VwGH vom 05.05.2011, 2008/22/0309

VwGH vom 05.05.2011, 2008/22/0309

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der J Z in W, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 1/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 149.767/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, verfügte seit dem über eine zuletzt bis zum verlängerte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 Fremdengesetz 1997 - FrG für den Aufenthaltszweck "Ausbildung". Am beantragte sie einen Aufenthaltstitel gemäß § 7 Abs. 4 Z 4 FrG (Erwerbstätigkeit ohne Niederlassung).

Am modifizierte sie den Antrag dahingehend, dass sie einen Aufenthaltstitel als selbständig Erwerbstätige begehre. Sie habe ihre Ausbildung im Herbst 2005 abgeschlossen und sei nun ausschließlich als Geschäftsführerin der T. Handels GmbH tätig und an dieser auch mehrheitlich als Gesellschafterin beteiligt. Auf Aufforderung der erstinstanzlichen Behörde (des Landeshauptmannes von Wien) legte sie in der Folge u.a. ein ausgefülltes Merkblatt "Schlüsselkraft (selbständig), § 41 Absatz 1 NAG" mit einer näheren Beschreibung ihrer Tätigkeit vor. Daraus geht hervor, dass Unternehmensgegenstand der T. Handels GmbH der Import und Export von Geschenkartikeln, Haushaltswaren und Spielzeug sei; sie sei selbständig vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführerin der Gesellschaft, daneben gebe es einen gewerberechtlichen Geschäftsführer. Die Gesellschaft beschäftige derzeit zwei österreichische Staatsbürger (bei einem davon handelt es sich um den gewerberechtlichen Geschäftsführer und Mitgesellschafter). Größere Investitionen oder Aufwendungen würden nicht getätigt, in Hinkunft werde aber die Anschaffung weiterer Lagerflächen erforderlich sein. Der Jahresumsatz im Jahr 2005 habe EUR 131.708,66 betragen; im Jahr 2006 werde vermutlich ein Umsatz von EUR 250.000,-- erwirtschaftet. Ein ebenfalls angeforderter "Nachweis des Transfers von Investitionskapital oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen" wurde nicht vorgelegt.

Die Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice kam in dem gemäß § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG erstellten Gutachten vom zum Ergebnis, dass die Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin keinen gesamtwirtschaftlichen Nutzen im Sinne der genannten Bestimmung habe. Dies wurde - nach Darstellung u.a. der eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Merkblatt und der Eintragungen im Firmenbuch - im Wesentlichen damit begründet, dass es in der T. Handels GmbH zu keiner Beschäftigung von Dienstnehmern in einem für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen maßgeblichen Umfang gekommen sei; wenn man vom gewerberechtlichen Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH absehe, beschäftige diese eine Arbeitnehmerin.

In ihrer Stellungnahme vom zu diesem Gutachten brachte die Beschwerdeführerin vor, das Arbeitsmarktservice habe übersehen, dass sie eine große Summe von Investitionskapital von China nach Österreich gebracht habe. Die von ihr gehaltene Stammeinlage an der T. Handels GmbH (in der Höhe von EUR 26.250,--) sei zur Gänze einbezahlt, für die Ausstattung des Unternehmens habe sie Aufwendungen von zumindest EUR 50.000,-- tätigen müssen. In der T. Handels GmbH seien "bereits zahlreiche Mitarbeiter beschäftigt worden", zuletzt sei ein österreichischer Staatsbürger angestellt worden, der bereits lange als arbeitslos gemeldet gewesen sei. Beigelegt wurden Beitragsvorschreibungen der Wiener Gebietskrankenkasse für zwei Arbeitnehmer.

Unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme verneinte die Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice in einem Gutachten vom erneut den gesamtwirtschaftlichen Nutzen im Sinne des § 24 AuslBG.

In der Folge wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag mit Bescheid vom gestützt auf § 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG in Verbindung mit § 24 AuslBG ab und begründete dies mit den negativen Gutachten des Arbeitsmarktservice.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sich den Gutachten des Arbeitsmarktservice nicht entnehmen lasse, ob durch ihre Erwerbstätigkeit als Schlüsselkraft Arbeitsplätze geschaffen und/oder gesichert würden. Darüber hinaus würden keine inhaltlichen Ausführungen zu dem von ihr getätigten Transfer von Investitionskapital getroffen. Hätte die Behörde jene Urkunden angefordert, welche sie zur Überprüfung der Höhe des Transferkapitals benötigte, so hätte die Beschwerdeführerin diese jederzeit zur Verfügung gestellt. Mangels Kreditwürdigkeit als Studentin hätten die notwendigen finanziellen Mittel nur durch Auflösung ihrer Ersparnisse in China aufgebracht werden können.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde (der Bundesminister für Inneres) die Berufung gestützt auf § 41 NAG ab. In der Begründung verwies sie im Wesentlichen auf die negativen Gutachten des Arbeitsmarktservice und fügte hinzu, dass der Berufung keine Unterlagen hätten entnommen werden können, aus denen sich ergebe, dass tatsächlich ein Betrag von EUR 50.000,-- von China nach Österreich transferiert und in die T. Handels GmbH investiert worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 41 NAG (Abs. 2 in der hier maßgeblichen Stammfassung) lautet - unter der Überschrift "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" - auszugsweise wie folgt:

"§ 41. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine

"Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" erteilt werden, wenn

1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles

erfüllen;

2. ein Quotenplatz vorhanden ist und

3. eine schriftliche Mitteilung der regionalen

Geschäftsstelle oder ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß §§ 12 Abs. 4 oder 24 AuslBG vorliegt.

