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VwGH vom 02.02.2012, 2011/04/0192

VwGH vom 02.02.2012, 2011/04/0192

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Dr. Josef Lechner, Dr. Ewald Wirleitner, Mag. Claudia Oberlindober, Dr. Hubert Niedermayr und Mag. Harald Gursch, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Ge(Wi)-221135/1-2011-Nb, betreffend Widerruf des gewerberechtlichen Geschäftsführers, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine juristische Person und Inhaberin der Gewerbeberechtigung "Erzeugung von Transportbeton". Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom erfolgte der Widerruf der Bestellung des F.M. zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin.

In der Zustellverfügung dieses Bescheides ist als Empfänger (ausschließlich) der gewerberechtliche Geschäftsführer "Herr F.M.

z. Hd. Rechtsanwaltskanzlei …., Dr. Josef L. (Adresse folgt)" angeführt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Zustellverfügung des erstinstanzlichen Bescheides sei zu entnehmen, dass Adressat dieses Bescheides der gewerberechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei. Aus § 63 Abs. 4 und 5 AVG gehe hervor, dass das Recht auf Berufung den Parteien des Verfahrens zustehe, die durch den Bescheid beschwert seien. Da der Bescheid nicht an die Beschwerdeführerin ergangen sei, entfalte dieser ihr gegenüber keine Rechtswirkung, sodass die Beschwerdeführerin durch den Bescheid weder beschwert noch berufungslegitimiert sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin bekämpft die Rechtsansicht der belangten Behörde, es komme ihr im vorliegenden Fall keine Berufungslegitimation zu. Sie bringt dazu im Wesentlichen vor, die Rechtsmittellegitimation gegen den Widerruf der Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer stehe sowohl dem Gewerbeinhaber (gegenständlich somit der Beschwerdeführerin) als auch dem gewerberechtlichen Geschäftsführer zu, und zwar unabhängig davon, wem von beiden der Bescheid zugestellt worden sei. Eine Zustellung an die Beschwerdeführerin (als juristische Person) könne nur durch Zustellung an die vertretungsbefugte Person erfolgen. Da Herr F.M. eine Doppelfunktion bekleide, weil er nicht nur gewerberechtlicher Geschäftsführer, sondern auch die zur Vertretung der Beschwerdeführerin nach außen berufene Person sei (nach dem mit der Beschwerde vorgelegten Firmenbuchauszug ist er handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin), sei der erstinstanzliche Bescheid durch die Zustellung an F.M. auch gegenüber der Beschwerdeführerin erlassen worden. Selbst wenn nämlich mit der Zustellverfügung eine Zustellung nur an F.M. (persönlich) beabsichtigt gewesen sein sollte, so sei ihm dieser Bescheid auch in seiner Funktion als Geschäftsführer tatsächlich zugekommen, wodurch die Zustellung auch gegenüber der Beschwerdeführerin bewirkt worden sei.

Die maßgebenden Bestimmungen der GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 lauten:

"§ 91. (1) Beziehen sich die im § 87 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 oder im § 88 Abs. 1 genannten Entziehungsgründe auf die Person des Geschäftsführers oder Filialgeschäftsführers, so hat die Behörde (§ 361) die Bestellung des Geschäftsführers oder Filialgeschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes zu widerrufen. In diesen Fällen gilt § 9 Abs. 2 nicht.

§ 361. …

(3) Gegen Maßnahmen gemäß § 91 Abs. 1 steht das Recht der Berufung sowohl dem Gewerbeinhaber als auch dem Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer zu."

Zutreffend ist zunächst, dass die Beschwerdeführerin als Gewerbeinhaberin durch den Widerruf der Bestellung ihres gewerberechtlichen Geschäftsführers in ihren rechtlichen Interessen betroffen ist und daher Parteistellung im Verfahren gemäß § 91 Abs. 1 GewO 1994 hat. § 361 Abs. 3 GewO 1994 sieht ausdrücklich vor, dass dem Gewerbeinhaber auch das Recht der Berufung gegen den nach § 91 Abs. 1 GewO 1994 ergangenen Widerrufsbescheid zusteht (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/04/0078, und vom , Zl. 2009/04/0173).

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Berufungslegitimation der Beschwerdeführerin verneint, weil dieser der erstinstanzliche Bescheid nicht zugestellt worden sei, was in der Beschwerde, wie dargelegt, bestritten wird. Der belangten Behörde ist zu entgegnen, dass es gegenständlich für die Frage der Berufungslegitimation der Beschwerdeführerin nicht darauf ankommt, ob dieser der erstinstanzliche Bescheid zugestellt wurde, weil das vorliegende Verfahren (in dem, wie erwähnt, nicht nur dem Gewerbeinhaber, sondern auch dem gewerberechtlichen Geschäftsführer Parteistellung zukommt) ein Mehrparteienverfahren darstellt, sodass der Bescheid bereits ab seinem rechtlichen Existentwerden, somit ab Zustellung gegenüber einer der Parteien, mit Berufung bekämpft werden kann (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 105 zu § 63 AVG referierte Judikatur).

Entscheidend ist daher im vorliegenden Fall, ob der erstinstanzliche Bescheid durch Zustellung an zumindest eine der Parteien rechtliche Existenz erlangt hat, wovon nach Ausweis der Verwaltungsakten auszugehen ist: Zwar wurde dieser Bescheid nach seiner Zustellverfügung und dem zugehörigen Zustellnachweis an den Geschäftsführer "Herrn F.M. zu Handen" des dort bezeichneten Zustellbevollmächtigten zugestellt, obwohl es nach der Aktenlage keine Hinweise auf eine von F.M. erteilte Zustellvollmacht gibt (vielmehr betrifft die am bei der belangten Behörde eingelangte Vollmachtsbekanntgabe ausschließlich die Beschwerdeführerin). Die Beschwerde bringt aber, ohne dass dies als unzulässige Neuerung zu werten wäre (zu dieser Frage wurde im Verwaltungsverfahren das Parteiengehör nicht eingeräumt), vor, dass der erstinstanzliche Bescheid dem gewerberechtlichen und gleichzeitig handelsrechtlichen Geschäftsführer F.M. tatsächlich zugekommen ist. Daher ist gemäß § 7 ZustG von der Heilung des Zustellmangels (unzutreffende Anführung eines Zustellbevollmächtigten des F.M.) auszugehen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, E 21 zu § 7 ZustG, und die dort referierte Judikatur), sodass die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Geschäftsführer F.M. rechtswirksam erfolgte.

Da der Beschwerdeführerin nach dem Gesagten jedenfalls bereits mit der rechtswirksamen Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides gegenüber einer Partei das Recht zukam, gegen diesen Bescheid Berufung zu erheben, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am