VwGH vom 25.05.2011, 2006/13/0023

VwGH vom 25.05.2011, 2006/13/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der B AG in W, vertreten durch die Eidos Deloitte Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in 1013 Wien, Renngasse 1/Freyung, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/584-W/03, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 1. Jänner bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im September 1996 gewährte die beschwerdeführende Bausparkasse Kunden beim Abschluss von Bausparverträgen im Rahmen einer Werbeaktion unter dem Titel "Aktion - erste Monatsrate gratis" die Gutschrift der ersten Monatsrate (bei jährlicher Einzahlung: eines Zwölftels der Einzugssumme) bis zu einem bestimmten Höchstbetrag. Die Gutschrift wurde nur Kunden gewährt, die noch nicht Vertragsinhaber eines prämienbegünstigten Vertrages waren, und war zu stornieren, wenn der Vertrag vorzeitig gekündigt wurde oder bei Kündigung nach Ablauf der Vertragsdauer das Guthaben eine bestimmte Höhe nicht erreicht hatte. Dem Kunden

wurde mitgeteilt, er bekomme "die erste Monatsrate ... geschenkt".

Der Betrag werde "auf" seinen Bausparvertrag "überwiesen", werde bei vorzeitiger Vertragsauflösung oder "Nicht-Einhaltung der gewählten Sparleistung" aber "rückgerechnet". Mit seinem Bausparvertrag nütze er "die ertragreichste Sparform".

Strittig ist im vorliegenden Verfahren, ob die im Jahr 1996 im Zuge dieser Aktion gutgebuchten Gratisraten als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 93 Abs. 4 Z 1 iVm § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 der Kapitalertragsteuer unterliegen, für deren Abfuhr die Beschwerdeführerin haftet.

Die belangte Behörde bejahte dies im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen mit dem Argument, es handle sich bei den gutgebuchten Gratisraten gegenüber den von den Bausparern einbezahlten Kapitalbeträgen um nominelle Mehrbeträge, die aus der Sicht der Bausparer eine zusätzliche Verzinsung des eingesetzten Kapitals bedeuteten, und diese Beträge seien den Bausparern im Jahr der Gutschriften zugeflossen. Dadurch, dass es unter bestimmten Bedingungen zu einer Rückzahlung kommen könne, ändere sich an diesem Zeitpunkt des Zuflusses nichts.

Die verfahrensgegenständliche Konstruktion könne "auch" mit einem sogenannten Damnum (Darlehensabgeld, Disagio) verglichen werden, bei dem jeweils zu Jahresende das angesparte Nominale und die Zinsen gutgeschrieben würden, während der Vertragsdauer aber mehr Kapital verzinst und bei Vertragsende mehr Kapital zurückgezahlt werde, als eingezahlt worden sei. Ein solches Abgeld sei den Früchten des Kapitals zuzurechnen, auch wenn sich dadurch eine mehr als marktübliche Verzinsung ergeben würde. Es handle sich, wirtschaftlich betrachtet, um eine zusätzliche Verzinsung der getätigten Einlagen. Einer solchen Konstruktion sei die von der Beschwerdeführerin gewählte ähnlicher als den von ihr ins Treffen geführten Beispielen eines Treuebonus oder einer Sperrbonifikation. Soweit die Beschwerdeführerin schließlich noch auf deutsche Judikatur verwiesen habe, wonach bei einem Emissionsdisagio, das lediglich die Feineinstellung des Zinses bewirken solle, der Charakter als Nutzungsentgelt nicht in den Vordergrund trete und ein solches Disagio nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen führe, sei ihr zu erwidern, dass eine entsprechende betragliche Grenze in § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 nicht normiert sei. Die Gutschriften des Jahres 1996 seien daher als besondere Entgelte und Vorteile im Sinne der genannten Bestimmung steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen, weshalb die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung insoweit abzuweisen sei. Stattzugeben sei ihr bezüglich der Einbeziehung von Gutschriften des Jahres 1997 in den den Zeitraum 1. Jänner bis betreffenden Bescheid durch das Finanzamt.

In ihrer Beschwerde gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerdeführerin primär gegen die Ansicht der belangten Behörde, die gutgeschriebenen Gratisraten seien Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Gratisraten seien "als Incentive für den Abschluss eines Bausparvertrages" gewährt worden und "als Entgelt für den Vertragsabschluss und dessen ordnungsgemäße Erfüllung" und nicht als "Frucht für die Überlassung des Kapitals" anzusehen. Sie seien "Teil des Kapitalstammes", von dem es "völlig irrelevant" sei, woher er komme. Analog zur Gewährung eines Treuebonus für das Nichtveräußern von Aktien bzw. deren Belassen in einem bestimmten Depot sei die Gratisrate jeweils "auch ein Entgelt für das Unterlassen einer vorzeitigen Kündigung des Bausparvertrages bzw. (in gewissem Ausmaß) einer Reduktion der monatlichen Sparleistung". Eine Ähnlichkeit bestehe auch im Verhältnis zum Emissionsabschlag bei Aktienemissionen.

Kapitalertragsteuerpflichtige Einkünfte lägen in diesen Fällen nicht vor.

