VwGH 18.09.2013, 2011/03/0231
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | TKG 2003 §74; TKG 2003 §81; |
RS 1 | Im Verfahren zur Bewilligung der Errichtung und des Betriebs einer Funkanlage nach § 74 TKG 2003 ist auch zu prüfen, ob dem Antrag eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit - von wem immer - oder die Gefahr von Sachschäden entgegen steht (Hinweis E vom , 2001/05/0031). Besteht eine derartige Gefährdung und kann ihr auch nicht durch Vorschreibung von Auflagen begegnet werden, ist der Antrag abzuweisen; ansonsten ist ihm stattzugeben. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2011/03/0226 E RS 2 |
Normen | |
RS 2 | Bei der nach den §§ 73 und 81 Abs 6 TKG 2003 der Behörde übertragenen Hintanhaltung von Gefährdungen handelt es sich um die Wahrnehmung öffentlicher Interessen, die von der Behörde von Amts wegen zu prüfen sind. Ein subjektives Recht von Dritten im räumlichen Nahebereich der Anlage, dass die Behörde die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben im Rahmen des Verfahrens nach § 74 TKG 2003 wahrnimmt, besteht jedoch nicht (Hinweis E vom , 2004/03/0100, E vom , 2006/03/0054, E vom , 2005/03/0232, und E vom , 2008/03/0055). Daran ändert der Umstand, dass in einem Verfahren zur Genehmigung von Endkundenentgelten nach § 45 Abs 1 TKG 2003 explizit "nur der Antragsteller" Parteistellung hat, während eine solche Klarstellung hinsichtlich des in Rede stehenden Bewilligungsverfahrens fehlt, nichts. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2011/03/0226 E RS 3
(hier: ohne den letzten Satz) |
Normen | |
RS 3 | Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs 7 AVG - sowie auch auf Grund des Wortes "können" in § 68 Abs 4 AVG - ergibt, steht auf die Ausübung des der Behörde nach § 68 Abs 2 bis 4 AVG eingeräumten Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zu (Hinweis E vom , 2012/02/0291, E vom , 2012/09/0093, E vom , 2012/05/0017, E vom , 2001/03/0379, E vom , 96/07/0038, alle mwH). Dass die Wahrnehmung dieser Aufsichts-Befugnisse nicht im "Belieben" der Behörde steht, sondern ihr dabei Ermessen zukommt (wobei insbesondere zwischen der Schwere des Fehlers bzw der Auswirkung des Bescheides einerseits, und dem Prinzip der Rechtssicherheit andererseits, abzuwägen ist, Hinweis E vom , 2012/05/0017, mwH), vermag daran nichts zu ändern. |
Normen | |
RS 4 | Anders als das FTEG 2002, das im Wesentlichen Regelungen über das In-Verkehr-Bringen von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen trifft und die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes über die Inbetriebnahme und den Betrieb unberührt lässt (§ 11 Abs 2 FTEG 2002), knüpfen die Regelungen des TKG 2003 über das Bewilligungsverfahren hinsichtlich der Errichtung und des Betriebs von Funkanlagen maßgeblich an den (beabsichtigten) Standort der konkreten Funkanlage an. Dieser Standort bestimmt die örtliche Zuständigkeit für das Bewilligungsverfahren nach § 81 Abs 1 iVm § 74 TKG 2003. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2011/03/0226 E RS 5 |
Normen | |
RS 5 | Greift die Berufungsbehörde die örtliche Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht auf, sondern erledigt sie die Berufung meritorisch, so belastet sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (Hinweis E , 87/04/0003). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/07/0118 E VwSlg 16981 A/2006 RS 5 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der E V in G, vertreten durch Dr. Robert Steiner, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Ortenburgerstraße 4, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT-630.331/0008- III/PT2/2011, betreffend Parteistellung in einem Verfahren nach dem TKG 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
A. Mit einem an das Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten gerichteten Schreiben vom beantragte die beschwerdeführende Partei die Zustellung des fernmeldebehördlichen Bewilligungsbescheides und die nachträgliche Zuerkennung der Parteistellung im fernmeldebehördlichen Bewilligungsverfahren auf Grundlage der §§ 74, 81 TKG 2003 betreffend eine am Standort Parz Nr 1846/3 KG G Nr 75102 errichtete und in Betrieb genommene Mobilfunksendeanlage; ihr rechtliches Interesse bestehe vor allem betreffend den Schutz ihrer Gesundheit, der Gesundheit ihrer Familienangehörigen sowie ihres Eigentums. Nach § 81 Abs 6 des Telekommunikationsgesetzes 2003, BGBl I Nr 70/2003 (TKG 2003) könnten Bewilligungsbescheide gemäß §§ 75, 76 und 77 Nebenbestimmungen enthalten; mit Bedingungen und Auflagen könnten Verpflichtungen auferlegt werden, deren Einhaltung insbesondere nach den Umständen des Falles für den Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen und zur Vermeidung von Sachschäden geboten erschienen.
