und Abgabenbescheid vom betreffend "Kapitalertragsteuer gem. § 93 Abs. 2 Z. 1 lit. c i. V.m. § 97 Abs. 1, § 95 Abs. 2, § 95 Abs. 3 EStG 1988 u. § 224 Abs. 1 BAO" wurde der mitbeteiligten Partei ein Abgabenbetrag in Höhe von 23.128,58 EUR vorgeschrieben und dies wie folgt begründet:

"Geld und Sachausschüttungen von körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften unterliegen als Substanzgenussrechte dem Kapitalertragsteuerabzug und sind endbesteuert (§ 93 Abs. 2 Z. 1 lit. c in Verbindung mit § 97 Abs. 1 EStG 1988). Für den Kapitalertragsteuerabzug ist unerheblich, ob die Erträge auf Ebene der Agrargemeinschaft landwirtschaftliche oder nicht landwirtschaftliche Einkünfte darstellen, ob sie steuerbar, steuerfrei oder steuerpflichtig sind. Ausschüttungen auf Grund von Grundverkäufen der Agrargemeinschaften unterliegen daher grundsätzlich dem Kapitalertragsteuerabzug. Der Kapitalertragsteuerabzug ist grundsätzlich davon unabhängig, ob die dahinter stehenden Erträge beim Anteilsinhaber steuerpflichtig oder steuerfrei sind oder ob sie in der Pauschalierung erfasst oder nicht erfasst sind. Da die KESt nicht einbehalten wurde, wurden Sie gem. § 95 Abs. 2 EStG 1988 zur Haftung herangezogen und aufgefordert, die Abgabenschuld für die Sie haften, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten (§ 224 Abs. 1 BAO)."

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt die mitbeteiligte Partei die Kapitalertragsteuerpflicht dieser Ausschüttungen. Die Steuerpflicht der Ausschüttungen könne weder auf die vom Finanzamt angeführten noch auf andere Bestimmungen gestützt werden. Das Finanzamt folge inhaltlich lediglich der in den Einkommensteuerrichtlinien 2000, Rz. 7723ff, geäußerten Rechtsinterpretation, der keinerlei höchstgerichtliche Entscheidungen zu Grunde lägen.

Nach einem umfangreichen Ermittlungsverfahren, das die Anforderung von Grundbuchsauzügen, Urkunden und Statuten, sowie Vernehmungen des Leiters der zuständigen Agrarbezirksbehörde und des Obmanns der mitbeteiligten Partei umfasste, wurde der Berufung durch die belangte Behörde stattgegeben und der bekämpfte Haftungs- und Abgabenbescheid aufgehoben.

Im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung setzte sich die belangte Behörde zunächst mit dem Begriff des "Genussrechtes" und der Rechtsnatur der gegenständlichen Anteilsrechte auseinander und kam schließlich im Vergleich der beiden Rechtsinstitute zum Ergebnis, dass zwischen beiden erhebliche Unterschiede bestünden. Die Anteilsrechte an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken der mitbeteiligten Partei stellten Mitgliedschaftsrechte an einer Körperschaft dar und seien Gesellschaftsrechten gleichartig. Genussrechte seien demgegenüber keine Gesellschaftsrechte, sondern Schuldrechte. Auch der Erwerb von Genussrechten unterscheide sich wesentlich vom Erwerb eines Anteilsrechtes an agrargemeinschaftlichen Grundstücken. Auf die Bewirtschaftung und Verwaltung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke der mitbeteiligten Partei könne die Agrarbehörde wesentlichen Einfluss nehmen, während auf die Rechtsbeziehungen zwischen Genussrechtsemittenten und Genussrechtsberechtigten in der Regel (mit Ausnahme einer näher dargestellten, den hier zu beurteilenden Rechten nicht vergleichbaren Ausnahme) keine Behörde Einfluss nehmen dürfe. Im Falle von Verfahren, die durch eine hoheitliche Entscheidung beendet würden, seien im Zusammenhang mit Genussrechten andere Verfahrensbestimmungen anzuwenden als im Zusammenhang mit Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften. Die aufgezeigten Unterschiede hätten ein größeres Gewicht als die Gemeinsamkeit, die sich darin erschöpfe, dass auch Genussrechte ebenso wie Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken der mitbeteiligten Partei Erfolgsbeteiligungen, Vermögensbeteiligungen und Beteiligungen an einem allfälligen Liquidationsüberschuss auslösen könnten. Es gebe keine gesetzliche Bestimmung, der zufolge Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken Genussrechte seien. Die Ausschüttungen aus den streitgegenständlichen Anteilsrechten stellten daher keine kapitalertragsteuerpflichtigen Erträge iSd § 93 Abs. 2 Z 1 lit. c EStG 1988 dar.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde, in der der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt, wie auch der Umstand, dass es sich bei der mitbeteiligten Partei um eine Körperschaft öffentlichen Rechts handelt, außer Streit gestellt wird. Anders als die belangte Behörde vertritt das beschwerdeführende Finanzamt die Ansicht, dass Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften als Zuflüsse aus Genussrechten iSd § 93 Abs. 2 Z 1 lit. c EStG 1988 zu betrachten seien. Die belangte Behörde habe sich der Problemlösung durch Vergleich von Mitgliedschaftsrechten und Genussrechten in ausschließlich zivilrechtlichem Sinn genähert und dabei außer Acht gelassen, dass im Abgabenrecht ein eigener Genussrechtsbegriff, nämlich in § 8 Abs. 3 Z. 1 KStG 1988 definiert werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das beschwerdeführende Finanzamt stützte die Kapitalertragsteuerpflicht der gegenständlichen Auszahlungen der mitbeteiligten Partei an ihre Mitglieder auf die Bestimmung des § 93 Abs. 2 Z. 1 lit. c EStG 1988.

