VwGH vom 11.12.2012, 2011/05/0038

VwGH vom 11.12.2012, 2011/05/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der P GmbH in S, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1014 Wien, Tuchlauben 17, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom , Zl. US 3B/2010/12-23, betreffend Versagung der Genehmigung gemäß § 17 UVP-G 2000 für einen Windpark (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde G; 2. Marktgemeinde R, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2; 3. Mag. WF in G; 4. Dr. GB in G; 5. EE und 6. PE, beide in G, beide vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer-Eberl, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Brucknerstraße 6; 7. G GmbH Co KEG in G; 8. AM in D, 9. EH in R,

10. RB in G, 11. Dr. SL in P, 12. HH in P, 13. GL in P, 14. HF in

G und 15. AB in G, alle vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rilkeplatz 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40, den fünft- und sechstmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 und den acht- bis fünfzehntmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit am bei der Niederösterreichischen Landesregierung eingelangter Eingabe stellte die Beschwerdeführerin den Antrag zur Genehmigung nach dem Umeltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) für die Errichtung und den Betrieb des Windparkes P, bestehend aus 16 Windenergieanlagen mit je zwei MW (gesamt 32 MW), im Gebiet der Marktgemeinde G. Die Nabenhöhe der Windenergieanlagen betrage 105 m, der Rotordurchmesser 90 m.

In der Folge wurden gegen das Vorhaben zahlreiche schriftliche Einwendungen erhoben, darunter auch von den mitbeteiligten Parteien, insbesondere auch von der Marktgemeinde R mit Schreiben vom und von der Marktgemeinde G mit Schreiben vom , beides Gemeinden, die unmittelbar an die Standortgemeinde angrenzen. Unter anderem beriefen sich beide Gemeinden darauf, dass der Windpark zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes führen würde.

Auch bei der mündlichen Verhandlung vom wurden zahlreiche Einwendungen erhoben, darunter von der Marktgemeinde R. Diese machte auch einen Widerspruch zur Raumordnung und zum Landschaftsbild geltend und sie schloss sich den Ausführungen von Rechtsanwalt Dr. R., dem Vertreter der achtbis fünfzehntmitbeteiligten Parteien, an, der u.a. darlegte, dass die Widmung "Windkraftanlage" jeweils einen Bereich von 60 m x 60 m umfasse, der mit Rotorblättern überschritten werde. Das Projekt widerspreche daher der Flächenwidmung.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde der Antrag hinsichtlich dreier Windenergieanlagen abgewiesen, im Übrigen aber die Genehmigung zur Errichtung des Windparkes, bestehend somit aus 13 Windenergieanlagen, erteilt, wobei dieser Bescheid nach dem Bescheidspruch auch die materienrechtlichen Genehmigungen gemäß dem Niederösterreichischen Elektrizitätswesengesetz 2005, dem Elektrotechnikgesetz 1992, dem Wasserrechtsgesetz 1959, dem Niederösterreichischen Naturschutzgesetz 2000, dem Forstgesetz 1975 und dem Luftfahrtgesetz umfasste.

