VwGH vom 23.06.2009, 2006/13/0195
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1150 Wien, Ullmannstraße 54, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , RV/0440-W/03, betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum bis (mitbeteiligte Partei: M in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Das Kostenbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies das beschwerdeführende Finanzamt einen Antrag des Mitbeteiligten vom auf Gewährung der Familienbeihilfe für die am geborene Tochter Barbara für den Zeitraum vom "" bis "" ab (in dem diesem Antrag lt. Aktenlage zuordenbaren Schriftsatz vom - eingelangt beim beschwerdeführenden Finanzamt am - hatte der Mitbeteiligte unter Vorlage des letzten Diplomprüfungszeugnisses um Auszahlung der Familienbeihilfe für seine Tochter für die Monate April bis Juni 2002 ersucht).
Den Abweisungsbescheid begründete das beschwerdeführende Finanzamt dahingehend, dass § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 (Anspruch auf Familienbeihilfe für die Dauer von drei Monaten ab Abschluss der Berufsausbildung) nur dann zur Anwendung komme, wenn bis zum Abschluss der Berufsausbildung Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn der Anspruch auf Familienbeihilfe wegen Ablaufes der vorgesehenen Studienzeit bereits vor dem Abschluss des Studiums weggefallen sei. Da die Tochter ihr Studium "spätestens Februar 2002 abgeschlossen haben sollte", der tatsächliche Abschluss aber erst im April 2002 erfolgt sei, habe der Antrag abgewiesen werden müssen.
In der Berufung vom brachte der Mitbeteiligte vor, dass er den Abweisungsbescheid aus zwei Gründen bekämpfe. Einerseits habe seine Tochter ihr Studium "innerhalb der dreimonatigen Frist lt. § 2 FLAG beendet, nämlich am 12. April, das sind sechs Wochen nach dem 28. Februar" (es sei somit die Familienbeihilfe für die drei Monate März bis Mai 2002 auszuzahlen). Andererseits sei der "12. April" der letzte Prüfungstermin des Wintersemesters 2001/2002 gewesen, sodass keine Überschreitung der vorgesehenen Studienzeit vorliege. Es werde daher um Auszahlung der ausständigen Familienbeihilfe für drei Monate ersucht.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom nahm das beschwerdeführende Finanzamt Bezug auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, nach der eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen sei, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester (Toleranzsemester) überschritten werde. Nach § 2 Abs. 1 lit. d leg. cit. bestehe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 32 Abs. 3 Universitäts-Studiengesetz erstrecke sich die Wirkung der Meldung der Fortsetzung des Studiums für ein Semester bis zum Ende der Nachfrist (30. November bzw. 30. April) des unmittelbar darauf folgenden Semesters, sofern die Zulassung zum Studium noch nicht erloschen sei. Bei aufrechter Zulassung dürfe der Studierende daher bis zum Ende der Nachfrist zu Prüfungen antreten, ohne dass die Leistung des Studienbeitrages erforderlich sei. Würden in der Nachfrist Prüfungen erfolgreich abgelegt, bestehe - im Rahmen der vorgesehenen Studienzeit - bis längstens November bzw. April Anspruch auf die Familienbeihilfe.
§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 komme nur dann zur Anwendung, wenn bis zum Abschluss der Berufsausbildung Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Dies sei beispielsweise dann nicht der Fall, wenn der Anspruch auf die Familienbeihilfe wegen Ablaufes der vorgesehenen Studienzeit bereits vor Abschluss des Studiums weggefallen sei.
Die Tochter des Mitbeteiligten habe den ersten Studienabschnitt des kombinationspflichtigen Studiums Theaterwissenschaft/Deutsche Philologie innerhalb der vorgesehenen Studienzeit von fünf Semestern im Sommersemester 1999 abgeschlossen und folglich mit dem zweiten Studienabschnitt im Wintersemester 1999/2000 begonnen. Die für diesen Abschnitt vorgesehene Studienzeit einschließlich Toleranzsemester habe ebenfalls fünf Semester betragen. Demnach habe die vorgesehene Studienzeit mit Ablauf des Wintersemesters 2001/2002 geendet. Sie habe somit die letzte Prüfung des Studiums zwar innerhalb der Nachfrist ("Anerkennung der Prüfung ohne Fortsetzungsmeldung"), aber nach der vorgesehenen Studienzeit abgelegt. Daher sei der Anspruch auf Familienbeihilfe wegen Überschreitens der vorgesehenen Studienzeit ab März 2002 weggefallen.
Der Mitbeteiligte stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Wenn es eine Nachfrist für Prüfungen "gibt - im vorliegenden Fall bis -, dann kann der Anspruch auf Familienbeihilfe für ein fristgerecht (letzte Prüfung am 12. April) abgeschlossenes Studium (noch dazu: summa cum laude!) nicht vorher enden". Es werde daher um Auszahlung der ausständigen Familienbeihilfe für drei Monate ersucht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Der erstinstanzliche Bescheid wurde insoweit abgeändert, "als der Antrag auf Familienbeihilfe für Juni 2002 abgewiesen wird".
Strittig sei im Beschwerdefall, ob für die Tochter des Mitbeteiligten, die an der Universität Wien Germanistik und Theaterwissenschaft studiert habe, im Zeitraum 1. April bis Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zugestanden seien.
