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VwGH vom 30.03.2006, 2006/15/0003

VwGH vom 30.03.2006, 2006/15/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in 4320 Perg, Dr. Schoberstraße 25, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. FSRV/0030-L/05, betreffend Zurücknahme einer Berufung gemäß § 156 Abs. 2 FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Linz wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als steuerlich Verantwortlicher des Einzelunternehmens Josef M. gewerbsmäßig unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate November und Dezember 2001 in der Gesamthöhe von EUR 10.210,11 bewirkt und es nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten; hiedurch habe er das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG bei gewerbsmäßiger Begehungsweise nach § 38 leg. cit. begangen; über ihn wurde eine Geldstrafe von EUR 5.000,--

(Ersatzfreiheitsstrafe vier Wochen) verhängt. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt.

In dem am zur Post gegebenen Schreiben an das Finanzamt Linz führte der Beschwerdeführer wörtlich aus:

"Berufung gegen Erkenntnis vom SN 2002/00342-001, SN 2002/00342-002.

Weiters stelle ich den Antrag um Beigebung eines Pflichtverteidigers, da es mir aus finanzieller Hinsicht nicht möglich ist, einen Verteidiger zu beauftragen.

Mein derzeitiges Einkommen beträgt täglich EUR 17,01 (Pensionsvorschuss)."

Das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz gab mit Bescheid vom dem Antrag auf Beigabe eines Verteidigers gemäß § 77 Abs. 3 FinStrG statt. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, weil es sich um einen komplexeren Sachverhalt handle, und die bisherigen Eingaben des Beschwerdeführers darauf schließen ließen, dass er sich nicht entsprechend verteidigen könne, und er derzeit nur über bescheidene Einkünfte verfüge, sei dem Antrag stattzugeben gewesen.

Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder gab mit Schreiben vom (beim Finanzamt Linz eingelangt am , und laut Beschwerdevorbringen an diesem Tag dem Verteidiger zugestellt) den Namen des bestellten Verteidigers bekannt.

Das Finanzamt Linz trug mit Bescheid vom dem Beschwerdeführer auf, die der Berufung vom anhaftenden Mängel bis zu beheben. Die Berufung weise folgende Mängel auf, es fehle eine Erklärung, in welchen Punkten das Erkenntnis angefochten werde, welche Änderungen beantragt werden und auch eine Begründung. Die Zustellung an den Verteidiger erfolgte am .

Mit Telefax vom ersuchte der Verteidiger des Beschwerdeführers auf Grund des schwierigen Sachverhaltes und der noch beizubringenden Unterlagen (Strafakte, Akt des Finanzamtes, etc.) die Frist zur Mängelbehebung bis zum zu erstrecken.

Mit Bescheid vom sprach das Finanzamt Linz aus, dass die Berufung vom gemäß § 176 Abs. 2 FinStrG als zurückgenommen gelte. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer dem Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen. Das mit datierte Ersuchen um Fristverlängerung habe nicht mehr berücksichtigt werden können, weil es erst nach Ablauf der Frist eingelangt sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, auf Grund des schwierigen Sachverhaltes habe er keine Berufungsgründe ausgeführt, sondern vielmehr um Verfahrenshilfe angesucht. Auf Grund mehrerer Umstände habe er mit dem Pflichtverteidiger am eine erste Besprechung abgehalten. Hiebei habe er dem Pflichtverteidiger mitgeteilt, dass er keine Unterlagen des Verfahrens habe. Der Pflichtverteidiger habe daraufhin mit der Strafbehörde den als Termin zur Akteneinsicht vereinbart. Weil dieser Termin nach Ablauf der Frist zur Behebung der Mängel gelegen sei, habe er nachweislich am um Fristerstreckung angesucht. Da sohin die Fristerstreckung rechtzeitig erfolgt sei, sei die Berufungsergänzung als rechtzeitig anzuerkennen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als der bekämpfte Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass die Berufung vom gemäß § 156 Abs. 2 FinStrG als zurückgenommen gelte. In der Begründung wurde nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit Schriftsatz vom die im Behebungsauftrag vom angeführten Mängel der Berufung behoben.

Aus dem Strafakt der Finanzstrafbehörde erster Instanz gehe hervor, dass der Akt seit dem zur möglichen Einsichtnahme aufgelegen sei und der bestellte Verteidiger des Beschwerdeführers nach vorheriger telefonischer Ankündigung tatsächlich am Akteneinsicht genommen habe.