(2) Entscheidungen über die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" sind überdies von der zuständigen Behörde gemäß §§ 12 oder 24 AuslBG unverzüglich, längstens jedoch binnen sechs Wochen ab Einbringung des Antrages, zu treffen. Von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels (§§ 21 bis 24) zurückzuweisen ist;

2. wegen zwingender Erteilungshindernisse

(§ 11 Abs. 1) abzuweisen ist oder

3. mangels eines Quotenplatzes zurückzuweisen

ist.

(3) Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung als unselbständige Schlüsselkraft (§ 12 AuslBG) in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen. Ist das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in einem Verfahren über den Antrag zur Zulassung als selbständige Schlüsselkraft negativ (§ 24 AuslBG), ist der Antrag ohne weiteres abzuweisen."

§ 24 AuslBG (in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2005) hat - unter der Überschrift "Erstellung von Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte" - folgenden Wortlaut:

"§ 24. Die nach der beabsichtigten Niederlassung der selbständigen Schlüsselkraft zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen drei Wochen das im Rahmen des fremdenrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß § 41 NAG erforderliche Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbunden Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erstellen. Vor der Erstellung dieses Gutachtens ist das Landesdirektorium anzuhören."

§ 41 Abs. 3 zweiter Satz NAG normiert zwar, dass bei Vorliegen eines negativen Gutachtens im Sinn des § 24 AuslBG der Antrag auf Erteilung der "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" (als selbständige Schlüsselkraft) abzuweisen ist, dies bedeutet allerdings - bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen des § 41 Abs. 3 NAG und des § 24 AuslBG - nicht, dass das Gutachten durch den Antragsteller nicht entkräftet oder widerlegt werden kann oder dass die Behörde an ein unschlüssiges Gutachten gebunden wäre. Vielmehr gilt auch in Bezug auf die Würdigung dieses Beweismittels, dass die in § 45 AVG verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs uneingeschränkt Anwendung finden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0189, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus der oben wiedergegebenen Bestimmung des § 24 AuslBG, dass für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit zur Stellung als Schlüsselkraft führt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung von neuen oder der Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen dient. Der Gesetzgeber stellt also darauf ab, ob ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist (vgl. dazu ebenfalls das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom , mwN).

Die Beschwerdeführerin vermag nun aber nicht aufzuzeigen, weshalb die Beurteilung der belangten Behörde, sie erfülle diese Kriterien nicht, unrichtig wäre.

Sie bringt zum einen vor, den Gutachten des Arbeitsmarktservice lasse sich nicht entnehmen, ob durch ihre Erwerbstätigkeit Arbeitsplätze geschaffen und/oder gesichert würden. Das trifft nach dem oben wiedergegebenen Inhalt der Gutachten nicht zu: Darin wurde - in Übereinstimmung mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Merkblatt - ausgeführt, dass sie abgesehen vom gewerberechtlichen Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH nur eine Arbeitnehmerin beschäftige. Darauf erwiderte die Beschwerdeführerin in ihrer ebenfalls oben wiedergegebenen Stellungnahme nur, dass "bereits zahlreiche Mitarbeiter beschäftigt worden" seien und zuletzt ein (seit langem arbeitsloser) österreichischer Staatsbürger angestellt worden sei. Auch in der Berufung und schließlich in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde nichts Konkretes zur behaupteten Beschäftigung zahlreicher Mitarbeiter dargelegt, sodass die Beurteilung des Arbeitsmarktservice und daran anschließend der belangten Behörde, der gesamtwirtschaftliche Nutzen sei unter dem Aspekt der Schaffung von neuen oder der Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen zu verneinen, auf keine Bedenken stößt.

Zum anderen wiederholt die Beschwerdeführerin ihr Berufungsvorbringen, dass sie, hätte die Behörde die Urkunden angefordert, welche sie zur Überprüfung der Höhe des Transferkapitals benötigte, jene jederzeit zur Verfügung gestellt hätte. Wie schon in der Berufung unterlässt es die Beschwerdeführerin aber auch in der Beschwerde, darzulegen, um welche Urkunden es sich dabei gehandelt hätte, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wird. Außerdem übersieht die Beschwerdeführerin, dass ein "Nachweis des Transfers von Investitionskapital" bereits von der erstinstanzlichen Behörde (in der Unterlagenanforderung vom ) ausdrücklich gefordert wurde, ohne dass die Beschwerdeführerin dem nachgekommen wäre. Was die Stammeinlage betrifft, so ist deren Zahlung in der Höhe von EUR 26.250,-- (in der Beschwerde ist von EUR 13.125,-- die Rede) in den Gutachten des Arbeitsmarktservice sowie im angefochtenen Bescheid ohnedies berücksichtigt worden. Die Beurteilung, dass darin noch kein Transfer von Investitionskapital liegt, der einen gesamtwirtschaftlichem Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG - der über den Nutzen der Gesellschaft, bei der die Einlage erfolgt, hinausgeht - erwarten lässt, ist aber nicht zu beanstanden (vgl. zB - zu einer Einlage in der Höhe von EUR 20.000,-- - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0393).

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am