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VwGH vom 27.04.2020, Ra 2019/17/0119

VwGH vom 27.04.2020, Ra 2019/17/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des E J in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-S-2717/001-2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Die Vorschreibung der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG in Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufhoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde von der Fortführung eines gegen den Revisionswerber wegen einer angelasteten Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens abgesehen und gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG die Einstellung desselben verfügt. Begründend führte die belangte Behörde aus, laut Anzeige habe anlässlich der Kontrolle nach dem GSpG am beim gegenständlichen Eingriffsgegenstand kein Testspiel durchgeführt werden können, weil das Gerät nicht habe hochgefahren werden können. Die Beamten der Polizeiinspektion G. hätten außerdem am lediglich festgestellt, dass ein Glücksspielautomat und ein Wettautomat aufgestellt und in Betrieb gewesen seien. Es hätten keine Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen festgestellt werden können, weswegen von einer Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen gewesen sei.

2 Gegen diesen Bescheid erhob das Finanzamt G. M., welches die Anzeige gegen den Revisionswerber als Verdächtigen erstattet hatte, als Partei gemäß § 50 Abs. 5 GSpG Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG dieser Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - insofern Folge, als es den Spruch des angefochtenen Einstellungsbescheides behob und durch den Spruch ersetzte, dass der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ gemäß § 9 Abs. 1 VStG einer näher genannten GesmbH, die Betreiberin einer näher bezeichneten Tankstelle sei, zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft von bis im Tankstellenshop mit einem näher bezeichneten Gerät verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Der Revisionswerber habe dadurch § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall iVm § 52 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 1 und § 2 Abs. 2 und § 2 Abs. 4 GSpG verletzt. Das LVwG verhängte über ihn eine Geldstrafe sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe. Weiters setzte es die verwaltungsbehördlichen Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG fest (Spruchpunkt 1.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 2.).

4 Dagegen richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Liegen - wie im vorliegenden Fall - in der angefochtenen Entscheidung trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. dazu etwa , mwN). 9 Zunächst ist zum Zulässigkeitsvorbringen der

gegenständlichen Revision festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall jedenfalls im Ergebnis nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C- 390/12.

10 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie , Rn. 24 ff, und ).

11 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revision kann sich das GSpG weiters selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung - nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. , 0460; , Ra 2017/17/0947). Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen.

12 Wenn der Revisionswerber in den Zulässigkeitsgründen darüber hinaus vorbringt, es sei weder vom beschwerdeführenden Finanzamt noch von der belangten Behörde ein Antrag auf Bestrafung des Revisionswerbers gestellt worden, weshalb das LVwG nicht berechtigt gewesen sei, die gegenständliche Strafe über ihn zu verhängen, wird damit ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von der das Schicksal der Revision abhinge, aufgezeigt:

Das vor dem LVwG beschwerdeführende Finanzamt hat - nach Ausweis der Verwaltungsakten - am wegen des Verdachtes der verfahrensgegenständlichen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG Anzeige gegen den Revisionswerber erstattet. In dieser Anzeige wurde entgegen dem Revisionsvorbringen der explizite Antrag auf Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens sowie auf Bestrafung des Revisionswerbers wegen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung gestellt. Gemäß § 50 Abs. 5 GSpG war das Finanzamt als Formalpartei dazu berechtigt, gegen den das Verfahren einstellenden Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde Beschwerde an das LVwG zu erheben. Von diesem Recht hat das Finanzamt auch Gebrauch gemacht, und in der an das LVwG erhobenen Beschwerde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es aus den dort näher genannten Gründen weiterhin der rechtlichen Auffassung sei, der Revisionswerber habe die gegenständliche Verwaltungsübertretung zu verantworten. Gemäß § 50 VwGVG bzw. schon nach Art. 130 Abs. 4 B-VG besteht die Pflicht der Verwaltungsgerichte, in Verwaltungsstrafsachen (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. z.B. auch ); Sache des Verfahrens war dabei im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage gegenständlich (auch) die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines staatlichen Strafanspruches gegen den Betreffenden. Dass das LVwG vor diesem Hintergrund im Revisionsfall mit der Verhängung einer Strafe über den Revisionswerber von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, wird durch das Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht aufgezeigt; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist daher in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. 13 Dasselbe gilt für das weitere Zulässigkeitsvorbringen, das LVwG habe die "Sache" des Beschwerdeverfahrens überschritten, weil sich der Tatzeitraum in der Verfahrenseinstellung im Bescheid der belangten Behörde nur auf den Zeitpunkt der "Amtshandlung vom um 7.40 Uhr" bezogen habe. Zwar bringt der Revisionswerber zunächst zutreffend vor, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung, ist, sowie, dass ein Austausch der Tat durch das Verwaltungsgericht durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu z.B. , mwN). Dabei übersieht der Revisionswerber jedoch, dass ihm, wie auch die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung vorbringt, bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom , dem Revisionswerber (nach Ausweis der Verwaltungsakten) zugestellt am , der vom LVwG herangezogene Zeitraum ( bis ) als Tatzeitraum vorgeworfen worden war, sodass das LVwG infolge einer gültigen Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist zur Heranziehung des betreffenden Zeitraumes als Tatzeitraum im angefochtenen Erkenntnis berechtigt war.

14 Wenn der Revisionswerber schließlich zur Zulässigkeit der Revision auch vorbringt, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht und in diesem Zusammenhang Mängel in der Beweiswürdigung geltend macht, so gelingt es ihm im Hinblick auf die vom LVwG getroffenen Feststellungen und die durchgeführte Beweiswürdigung nicht, aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung in einer die Rechtsicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt sei (vgl. für viele etwa ; , Ra 2019/17/0007).

15 Auch darüber hinaus wirft das Zulässigkeitsvorbringen der Revision, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Erkenntnisses richtet, keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insoweit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Hinsichtlich des weiteren Zulässigkeitsvorbringens, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur erstmaligen Vorschreibung der Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG, erweist sich die Revision jedoch als zulässig und begründet.

17 Der Verwaltungsgerichthof hat bereits ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht nicht berechtigt ist, erstmals Kosten für das erstinstanzliche Verfahren vorzuschreiben. Eine Kostenvorschreibung durch das Verwaltungsgericht im Rahmen einer sinngemäßen Anwendung der Bestimmungen § 64 Abs. 1 und 2 VStG iSd § 38 VwGVG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kostenvorschreibung durch das Verwaltungsgericht in § 52 VwGVG abschließend geregelt ist (vgl. , mwN).

18 Die in Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses enthaltene Vorschreibung der Kosten des Strafverfahrens der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben. 19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170119.L00

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