Die erste Instanz habe berechtigterweise einen Mängelbehebungsauftrag erteilt. Mit ungenutztem Ablauf der dafür gesetzten Frist gelte die Berufung ex lege als zurückgenommen. Der Beschwerdeführer habe rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Frist gestellt. Diesem Antrag sei jedoch keine den Fristlauf hemmende Wirkung zugekommen. Der Beschwerdeführer habe daher nicht darauf vertrauen können, dass seinem Ansuchen Folge gegeben werde. Der Umstand, dass über den Verlängerungsantrag nicht abgesprochen worden sei, stehe der Feststellung der Zurücknahme der Berufung nicht entgegen. Die Zurücknahmeerklärung sei u.a. dann rechtswidrig, wenn die für die Mängelbehebung bestimmte Frist den Umständen des Anlassfalles nicht angemessen wäre. Dafür lasse jedoch die Aktenlage keine Anhaltspunkte erkennen. Dem Beschwerdeführer sei für die Beschaffung der von ihm zur Mängelbehebung benötigten verfahrensrechtlich relevanten Unterlagen im Wege der Akteneinsicht bei der Erstbehörde ohnehin eine für durchaus als ausreichend zu erachtende mehr als zwei Wochen (vom 4. bis ) bzw. mehrere Tage (vom 17. bis ) umfassende Frist zur Verfügung gestanden.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass die Frist zur Behebung der Mängel der Berufung nicht angemessen gewesen sei. Der Pflichtverteidiger sei am von seiner Bestellung informiert worden und am sei ihm der Mängelbehebungsauftrag zugestellt worden. Ohne Kenntnis der Aktenlage und des bisherigen Berufungsvorbringens durch den Beschwerdeführer sei es nicht möglich gewesen, eine Berufungsergänzung zu erstellen. Auf Grund des komplexen Sachverhaltes und der vorangegangenen strafrechtlichen Verfahren sei die Frist für die Behebung der Mängel nicht angemessen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn ein Rechtsmittel nicht den im § 153 FinStrG umschriebenen Erfordernissen entspricht, hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz dem Rechtsmittelwerber die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass das Rechtsmittel nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt (§ 156 Abs. 2 FinStrG).

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass die Berufung des Beschwerdeführers Mängel in diesem Sinne aufgewiesen hat und diese Mängel mit Schriftsatz vom behoben wurden. Der Beschwerdeführer bekämpft die Auffassung der belangten Behörde, die für die Mängelbehebung bestimmte Frist sei angemessen gewesen.

Eine Frist ist dann angemessen im Sinne der Mängelbehebungsvorschriften, wenn die Fristbemessung den besonderen Verhältnissen sachgerecht Rechnung trägt und der Berufungswerber in die Lage versetzt wird, dem Auftrag innerhalb der gesetzten Frist ordnungsgemäß nachzukommen (vgl. die zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 275 BAO ergangenen hg. Erkenntnisse vom , 92/13/0215, vom , 93/15/0092, und vom , 2002/14/0153). Die Angemessenheit einer Frist hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer ein Verteidiger wegen des "komplexeren" Sachverhaltes und des eigenen Unvermögens, sich entsprechend zu verteidigen, beigegeben wurde. Die vom Beschwerdeführer selbst verfasste Berufung vom enthält nur das Wort Berufung und die Bezeichnung des bekämpften Erkenntnisses. Hätte der Beschwerdeführer nicht die Bezeichnung "Berufung" gewählt, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, dass er Berufung erheben wolle, wäre dem bestellten Verfahrenshelfer die gesamte Rechtsmittelfrist offen gestanden (§ 77 Abs. 6 FinStrG). Obwohl bereits die Behörde erster Instanz bei der Bestellung des Verteidigers zum Ausdruck gebracht hat, dass der Beschwerdeführer selbst nicht in der Lage ist, sich entsprechend zu verteidigen, hat die belangte Behörde dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe über keine Unterlagen verfügt und habe daher der Verteidiger Akteneinsicht nehmen müssen, zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen. Dem Verteidiger des Beschwerdeführers stand zur Behebung der aufgetragenen Mängel die Frist vom 4. Februar (Freitag) bis 22. Februar (Dienstag) 2005 offen, sohin 18 Tage, davon 12 Arbeitstage. Der Verteidiger des Beschwerdeführers, der im Verfahren nicht beteiligt war, hatte sohin zur Ausführung der bloß "angemeldeten" Berufung etwa 60 % der gesetzlichen Dauer der Rechtsmittelfrist zur Verfügung. Angesichts des "komplexeren Sachverhaltes" (so die Behörde erster Instanz) kann die gesetzte Frist nicht als angemessen bezeichnet werden. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am