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VwGH vom 26.06.2007, 2006/13/0103

VwGH vom 26.06.2007, 2006/13/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Trefil LL.M., über die Beschwerde des Dr. P in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Wirtschaftsprüfer in 1090 Wien, Berggasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2004- W/05, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom ersuchte der Beschwerdeführer, den von ihm mit rd. EUR 380.000,-- ("exkl. Aussetzungszinsen etc.") bezifferten Abgabenrückstand dergestalt nachzusehen, dass lediglich ein Pauschalbetrag von EUR 75.000,-- zu entrichten sei. Hiezu brachte der Beschwerdeführer vor, dass er im 49. Lebensjahr stehe und seit Abschluss seines Medizinstudiums am Institut für Medizinische Chemie - derzeit als außerordentlicher Universitätsprofessor - tätig sei. Sein Nettogehalt inklusive Kollegiengelder belaufe sich auf rd. EUR 3.000,-- pro Monat. Hinzu komme ein weiteres Einkommen von EUR 2.500,-- netto monatlich, das er für die "Validierung von labormedizinischen Befunden" erhalte. Dabei handle es sich jedoch wegen jederzeitiger Kündbarkeit des Vertragsverhältnisses nicht um eine gesicherte Einkunftsquelle. Außerdem sei im Hinblick auf die mit dieser Zusatztätigkeit verbundene starke physische Belastung nicht abzusehen, wie lange diese Tätigkeit noch verrichtet werden könne. Was das Einkommen von Seiten der Universität anlange, so sei mit einem Wegfall der Kollegiengelder zu rechnen, weshalb es insofern zu einer Einkommensreduktion um ca. EUR 500,-- pro Monat kommen werde. Dem so umschriebenen Einkommen stünden Sorgepflichten für eine Ehefrau und zwei minderjährige Töchter (13 und 14 Jahre alt) gegenüber. Eigenes Vermögen, auf das zurückgegriffen werden könne, besitze er (Beschwerdeführer) nicht, den angebotenen Pauschalbetrag würde er mittels Kreditfinanzierung aufbringen.

In der gegen den sein Nachsichtsansuchen abweisenden Bescheid des Finanzamtes erhobenen Berufung präzisierte der Beschwerdeführer, dass zwischen dem Abgabenrückstand und seinem Einkommen eine so gravierende Diskrepanz bestehe, dass eine Bezahlung der Abgabenschuld "nicht denkmöglich" erscheine. Hiezu brachte er in der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde ergänzend vor, dass ihm vom Dekan der medizinischen Fakultät eine Untersagung seiner Nebentätigkeit angedroht worden sei. Von seinen Gehaltsbezügen wären jedoch pro Jahr bloß ca. EUR 10.000,-- pfändbar, wodurch nicht einmal die Zinsen abgedeckt werden würden. Selbst die Tilgung des Rückstandes (im Fall der Nichtbelastung mit Zinsen) würde ca. 45 Jahre dauern.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem bekämpften Bescheid als unbegründet ab. Ausgehend vom monatlichen Nettoeinkommen des Beschwerdeführers (2004 habe dies rd. EUR 6.000,-- betragen) wäre ihm eine monatliche Ratenzahlung von zumindest EUR 3.000,-- möglich, was eine Abstattung der Abgabenverbindlichkeiten in rd. 12 Jahren erlauben würde. Im Hinblick darauf liege eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung - eine sachlich bedingte Unbilligkeit sei von vornherein nicht behauptet worden - nicht vor, jedenfalls aber komme eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers, der keinen ernsthaften Zahlungswillen erkennen lasse und andere Gläubiger bevorzugt habe, nicht in Betracht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtwerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Eine "sachliche" Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2005/13/0176, und aus letzter Zeit das hg. Erkenntnis vom , 2003/13/0062).

Im vorliegenden Fall ist, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, von vornherein nur an eine "persönliche Unbilligkeit" zu denken. Auch das Beschwerdevorbringen geht, soweit es sich auf das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit bezieht, allein in diese Richtung und lässt sich insgesamt dahin zusammenfassen, dass der Beschwerdeführer zur Begleichung des (richtig) mit rd. EUR 450.000,-- anzusetzenden Abgabenrückstandes unter Berücksichtigung seiner Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Ehefrau und Kindern lediglich monatliche Ratenzahlungen in Höhe von EUR 2.000,-- leisten könne, womit nicht einmal die gegebenenfalls anfallenden Stundungszinsen abgedeckt werden könnten. Selbst unter Zugrundelegung der Entrichtung höherer Monatsraten würde sich eine unangemessen lange Tilgungszeit ergeben. Zudem sei davon auszugehen, dass sich das Nettoeinkommen des Beschwerdeführers in Bälde deutlich verringern werde.

Dem ist wie folgt zu entgegnen: Was zunächst die leistbaren monatlichen Ratenzahlungen anlangt, so geht der Beschwerdeführer selbst von einem Nettoeinkommen von (derzeit) rd. EUR 6.000,-- pro Monat aus. Seine daran anschließenden Berechnungen bezüglich des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau (die selbst ein, wenn auch vergleichsweise nur geringes Einkommen bezieht) und der Kinder sind indes - unabhängig von der Frage der Richtigkeit dieser Berechnungen - insoweit von nur theoretischer Natur, als nicht dargetan wurde, dass ein entsprechender Unterhaltsbetrag, zumal in Geld, auch tatsächlich eingefordert wird. Davon ausgehend und jedenfalls in Anbetracht des deutlich über dem Durchschnitt liegenden Einkommens des Beschwerdeführers erscheint die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könne (zumindest) die Hälfte seines Nettoeinkommens zur Schuldentilgung heranziehen, somit nicht unschlüssig. Erachtet man demnach monatliche Ratenzahlungen in Höhe von EUR 3.000,-- als möglich, so käme es aber auch nach Ansicht des Beschwerdeführers zu einer laufenden Reduktion seines Abgabenrückstandes. Dass die Tilgungszeit, nach den Berechnungen in der Beschwerde, in diesem Fall rd. 23 Jahre betragen würde, vermag noch keine persönliche Unbilligkeit zu begründen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass sich seine persönliche Leistungsfähigkeit in nächster Zeit, jedenfalls aber mit Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters in 15 Jahren, wesentlich reduzieren werde, ist darauf hinzuweisen, dass bei der Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen stets die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu berücksichtigen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 99/14/0315). Allfälligen zukünftigen wesentlichen Änderungen in der Einkommenssituation des Beschwerdeführers könnte durch einen neuen Antrag nach § 236 Abs. 1 BAO Rechnung getragen werden.

Erweist sich nach dem Gesagten das zur Unbilligkeit erstattete Beschwerdevorbringen als nicht stichhältig, so braucht auf weitere Ausführungen, die bloß in eventu angestellten behördlichen Überlegungen zur Ermessensübung betreffend, nicht eingegangen zu werden. Was jedoch den grundsätzlichen Vorwurf anlangt, die belangte Behörde habe den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht beachtet, weil "offenbar a priori geplant war, die Berufung abzuweisen und die Berufungsverhandlung quasi nur als Formalakt seitens der Berufungsbehörde angesehen" worden sei, so geht das schon deshalb fehl, weil das in der Berufungsverhandlung erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers im bekämpften Bescheid ausdrücklich Erwähnung findet und daher von einer die Verhandlungsergebnisse nicht berücksichtigenden "vorgefassten Entscheidung" nicht die Rede sein kann.

Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde damit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am