§ 93 Abs. 1 und 2 idF BGBl. I Nr. 142/2000 lautet auszugsweise:

"(1) Bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).

(2) Inländische Kapitalerträge liegen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder Zweigstelle im Inland eines Kreditinstituts ist und es sich um folgende Kapitalerträge handelt:

1. a) Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

b) Gleichartige Bezüge und Rückvergütungen aus Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften.

c) Gleichartige Bezüge aus Genußrechten und aus Partizipationskapital im Sinne des Kreditwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes.

..."

Das Rechtsinstitut des "Genussrechtes" ist Gegenstand einzelner handelsrechtlicher Bestimmungen (vgl. § 174 Abs. 3 und 4 AktG,§ 240 Z. 7 UGB), eine allgemeine gesetzliche Definition besteht nicht.

Genussrechte im Sinne des § 174 AktG können handelsrechtlich weitgehend frei ausgestaltet werden. Das AktG setzt Genussrechte voraus, ohne sie zu definieren. Es handelt sich um vielfältig gestaltbare Rechte schuldrechtlichen Inhalts gegenüber Kapitalgesellschaften, die sowohl Gesellschaftern als auch Nichtgesellschaftern zustehen können. Gemeinsam ist ihnen, dass sie weniger Rechte als Gesellschaftsanteile, jedoch mehr Rechte als normales Fremdkapital vermitteln (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2005/14/0018, und vom , 98/14/0131). Auch wenn sich die ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften (§ 174 Abs. 3 und 4 AktG und § 240 Z. 7 UGB) auf die AG beziehen, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass - als Ausfluss der grundsätzlichen Vertragsfreiheit und damit auch der Freiheit in der Wahl der unternehmerischen Finanzierung - auch andere Rechtsträger Genussrechte ausgeben können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/16/0025, VwSlg. 6.847 F/1993).

Nach herrschender Meinung beruhen alle Genussrechte auf einem Schuldverhältnis ohne gesellschaftsrechtliches Band (vgl. Krejci/Van Husen, Über Genussrechte, Gesellschafterähnlichkeit, stille Gesellschaften und partiarische Darlehen, GesRZ 2000, 54).

Das Tatbestandsmerkmal "Genussrecht" in § 93 Abs. 2 Z. 1 lit. c EStG 1988 ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne dieses zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren, zumal sich aus der Systematik des EStG kein abweichender Begriffsinhalt ergibt. Die vom Finanzamt angeführte Bestimmung des § 8 Abs. 3 Z. 1 KStG 1988, wonach eine Einkommensverwendung auch bei Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte anzunehmen ist, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationsgewinn des Steuerpflichtigen verbunden ist, ordnet für den Bereich des Abgabenrechts an, dass in bestimmter Weise ausgestattete Genussrechte (so genannte Substanzgenussrechte) ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Beurteilung als Gläubigerrecht ertragsteuerlich zum Eigenkapital zählen. Die Bestimmung lässt nicht den vom beschwerdeführenden Finanzamt gezogenen Schluss zu, dass jegliche Substanzbeteiligung ein Genussrecht im Sinne des § 93 Abs. 2 lit. c EStG 1998 begründet. Bei einem solchen Begriffsverständnis ließen sich - wie in der Gegenschrift der belangten Behörde zutreffend ausgeführt - auch andere in der Z. 1 ausdrücklich angeführte Rechtsinstitute, wie etwa Beteiligungen in Form von Aktien, unter den Begriff der Genussrechte subsumieren.

