VwGH vom 17.04.2012, 2011/04/0201
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 19/IV, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. IIa-53028-11/1, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer im Instanzenzug die Gewerbeberechtigung für das "Gastgewerbe gemäß § 124 Z 8 GewO 1994 mit den Berechtigungen nach § 142 Abs. 2, beschränkt auf kleine Imbisse, Z 3 und 4 GewO 1994 in der Betriebsart Buffet, im Standort eingeschränkt auf den Bürobetrieb" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1994 entzogen.
Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, mit näher bezeichneten Beschlüssen des Landesgerichtes Innsbruck vom und vom sei jeweils der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Die diesbezüglichen Einträge schienen noch in der Insolvenzdatei auf.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde sodann im Wesentlichen aus, damit lägen die Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach den zitierten Gesetzesbestimmungen vor. Ein Absehen von der Entziehung im vorwiegenden Interesse der Gläubiger sei nicht mehr vorgesehen. Es werde jedoch auf die Möglichkeit eines Nachsichtsverfahren nach § 26 Abs. 2 GewO 1994 hingewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat am eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 Gewerbeordnung 1994 in der vorliegend maßgeblichen Fassung nach dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 (IRÄG 2010), BGBl. I Nr. 29/2010, und dem Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetz (IRÄ-BG), BGBl. I Nr. 58/2010, (GewO 1994) ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 bis 5 GewO 1994 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt.
Gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1994 sind Rechtsträger von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2 GewO 1994) ausgeschlossen, wenn das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben wurde (Z. 1) und der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist (Z. 2).
2. Bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1994 handelt es sich um eine gebundene Entscheidung; sie liegt nicht im Ermessen der Behörde. Anders als nach der Rechtslage vor dem IRÄG 2010 kann die Behörde - ausgenommen im Falle des Vorliegens einer Berechtigung zu Tätigkeiten der Versicherungsvermittler (vgl. § 87 Abs. 2 GewO 1994) - von der Entziehung der Gewerbeberechtigung auch dann nicht mehr absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/04/0199, mwN).
3. Im Beschwerdefall wird das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 3 GewO 1994 nicht bestritten. Die belangte Behörde ist daher im obigen Sinne zu Recht vom Vorliegen des Entziehungstatbestandes nach § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 ausgegangen.
4.1. Die Beschwerde hält dem im Wesentlichen entgegen, der Beschwerdeführer habe am den vom Landesgericht Innsbruck geforderten Kostenvorschuss erlegt und einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehe nichts mehr im Wege. Im Spätsommer 2011 habe der Beschwerdeführer bei einem einzigen sechstägigen Fest einen näher bezeichneten Betrag erwirtschaftet, sodass er (einer durch einen Wirtschaftsexperten vorgenommenen Prüfung der Fortführung des Betriebes zufolge) höchstwahrscheinlich in einer Zweijahresfrist 20 % der Gläubigerforderungen bezahlen könne.
Die Auffassung der belangten Behörde, ein Sanierungsverfahren könne vorliegend nur mehr im Wege einer Nachsicht nach § 26 GewO 1994 berücksichtigt werden, widerspreche den Intentionen des Gesetzgebers der Insolvenzordnung in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2010 (IO). Dieser habe mit dem Sanierungsverfahren eine Betriebsschließung vermeiden wollen sowie jedenfalls eine monatelange Verzögerung der Betriebsfortführung durch die Gewerbebehörde auf Grund eines nachfolgenden und separaten Nachsichtverfahrens verhindern wollen.
In der mündlichen Verhandlung verweist der Beschwerdeführer darauf, durch die Vorgangsweise der belangten Behörde entstünde ein gravierender Widerspruch zu den Zielsetzungen der IO und des darin vorgesehenen Sanierungsverfahrens. Wenn nämlich der Sanierungswerber bzw. Insolvenzschuldner die gerichtliche Bewilligung eines Sanierungsverfahrens erhalte, aber gewerbebehördlich keine Bewilligung bekomme, den Betrieb fortzuführen, würden sich "diese zwei Systeme" blockieren. Auch sei die belangte Behörde der Auffassung gewesen, sie sei an gerichtliche Beschlüsse nicht gebunden, und zwar auch dann nicht, wenn das Insolvenzgericht die Sanierung bewillige.
4.2. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, einen Kostenvorschuss (offenbar gemeint nach § 71a IO) erlegt zu haben, eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens (wie behauptet in Form eines Sanierungsverfahrens; vgl. die §§ 166 ff IO) vor Erlassung des angefochtenen Bescheides behauptet er jedoch nicht.