Gegen diesen Bescheid erhoben sämtliche Mitbteiligten Berufungen. Festzuhalten ist daraus insbesondere, dass die Marktgemeinde R in ihrer Berufung geltend machte, dass die vorliegende Umwidmung für das gegenständliche Projekt zu tragenden Grundsätzen der Raumordnung in Widerspruch stehe und die derzeit geltende Raumordnung (Verweis diesbezüglich auf einen Mindestabstand von 2000 m zum gewidmeten Wohnbauland einer Nachbargemeinde) einen im Rahmen der Wahrung der Schutzgüter (Ortsbild, Landschaftsbild) zu berücksichtigenden Standard darstelle. Die Marktgemeinde G wandte sich insbesondere gegen die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde, nach der der vom Rotor in Anspruch genommene Raum nicht entsprechend gewidmet sein müsse.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Genehmigung gemäß § 17 UVP-G 2000 abgewiesen wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar um den Standort jeder der 13 Windkraftanlagen eine quadratische Fläche im Ausmaß von 60 m x 60 m als Grünland-Windkraftanlage gewidmet sei, dass aber die von den Rotoren der Windkraftanlagen überstrichenen Flächen in Form eines Kreises mit einem Radius von ca. 45 m bei jedem einzelnen Standort mehr oder weniger, je nach dem, ob der Aufstellungsort des Fundaments bzw. Sockels zentral oder dezentral innerhalb der als Grünland-Windkraftanlage gewidmeten Fläche gelegen sei, über diese quadratischen Flächen hinausreichten. Das Niederösterreichische Elektrizitätswesengesetz 2005 und das Niederösterreichische Raumordnungsgesetz 1976 dienten schon ihren Zielbestimmungen nach auch dem Schutz der Umwelt. Aus dem Gutachten des Sachverständigen für Raumordnung Dipl. Ing. K. ergebe sich, dass sich für die Nachbargemeinden mit der Errichtung der gegenständlichen Windkraftanlagen insofern Einschränkungen ergeben könnten, als eine Weiterentwicklung dieser Gemeinden in die entsprechende Richtung nicht mehr in Betracht kommen könnte. Im Fall der Genehmigung und Realisierung des gegenständlichen Projektes ergebe sich somit theoretisch eine Einschränkung der Entwicklungsfähigkeit der Nachbargemeinden. Für die Begründung der Parteistellung nach § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 sei es lediglich erforderlich, dass eine an die Standortgemeinde unmittelbar angrenzende österreichische Gemeinde von wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt betroffen sein könne. Dass die angrenzende Gemeinde tatsächlich betroffen sei, werde nicht vorausgesetzt, es reiche die Möglichkeit, betroffen zu werden. Die Bestimmung des § 19 Abs. 6 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 sei so zu verstehen, dass die gesamte Windkraftanlage nur auf Flächen mit der Widmung Grünland-Windkraftanlage errichtet werden dürfe. Eine einschränkende Regelung dahingehend, dass sich nur das Fundament oder der Turm innerhalb der gewidmeten Fläche befinden müssten, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch bestünden keine gesetzlichen Ausnahmeregelungen, die es erlaubten, dass der Rotor einer Windkraftanlage in Flächen mit anderer Widmungsart hineinragen dürfte. Nach der bisherigen Judikatur des Umweltsenates sei im Fall einer zulässigen Berufung im Anlagenbewilligungsverfahren Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG jedenfalls das gesamte verfahrensgegenständliche Vorhaben, und es müsse von einer umfassenden Prüfungsbefugnis der Behörde, öffentliche Interessen betreffend, ausgegangen werden. Diese umfassende Prüfungsbefugnis sei jedenfalls auch in Bezug auf die für ein konkretes Vorhaben maßgeblichen materiellrechtlichen Vorschriften und die darin formulierten Genehmigungsvoraussetzungen gegeben. An dieser umfassenden Prüfungsbefugnis ändere sich auch nichts, wenn die Berufungswerber in ihren subjektiv öffentlich-rechtlichen Interessen nicht beeinträchtigt wären. Der Umstand, dass Teile des Vorhabens, nämlich die Rotoren, nicht mit der erforderlichen Widmung versehene Flächen überragten, widerspreche eindeutig § 19 Abs. 6 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 und sei daher von Amts wegen aufzugreifen. Die Behörde erster Instanz hätte dies tun und die Bewilligung verweigern müssen. Der Frage, ob die entsprechenden, ohne vorher gefasste Gemeinderatsbeschlüsse erhobenen Einwendungen und Berufungen der Marktgemeinden G und R als zulässig und inhaltlich zu prüfen anzusehen seien, komme keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Abgesehen davon habe der Gesetzgeber die Parteistellung von an die Standortgemeinde angrenzenden österreichischen Gemeinden mit der Wahrnehmung aufgabenbezogener öffentlicher Interessen unter Einhaltung von dem Umweltschutz dienenden Rechtsvorschriften ausgestattet, was der Gewährleistung der objektiven Rechtmäßigkeit verwaltungsbehördlicher Entscheidungen dienen solle. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben, insbesondere der in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Genehmigungsvoraussetzungen, obliege den für die Vollziehung des UVP-G 2000 zuständigen Behörden jedoch gleichzeitig auch von Amts wegen. Werde daher das Fehlen einer Genehmigungsvoraussetzung in einem anlagenrechtlichen Genehmigungsverfahren der entscheidenden Behörde aktenkundig bekannt, sei es Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG und darüber zu entscheiden. Die Frage der Einhaltung allfälliger formalrechtlicher Bestimmungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Berufungen, wie beispielsweise von Präklusionsbestimmungen oder anderer Formerfordernisse, etwa betreffend Unterschriften oder Beschlüsse der zuständigen Organe der Gemeinde, könne nicht verhindern, den durch die Rechtsordnung vorgesehenen und herzustellenden materiellrechtlichen Zustand herbeizuführen. Es sei nicht von entscheidender Bedeutung, dass von der Marktgemeinde R mit Stellungnahme vom bzw. von der Marktgemeinde G in der mündlichen Verhandlung erst nachträglich entsprechende Gemeinderatsbeschlüsse dokumentiert worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch keinen Kostenersatzantrag gestellt. Von sämtlichen mitbeteiligten Parteien wurden Gegenschriften eingebracht. Kosten wurden nur von jenen verzeichnet, denen im Spruch Kostenersatz zugesprochen wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, die Berufungsbehörde habe ihre Kompetenzen im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG überschritten. Weder die Nachbarn noch die Gemeinden verfügten über ein uneingeschränktes Mitspracherecht, weshalb auch die Berufungsbehörde keine über das Mitspracherecht der Berufungswerber hinausgehenden Änderungen der erstinstanzlichen Entscheidung vornehmen dürfe. Den Nachbarn komme in Bezug auf die gegenständliche raumordnungsrechtliche Frage von vornherein keine Parteistellung zu. Die Nachbargemeinden hätten kein Mitspracherecht, weil sie im Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G 2000 auch Einwendung erheben müssten, widrigenfalls Präklusion eintrete, eine solche Einwendung aber wegen der fehlenden Gemeinderatsbeschlüsse nicht wirksam erhoben worden sei. Außerdem sei das Mitspracherecht der Nachbargemeinden an Voraussetzungen geknüpft und insoweit beschränkt, und es erstrecke sich nicht auf Widmungsvoraussetzungen im Gebiet anderer Gemeinden wie der Standortgemeinde. Auch Formalparteien seien von der Präklusionsregelung erfasst. Der Gesetzgeber könne eine vom AVG abweichende Regelung schaffen und Formalparteien hinsichtlich des Erhebens von Einwendungen und der Präklusion den Parteien mit subjektiv-öffentlichen Rechten ausdrücklich gleichstellen, also auch bei Organparteien den Fortbestand der Parteistellung an das Erheben von Einwendungen knüpfen. Vor diesem Hintergrund sei § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 zu sehen, der für einige Organparteien anordne, dass sie die öffentlichen Interessen "als subjektives Recht" im Verfahren geltend machen könnten. Gemäß § 35 Z. 6 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung obliege die Beschlussfassung von Stellungnahmen in UVP-Verfahren der Erledigung durch den Gemeinderat. Im vorliegenden Verfahren seien die Gemeinderatsbeschlüsse aber erst viele Monate später eingeholt worden, offenbar erst auf Grund von Nachfragen der Behörde erster Instanz. Voraussetzungen für die Ausübung einer Notkompetenz seien nicht vorgelegen. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei eine Handlung des Bürgermeisters ohne Deckung durch einen Gemeinderatsbeschluss unzulässig und im Außenverhältnis unwirksam. Das Mitspracherecht der Gemeinden sei auch durch § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 eingeschränkt. Es sei ihnen nur möglich, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienten, im Verfahren geltend zu machen, wobei die weitere Grundvoraussetzung gelte, dass sie von wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt betroffen sein könnten. Die bloße Wiedergabe der Zielsetzungen eines Materiengesetzes reiche jedoch nicht aus, die Umweltrelevanz einer darin enthaltenen Bestimmung zu belegen und damit die Geltendmachungsmöglichkeit zu begründen. Eine Berufung auf Vorschriften sei nur insoweit zulässig, als die jeweilige Norm einen umweltschützenden Aspekt aufweise. Dabei sei nicht auf ein Gesetz schlechthin abzustellen, sondern es sei die jeweilige einzelne Norm zu beurteilen. Die belangte Behörde habe die Umweltrelevanz der im gegenständlichen Verfahren als verletzt angesehenen Bestimmungen für die Nachbargemeinden nicht hinreichend konkretisiert. Irrelevant sei, dass sich für die Nachbargemeinden theoretisch eine Einschränkung der Entwicklungsfähigkeit ergeben könne. Die Frage, ob und inwieweit eine Nachbargemeinde in ihren künftigen Widmungsmöglichkeiten eingeschränkt sei, sei keine Genehmigungsvoraussetzung. Genehmigungsrelevanz könne allenfalls nur ein Widerspruch des Vorhabens zu aktuell geltenden raumordnungsrechtlichen Vorschriften haben. Aus den Verpflichtungen der Nachbargemeinden, bei künftigen Raumplanungsmaßnahmen das Vorhaben zu berücksichtigen, könne sich keine Parteistellung dieser Gemeinden ergeben. Die Frage, ob Windkraftanlagen nur auf entsprechend gewidmeten Flächen errichtet werden dürften, sei weder eine Rechtsvorschrift, die den von einer Nachbargemeinde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen diene, noch könne darin irgendeine Auswirkung auf die Umwelt der Nachbargemeinden erblickt werden. Es sei keine Rechtsvorschrift ersichtlich, wonach der Standort für die gegenständlichen Windkraftanlagen durch raumordnungsrechtliche Vorschriften verboten wäre. Die Flächenwidmung für Windparkanlagen erfolge in ganz Niederösterreich so wie im vorliegenden Fall. Nach dem Widmungsakt der Gemeinde seien bereits damals Windkraftanlagen mit 90 m Rotordurchmesser in Aussicht genommen gewesen. Sowohl die Gemeinde als auch die Aufsichtsbehörde hätten die Widmung als gesetzeskonform angesehen.