Diese Anträge wurden vom Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom auf dem Boden der §§ 74 ff, 81 ff TKG 2003 zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete Berufung wurde von der belangten Bundesministerin nach §§ 73 und 81 ff TKG 2003 iVm §§ 8 und 66 Abs 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Ferner wurde der in der Berufung gestellte Antrag auf Nichtigerklärung des Erstbescheides gemäß § 66 Abs 4 AVG zurückgewiesen.
B. Über die dagegen gerichtete, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde in einen nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht sowohl hinsichtlich des maßgebenden Sachverhalts als auch bezüglich der relevanten Rechtslage jenem Fall, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2011/03/0226, zugrunde liegt. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen.
Dort wurde insbesondere festgehalten, dass im Verfahren zur Bewilligung der Errichtung und des Betriebs einer Funkanlage nach § 74 TKG 2003 zu prüfen ist, ob dem Antrag eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit (von wem immer) oder die Gefahr von Sachschäden entgegensteht. Besteht eine derartige Gefährdung und kann ihr auch nicht durch Vorschreibung von Auflagen begegnet werden, ist der Antrag abzuweisen, ansonsten ist ihm stattzugeben. Bei dieser der Behörde übertragenen Hintanhaltung von Gefährdungen handelt es sich aber (entgegen der Beschwerde) um die Wahrnehmung öffentlicher Interessen, die von der zur Bewilligung zuständigen Behörde von Amts wegen zu prüfen sind. Ein subjektives Recht von Dritten im räumlichen Nahebereich der Anlage, dass die Behörde die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben im Rahmen des Verfahrens nach § 74 TKG 2003 wahrnimmt, besteht nicht. Damit kam der beschwerdeführenden Partei im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung für Errichtung und Betrieb der gegenständlichen Funkanlage keine Parteistellung zu.
2. Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs 7 AVG - sowie auch auf Grund des Wortes "können" in § 68 Abs 4 AVG - ergibt, steht auf die Ausübung des der Behörde nach § 68 Abs 2 bis 4 AVG eingeräumten Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zu (vgl aus der ständigen Rechtsprechung etwa , , , , , alle mwH). Dass die Wahrnehmung dieser Aufsichts-Befugnisse nicht im "Belieben" der Behörde steht, sondern ihr dabei Ermessen zukommt (wobei insbesondere zwischen der Schwere des Fehlers bzw der Auswirkung des Bescheides einerseits, und dem Prinzip der Rechtssicherheit andererseits, abzuwägen ist, vgl , mwH), vermag daran nichts zu ändern. Soweit die belangte Behörde den in der Berufung gestellten Antrag nach § 68 AVG auf Behebung des Erstbescheides (weil der Erstbescheid von der unzuständigen Behörde erlassen worden sei) gemäß § 68 Abs 4 AVG zurückwies, dringt die Beschwerde ebenfalls nicht durch.
3. Dennoch ist der Beschwerde - die ua rügt, dass die belangte Behörde die geltend gemachte Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht aufgegriffen habe - im Ergebnis zielführend. Auch die belangte Behörde stellt nicht in Frage, dass die in Rede stehende, von der beschwerdeführenden Partei in ihrem Antrag vom August 2011 genannte Funkanlage im örtlichen Wirkungsbereich des Fernmeldebüros für Steiermark und Kärnten betrieben wird. Aus dem zitierten Erkenntnis 2011/03/0226 ergibt sich, dass der beabsichtigte Betriebsstandort einer Funkanlage grundsätzlich die örtliche Zuständigkeit für das Bewilligungsverfahren nach § 81 Abs 1 iVm § 74 TKG 2003 betreffend Errichtung und Betrieb bestimmt. Für das Bewilligungsverfahren, in dem die beschwerdeführende Partei mit ihrem Antrag Parteistellung zuerkannt haben wollte, war also das von ihr angerufene Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten zuständig.
4. In dem die belangte Behörde die derart gegebene Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht aufgegriffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §1; AVG §66 Abs4 impl; AVG §66 Abs4; AVG §68 Abs2; AVG §68 Abs3; AVG §68 Abs4; AVG §68 Abs7; AVG §8; FTEG 2002 §11 Abs2; TKG 2003 §45 Abs3; TKG 2003 §73; TKG 2003 §74; TKG 2003 §81 Abs1; TKG 2003 §81 Abs6; TKG 2003 §81; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
Schlagworte | Ermessen VwRallg8 Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Besondere Rechtsgebiete Diverses örtliche Zuständigkeit Verfahrensbestimmungen Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2011030231.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAE-83754