Damit liegt der vom Beschwerdeführer behauptete Widerspruch zwischen der IO und der GewO 1994 nicht vor: In jenen Fällen, in denen das Insolvenzgericht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bewilligt hat, besteht ein solcher Widerspruch schon deshalb nicht, weil in diesem Fall die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1994 nicht vorliegen. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, sei es in Form eines Sanierungsverfahrens, sei es in Form eines Konkursverfahrens, bildet nämlich (abgesehen vom Gewerbe der Versicherungsvermittler: vgl. § 13 Abs. 4 GewO 1994 sowie damit korrespondierend § 87 Abs. 2 GewO 1994) weiterhin keinen Gewerbeausschlussgrund nach § 13 Abs. 3 GewO 1994 (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung3 (2011), 308).
Vielmehr verlangt die GewO 1994 für eine Entziehung, dass das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben wurde (§ 13 Abs. 3 Z. 1 GewO 1994). Der Beschwerdefall zeichnet sich gerade dadurch aus, dass ein Insolvenzverfahren - wie die von der belangten Behörde angeführten Beschlüsse des Insolvenzgerichts vom und vom zeigen - bereits zweimal mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet wurde.
Klarzustellen ist im vorliegenden Zusammenhang auch, dass sehr wohl eine Bindung der Gewerbebehörden an Beschlüsse des Insolvenzgerichts besteht. Zum einen dahin, dass es sich - wie oben ausgeführt - bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1994 um eine gebundene Entscheidung handelt.
Zum anderen dahin, dass ein gerichtlicher Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Gewerbebehörde bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides von Amts wegen zu beachten ist: Eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 66 ff IO) vor Erlassung des Entziehungsbescheides hat nämlich zur Folge, dass die Gewerbebehörde nicht mehr vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung nach § 13 Abs. 3 Z. 1 GewO 1994 ausgehen darf. Vielmehr steht eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens einer Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 entgegen, was von der Gewerbebehörde von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. das zur Rechtslage vor dem IRÄG 2010 und IRÄ-BG ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0177; vgl. zur Möglichkeit der Einsicht in die Insolvenzdatei auch durch die Behörde §§ 2, 74 iVm § 256 Abs. 1 IO).
Da im Beschwerdefall - ausgehend von den Feststellungen im angefochtenen Bescheid und dem Vorbringen in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre, begegnet die vorliegend ausgesprochene Entziehung keinen Bedenken.
Zu dem in der mündlichen Verhandlung zur wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens des Beschwerdeführers und zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers erstatteten Vorbringen ist auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot zu verweisen.
Zur vorgebrachten positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens des Beschwerdeführers ist jedoch anzumerken, dass der Gesetzgeber zu der vorliegend maßgeblichen Fassung des Entziehungstatbestandes nach § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1994 klargestellt hat, dass das Verfahren zur Entziehung der Gewerbeberechtigung bei Insolvenzen mit der Novelle BGBl. I Nr. 29/2010 vereinfacht werden sollte. Den Fällen, in denen der Schuldner seine Insolvenzsituation wieder bereinigen könne und daher eine Fortsetzung der Gewerbeausübung zu rechtfertigen sei, werde durch die in § 26 bestehende Möglichkeit der Nachsicht Rechnung getragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/04/0199, mit Verweis auf die Erläuterungen zur Neufassung des § 87 Abs. 2 GewO 1994 in Artikel 9 des IRÄG 2010 in RV 612 BlgNR 24. GP, S. 44). Nachträgliche (das heißt nach Erlassung des Entziehungsbescheides eintretende) Änderungen sind durch die Gewerbebehörde im Falle einer neuerlichen Gewerbeanmeldung daher wie folgt zu berücksichtigen: eine nachträgliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hätte zur Folge, dass die Gewerbebehörde nicht mehr vom Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 13 Abs. 3 GewO 1994 ausgehen dürfte. Eine nachträgliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ohne eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre im Rahmen eines Nachsichtsverfahrens nach § 26 Abs. 2 GewO 1994 durch die Gewerbebehörde zu berücksichtigen. Ein weiteres Zuwarten der Gewerbebehörde mit der Erlassung eines Entziehungsbescheides bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1994 würde dagegen dem oben angesprochenen Willen des Gesetzgebers widersprechen, wollte dieser doch aus Gründen des Gläubigerschutzes eine rasche und einfache Entscheidung der Gewerbebehörden ermöglichen.
5. Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am