Wenn ein Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, sind gemäß § 3 Abs. 3 UVP-G 2000 die nach den bundes- oder landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften, auch soweit sie im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen materiellen Genehmigungsbestimmungen von der Behörde in einem konzentrierten Verfahren mitanzuwenden (konzentriertes Genehmigungsverfahren).

§ 19 UVP-G 2000 idF BGBl. I Nr. 87/2009 lautet auszugsweise:

"Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis

§ 19. (1) Parteistellung haben

1. Nachbarn/Nachbarinnen: Als Nachbarn/Nachbarinnen gelten Personen, die durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand des Vorhabens gefährdet oder belästigt oder deren dingliche Rechte im In- oder Ausland gefährdet werden könnten, sowie die Inhaber/Inhaberinnen von Einrichtungen, in denen sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen; als Nachbarn/Nachbarinnen gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe des Vorhabens aufhalten und nicht dinglich berechtigt sind; ...

2. die nach den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Parteien, soweit ihnen nicht bereits nach Z 1 Parteistellung zukommt;

5. Gemeinden gemäß Abs. 3;

...

(3) Der Umweltanwalt, die Standortgemeinde und die an diese unmittelbar angrenzenden österreichischen Gemeinden, die von wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt betroffen sein können, haben im Genehmigungsverfahren und im Verfahren nach § 20 Parteistellung. Sie sind berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

…"

Gemäß § 1 Abs. 3 Z. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 sind u.a. Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität, soweit sie einer elektrizitätsrechtlichen Genehmigung bedürfen, vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen.

§ 1 Abs. 3 Z. 6 des Niederösterreichischen Elektrizitätswesengesetzes 2005 normiert als Ziel dieses Gesetzes, die Bevölkerung und die Umwelt vor Gefährdungen und unzumutbaren Belästigungen durch Erzeugungsanlagen zu schützen.

Nachbarn sind gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz des Niederösterreichischen Elektrizitätswesengesetzes 2005 alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Erzeugungsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten.

Parteistellung im Genehmigungsverfahren haben gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 des Niederösterreichischen Elektrizitätswesengesetzes 2005 die Nachbarn hinsichtlich des Schutzes der gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 und 3 leg. cit.

wahrzunehmenden Interessen.