Wenn die belangte Behörde daher auf das zivilrechtliche Begriffsverständnis zurückgegriffen hat, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Sie befindet sich damit im Einklang mit Lehre und Rechtsprechung (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0018, sowie zusammenfassend Jann, Kapitalertragsteuer und Endbesteuerung bei Genussrechten, 37f).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass die gegenständlichen Anteilsrechte an der mitbeteiligten Agrargemeinschaft keine Genussrechte im Sinne des § 93 Abs. 2 Z. 1 lit. c leg.cit. begründen. Sie ist dabei an Hand der Satzungen der Mitbeteiligten und der Bestimmungen des Kärntner Flurverfassungslandesgesetzes u.a. davon ausgegangen, dass die gegenständliche Agrargemeinschaft durch hoheitlichen Regulierungsakt entstanden ist und die Anteilsrechte an das Eigentum bestimmter Liegenschaften (Stammsitzliegenschaften) gebunden sind. Zweck der mitbeteiligten Agrargemeinschaft sei die Befriedigung der land- und forstwirtschaftlichen Bedürfnisse ihrer Mitglieder im Zusammenhang mit dem Eigentum ihrer Mitglieder an den Stammsitzliegenschaften. Die Mitglieder nehmen an der Verwaltung der mitbeteiligten Partei mittelbar durch ihre Organe teil und seien gegebenenfalls zu Arbeitsleistungen oder Ersatzleistungen in Geld verpflichtet. Könnten Auslagen nicht aus der Kassa gedeckt werden, müssten sie durch die Mitglieder nach Maßgabe ihrer Anteilsrechte an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken aufgebracht werden. Im Falle rückständiger Leistungen habe sich der Obmann der mitbeteiligten Partei unverzüglich an die Agrarbehörde zu wenden, um einen Zahlungsbefehl zu beantragen. Über Streitigkeiten der Mitglieder untereinander oder zwischen der mitbeteiligten Agrargemeinschaft und ihren Organen oder Mitgliedern habe grundsätzlich die Agrarbehörde im Verwaltungsverfahren zu entscheiden.

Dass sich die gegenständlichen Anteilsrechte damit wesentlich von zivilrechtlich vereinbarten Genussrechten unterscheiden, wird auch vom beschwerdeführenden Finanzamt nicht in Abrede gestellt.

Soweit sich die beschwerdeführende Partei aber auf die "im Abgabenrecht zwingende wirtschaftliche Betrachtungsweise" stützt, nach der ein Unterschied zwischen einem Substanzgenussrecht und einem Mitgliedschaftsrecht an einer Agrargemeinschaft nicht gesehen werden könne, ist ihr zu entgegnen, dass es die Systematik des EStG 1988 nicht gebietet, dem Tatbestandsmerkmal "Genussrecht" im § 93 leg.cit. einen anderen Inhalt beizumessen als dem zivilrechtlichen Begriff.

Nach § 48 Abs. 1 Kärntner Flurverfassungslandesgesetz, LGBl. Nr. 64/1979, bildet die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer jener Liegenschaften, an deren Eigentum Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sind (Stammsitzliegenschaften), und jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen, eine Agrargemeinschaft.

Zum Begriff der "Anteilsrechte" an Agrargemeinschaften sprach der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , B 80/63, aus:

"Unter Anteilsrechten an einer Agrargemeinschaft ist die Gesamtheit der Berechtigungen und Verpflichtungen zu verstehen, die aus der Mitgliedschaft zu einer Agrargemeinschaft entspringen. Diese Anteile bestimmen nicht nur die materiellen Ansprüche und Verpflichtungen, das Ausmaß der Nutzungen und bei Teilung die Größe der Abfindung in Grund und Boden, sondern auch das Maß der Teilnahme an der Verwaltung. Überall dort, wo das Gesetz nichts anderes verfügt, ist das nach Anteilsrechten abgestufte Mitgliedschaftsrecht als einheitliches Recht für alle Formen der Teilhabe an der Gemeinschaft maßgebend."

Die Rechte und Pflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zu einer Agrargemeinschaft sind öffentlich-rechtlicher Natur, weshalb Agrargemeinschaften in diesem Zusammenhang nicht im Rahmen der Privatautonomie handeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/07/0079, mit weiteren Nachweisen).

Im Hinblick auf den hoheitlichen Charakter der mitbeteiligten Agrargemeinschaft sowie Inhalt und Eigenart der gegenständlichen Anteilsrechte ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde das Vorliegen von Genussrechten im Sinne des § 93 Abs. 2 Z. 1 lit. c EStG 1988 verneint und eine Pflicht der mitbeteiligten Partei zur Abfuhr von Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 2 leg.cit. als nicht gegeben angesehen hat (vgl. in diesem Sinne auch Doralt/Kirchmayr, EStG8, § 27 Tz. 49/1; Mayer, KESt-Pflicht bei Ausschüttungen von Agrargemeinschaften, SWK 2001, 684).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am