Sachverhaltsmäßig sei unbestritten, dass die Tochter die letzte Prüfung ihres Studiums innerhalb der "Nachfrist" abgelegt habe (das Zeugnis für die zweite Diplomprüfung der ersten Studienrichtung datiere vom ). Die vorgesehene Studienzeit sei dennoch um mehr als ein Semester pro Studienabschnitt überschritten worden, weil als Semesterende nur der Februar 2002 angesehen werden könne.
Das Finanzamt beziehe sich bei seiner abweisenden Entscheidung erkennbar auf "Abschn der FLAG-DR", wonach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 nur dann zur Anwendung komme, wenn bis zum Abschluss der Berufsausbildung Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe; dies sei beispielsweise dann nicht mehr der Fall, wenn der Anspruch auf die Familienbeihilfe wegen Ablaufes der vorgesehenen Studienzeit bereits vor Abschluss des Studiums weggefallen sei.
Für diese Rechtsmeinung spreche, dass nach der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 u.a. bei Universitätsstudien eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen sei, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten werde. Damit sei aber ab März 2002 keine Berufsausbildung iS des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 mehr vorgelegen, weshalb dem Finanzamt diesbezüglich keine Rechtswidrigkeit vorgeworfen werden könne.
Im Berufungsfall komme allerdings hinzu, dass das Studium "tatsächlich innerhalb der Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 abgeschlossen worden ist". Nach Ansicht der belangten Behörde stehe daher nur für März 2002 keine Familienbeihilfe zu. Ab April 2002 "lebt der Anspruch wieder auf und endet im Mai 2002, dem letzten der ab März zu berechnenden drei Monaten".
Die vom Finanzamt gegen diesen Bescheid gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde richtet sich gegen die Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Monate April und Mai 2002.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Der Mitbeteiligte brachte ebenfalls eine Gegenschrift ein. In dieser wies er u. a. darauf hin, dass seiner Ansicht nach bereits der Abweisungsbescheid des beschwerdeführenden Finanzamtes vom 2. (richtig wohl: 20.) Juni 2002 einen Fehler enthalte, wenn er die Gewährung der Familienbeihilfe "von bis " verweigere. In seiner Berufung vom habe er die Auszahlung für die Monate "März bis Mai 2002" gefordert (dies habe die belangte Behörde offenbar übersehen, zumal sie den erstinstanzlichen Bescheid insoweit abgeändert habe, "als der Antrag auf Familienbeihilfe für Juni 2002 abgewiesen wird"). Er beantrage die Auszahlung der Familienbeihilfe für drei Monate (März bis Mai 2002).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 23/1999) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert.
Nach der durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 269/1980 dem § 2 Abs. 1 FLAG 1967 angefügten lit. d (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 30/1998) steht Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung zu, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten. Nach den Gesetzesmaterialien (312 BlgNR 15.GP, 2f) sollte mit dieser Bestimmung (Weitergewährung der Familienbeihilfe für drei Monate) dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Kinder oft unmittelbar nach Beendigung der Berufsausbildung nicht ihre Berufstätigkeit aufnehmen können. Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d leg. cit. kommt beispielsweise bei einem vorzeitigen Abbruch der Berufsausbildung nicht zur Anwendung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 97/15/0111, und vom , 2003/13/0157).
Bei der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorgesehenen Studienzeit handelt es sich um Semester oder das Vielfache von Semestern (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0340, mwN). Dem angefochtenen Bescheid liegt die Sachverhaltsfeststellung zu Grunde, dass für die Tochter des Mitbeteiligten die nach § 2 Abs. 1 lit. b leg. cit. vorgesehene Studienzeit mit dem Wintersemester 2001/2002 Ende Februar 2002 auslief.
Der belangten Behörde kann zwar nicht darin gefolgt werden, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe wegen Ablegung der letzten Diplomprüfung innerhalb der Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 1 lit. d leg. cit. ab April 2002 wieder auflebte und mit Mai 2002 (dem letzten der ab März zu berechnenden drei Monate) endete, der angefochtene Bescheid erweist sich aber im Rahmen der Anfechtungserklärung des beschwerdeführenden Finanzamtes (Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Monate April und Mai 2002) dennoch nicht als rechtswidrig. Dass hochschulrechtlich die Ablegung der letzten Diplomprüfung noch dem Wintersemester 2001/2002 zuzurechnen war, bestreitet auch das beschwerdeführende Finanzamt nicht (in der Berufung vom wies der Mitbeteiligte unwidersprochen darauf hin, dass der der letzte Prüfungstermin des Wintersemesters 2001/2002 gewesen sei). Damit war aber von einem erfolgreichen Abschluss der Berufsaubildung iS des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 mit Ende des Wintersemesters 2001/2002 auszugehen, sodass der Dreimonatszeitraum des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 mit dem Ende dieses Semesters, somit ab März 2002 zu laufen begann und mit Mai 2002 endete. Damit stand dem Mitbeteiligten auch für die beiden beschwerdegegenständlichen Monate April und Mai 2002 Familienbeihilfe zu, sodass der angefochtene Bescheid diesbezüglich im Ergebnis nicht rechtswidrig ist. Über den Monat März 2002 liegt im Übrigen nach der Aktenlage noch kein Abspruch der Behörde vor.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der vom Mitbeteiligten beantragte Schriftsatzaufwand für die Gegenschrift war nicht zuzuerkennen, weil die Gegenschrift nicht durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) eingebracht wurde (vgl. § 48 Abs. 3 Z 2 VwGG idF BGBl. I Nr. 4/2008, sowie etwa Marzi/Unger, Der Kostenersatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2009/38, S. 352).
Wien, am