§ 11 des Niederösterreichischen

Elektrizitätswesengesetzes 2005 lautet auszugsweise:

"§ 11

Voraussetzungen für die Erteilung der

elektrizitätsrechtlichen Genehmigung

(1) Erzeugungsanlagen sind entsprechend dem Stand der Technik so zu errichten, zu ändern und zu betreiben, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage oder durch die Lagerung von Betriebsmitteln oder Rückständen und dergleichen

1. das Leben oder die Gesundheit des Betreibers der Erzeugungsanlage;

2. das Leben oder die Gesundheit oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn nicht gefährdet werden,

3. Nachbarn durch Lärm, Geruch, Erschütterung, Wärme, Schwingungen, Blendung oder in anderer Weise nicht unzumutbar belästigt werden,

4. die zum Einsatz gelangende Energie unter Bedachtnahme auf die Wirtschaftlichkeit effizient eingesetzt wird und

5. der Standort geeignet ist.

(2) Unter Gefährdungen im Sinne des Abs. 1 Z. 2 sind nur jene zu verstehen, die über solche hinausgehen, die von Bauwerken (z.B. Hochhäuser, Sendemasten, Windkraftanlagen) üblicherweise ausgehen. Unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des Abs. 1 Z. 2 ist die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.

(3) Ob Belästigungen im Sinne des Abs. 1 Z. 3 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Erzeugungsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

(4) Der Standort ist jedenfalls dann nicht geeignet, wenn das Errichten oder Betreiben der Erzeugungsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung durch raumordnungsrechtliche Vorschriften verboten ist, oder wenn die in § 56 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, begründeten öffentlichen Interessen wesentlich beeinträchtigt werden.

..."

§ 19 Abs. 2 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 listet die Widmungsarten auf, in die sich das Grünland gliedert, darunter "Windkraftanlagen" als Flächen für Anlagen zur Gewinnung elektrischer Energie aus Windkraft.

Windkraftanlagen dürfen gemäß § 19 Abs. 6 letzter Satz des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 nur auf solchen Flächen errichtet werden, die als Grünland-Windkraftanlagen im Flächenwidmungsplan gewidmet sind.

Gemäß § 14 Abs. 1 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 hat der Flächenwidmungsplan das Gemeindegebiet entsprechend den angestrebten Zielen zu gliedern und die Widmungsarten für alle Flächen festzulegen oder nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 leg. cit. kenntlich zu machen. Für übereinanderliegende Ebenen dürfen verschiedene Widmungsarten festgelegt werden.

Gemäß § 37 Abs. 1 erster Satz der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Dem Gemeinderat sind gemäß § 35 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. die Beschlussfassung von Stellungnahmen grundsätzlicher Art "(z.B. zu Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren)" zur selbständigen Erledigung vorbehalten.

Vorweg ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde ausschließlich darauf gestützt hat, dass die Rotorblätter der Windkraftanlagen auch Flächen überragen, die nicht als Grünland-Windkraftanlagen gewidmet sind. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher in diesem Lichte zu prüfen.

In der Sache ist die Auffassung der belangten Behörde zutreffend: Wie sich aus § 14 Abs. 1 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 ergibt, bezieht sich eine Flächenwidmung nicht nur auf den jeweiligen Erdboden, sondern auch auf den darüber und darunter liegenden Raum. Dies gilt auch für jene Widmungsbestimmungen, die an die festgelegten Grünland-Windkraftanlagenwidmungen angrenzen. Sollte dies etwa ab einer bestimmten Höhe nicht mehr gelten, bedürfte es einer ausdrücklichen Festlegung im Flächenwidmungsplan im Sinne des letzten Satzes des § 14 Abs. 1 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976. Die Auffassung der Beschwerdeführerin würde auch zu unsachlichen Ergebnissen führen, wenn nämlich Baulichkeiten, die nur an wenigen Stellen mit dem Boden verbunden sind, nur in diesen Berührungspunkten der Flächenwidmung entsprechen müssten und im Übrigen, gegebenenfalls auch nur geringfügig über dem Boden, andere Widmungsbereiche in Anspruch nehmen könnten (dazu, dass die Widmung "Windkraftanlagen" auch die von den Rotorblättern überschwenkten Bereiche umfassen muss, vgl. auch Hauer/Zaussinger , NÖ Baurecht, 7. Auflage, S. 1182 FN 41).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0262, ausgesprochen hat, besteht auch im Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G 2000 eine Befugnis der Berufungsbehörde, über die Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Bescheides abzusprechen, nur in jenem Umfang, in dem eine Partei eine Rechtsverletzung bei der Berufungsbehörde geltend machen kann.

Dazu ist im vorliegenden Fall festzuhalten, dass Nachbarn im Sinne des § 19 Abs. 1 Z. 1 und 2 UVP-G 2000 iVm § 10 Abs. 1 Z. 3 und § 11 Abs. 1 des Niederösterreichischen Elektrizitätswesengesetzes 2005 jedenfalls nicht befugt sind, die Einhaltung der Flächenwidmung als solche geltend zu machen. Die Berufungen dieser Nachbarn können die Vorgangsweise der belangten Behörde daher nicht rechtfertigen.

Anders verhält sich dies hinsichtlich der Nachbargemeinden. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0005, ausgesprochen hat, sind Rechtsvorschriften betreffend die Auswirkungen auf die Landschaft solche, die dem Schutz der Umwelt im Sinne des § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 dienen. Es ist nicht ersichtlich, dass die beiden Nachbargemeinden nicht von wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens in diesem Zusammenhang betroffen sein könnten. Auch in der Beschwerde wird nicht vorgebracht, dass eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes etwa im Hinblick auf die geographischen Verhältnisse (wie z.B. Berge zwischen dem Vorhaben und den Nachbargemeinden) auszuschließen wäre (vgl. dazu auch Baumgartner/Petek , UVP-G 2000, S. 206). Und für die Gestaltung der Landschaft ist die Raumordnung von besonderer Bedeutung. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind daher die Kriterien für eine Parteistellung der Nachbargemeinden im Sinne des § 19 Abs. 1 Z. 5 und Abs. 3 UVP-G 2000 jedenfalls erfüllt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine gesetzliche Regelung, wonach dem Gemeinderat bestimmte Akte vorbehalten sind, lediglich Wirkungen im Innenverhältnis, nicht aber im Außenverhältnis, wenn der Bürgermeister ausdrücklich zur Vertretung der Gemeinde im Außenverhältnis berufen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0166, mwN). Das Beschwerdevorbringen, dass die Nachbargemeinden mangels entsprechender Gemeinderatsbeschlüsse keine wirksamen Einwendungen erhoben hätten, geht daher ins Leere.

Zu bemerken ist allerdings, dass die Frage, ob die im § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 genannten Parteien als Formalparteien überhaupt der Präklusion unterliegen können, umstritten ist (vgl. ablehnend das - allerdings nicht zu § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 ergangene - hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/10/0002, und zumindest indirekt ebenfalls ablehnend den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 18.659; zu divergierenden Lehrmeinungen zu dieser Frage vgl. Schmelz/Schwarzer , UVP-G, S. 391 ff Rz 35 ff;

Baumgartner/Petek , aaO, S. 204 f;

Altenburger/Berger , UVP-G, 2. Auflage, S. 156 f;

Ennöckl/N. Raschauer , UVP-G, 2. Auflage, S. 207 f Rz 15 f).

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass sie von Amts wegen den Widerspruch zum Flächenwidmungsplan aufgreife. Zu bemerken ist allerdings, dass jedenfalls von der Marktgemeinde R bereits bei der mündlichen Verhandlung die nicht entsprechende Flächenwidmung vorgebracht und ein Widerspruch des Projekts zur Raumordnung eingewendet wurde, ebenso auch in der Berufung. Es erübrigt sich daher, im vorliegenden Fall darauf einzugehen, ob auch Formalparteien im Sinne des § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 der Präklusion unterliegen können und die belangte Behörde in einem Präklusionsfall gehindert gewesen wäre, den Widerspruch zur Flächenwidmung von Amts wegen aufzugreifen. Im Übrigen hat die Größe der Rotoren im hier gegebenen Fall verglichen mit der nach der Flächenwidmung zulässigen Größe jedenfalls auch Auswirkungen auf das Landschaftsbild, weshalb auch davon auszugehen ist, dass die Nachbargemeinden im Hinblick auf die raumordnungsrechtliche Zulässigkeit der Größe der Rotoren im Sinne des § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 jedenfalls ein Mitspracherecht haben.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am