Der Argumentation der belangten Behörde hält die Beschwerdeführerin - nach Ausführungen betreffend deutsche Judikatur zu Sperrbonifikationen, Treueaktien u.dgl. - im Wesentlichen entgegen, es sei denkbar, dass das auflösend bedingte Entgelt für den Vertragsabschluss zu den Einkünften im Sinne des § 29 Z 3 EStG 1988 zähle, kapitalertragsteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen lägen aber jedenfalls nicht vor. Es fehle, entgegen der Ansicht der belangten Behörde, auch an einem nominellen Mehrbetrag. Die Gratisrate sei "dem Bausparer in einer logischen Sekunde vor der Einlagengewährung als (mit einer Bedingung verbundenes) Incentive zugeflossen", und dieses "zuvor zugeflossene" Entgelt lege der Bausparer "sodann auf das Bausparkonto ein". Die von der belangten Behörde angenommene Vergleichbarkeit mit einem Damnum sei nicht gegeben, weil ein solches eine unter der üblichen Marktrendite liegende Nominalverzinsung ausgleiche, während die Verzinsung im vorliegenden Fall völlig marktkonform gewesen sei. Folge man hingegen der Ansicht der belangten Behörde in diesem Punkt, so seien "die Überlegungen des deutschen BFH einschlägig", wonach bei der Gewährung eines Emissionsdisagios Abschläge in der Höhe bestimmter vom BFH erwähnter Prozentsätze "als nicht ins Gewicht fallend" anzusehen seien und in diesen Fällen keine Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlägen. Im vorliegenden Fall liege der Abschlag bei maximal 1,39 % der gesamten Sparleistung, weshalb er im Sinne der Rechtsprechung des BFH nicht ins Gewicht falle.

Hilfsweise macht die Beschwerdeführerin auch geltend, ein Damnum fließe nach herrschender Auffassung über die Laufzeit des Darlehens verteilt zu, weshalb es jedenfalls rechtswidrig sei, die "im Jahr 1996 gewährten Gratisraten" zur Gänze diesem Jahr zuzuordnen.

In einem letzten Abschnitt der Beschwerde kritisiert die Beschwerdeführerin noch die Ausführungen der belangten Behörde über die mangelnde Vergleichbarkeit des Treuebonus und das Unterbleiben einer näheren Auseinandersetzung der belangten Behörde mit deutscher Rechtsprechung. Im Zusammenhang mit der Annahme nicht ins Gewicht fallender Abschläge hält die Beschwerde dabei dem Argument der belangten Behörde, das EStG 1988 sehe keine entsprechende betragliche Grenze vor, entgegen, dies sei "zwar korrekt", treffe aber "auch auf die deutsche Rechtslage zu".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in Abs. 1 der Bestimmung bezeichneten Einkünften - im vorliegenden Fall der Verzinsung der Einlagen - oder an deren Stelle gewährt werden, "z.B. Sachleistungen, Boni und zusätzliche Zinserträge aus Wertpapierkostgeschäften, weiters nominelle Mehrbeträge auf Grund einer Wertsicherung".

Gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 erster Satz EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabewert eines Wertpapiers und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert, "wenn diese 2 % des Wertpapiernominales übersteigen".

Nach § 93 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 sind auch besondere Entgelte und Vorteile im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kapitalertragsteuerpflichtig. Diese Kapitalerträge gelten für Zwecke der Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 4 Z 4 erster Satz EStG 1988 nach Maßgabe des § 19 EStG 1988 als zugeflossen.

Im vorliegenden Fall kamen zu den Zinsen, die die Beschwerdeführerin für die Zurverfügungstellung von Kapital vereinbarungsgemäß zu entrichten hatte, die strittigen Beträge hinzu, deren Gutschrift jeweils (zur Gänze) schon im Jahr 1996 erfolgte. Durch die auflösenden Bedingungen, an die diese Gutschriften geknüpft waren, war ihre Gewährung mit der Zurverfügungstellung von Kapital durch die Kunden der Beschwerdeführerin so eng verknüpft, dass der Ansicht der Beschwerdeführerin, es habe sich um ein davon zu trennendes Entgelt für andere Verhaltensweisen gehandelt, sodass es schon an einem nominellen Mehrbetrag fehle, nicht gefolgt werden kann. Soweit die Beschwerdeführerin von einem Entgelt "für den Vertragsabschluss und dessen ordnungsgemäße Erfüllung" spricht, kann damit aber auch nichts anderes gemeint sein als eben die Zurverfügungstellung von Kapital.

Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass beim Abschluss derartiger Verträge die Subsumtion gewährter Vorteile unter § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 in jedem Einzelfall davon abhängt, ob die Zuwendung wirtschaftlich gesehen die gleiche Funktion wie die Zinsen erfüllt und daher "neben" diese tritt. Als eines der Beispiele dafür nennt das Gesetz nominelle Mehrbeträge nur soweit sie "auf Grund einer Wertsicherung" gewährt werden. Der Ansicht der belangten Behörde, auch Mehrbeträge, die unabhängig von einer Wertsicherung und (wie im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin geltend gemacht) neben marktüblichen Zinsen gewährt würden, kämen als "besondere Entgelte oder Vorteile" im Sinne des Gesetzes in Betracht, ist aber beizupflichten, weil die beispielsweise Erwähnung (sogar) bloß wertsichernder Mehrbeträge keine gegenteilige Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck bringt.

Entscheidend ist daher, dass die Werbeaktion der Beschwerdeführerin das angestrebte Ziel, Neukunden zu gewinnen, durch eine Modifikation des Verhältnisses zwischen dem vom Kunden zur Verfügung zu stellenden Kapital und den dafür insgesamt - in Bezug auf die strittigen Beträge durch die auflösende Bedingung an die Zurverfügungstellung des Kapitals gebundenen - versprochenen finanziellen Leistungen der Beschwerdeführerin zu erreichen suchte. Bei einer derartigen Ausgestaltung der Aktion ist davon auszugehen, dass die strittigen Beträge den durch die Verzinsung des Kapitals zu erlangenden Vorteil aus seiner Zurverfügungstellung erhöhten und somit "neben" die Zinsen traten.

Was die Bezugnahme auf die Einstufung bestimmter Abschläge als geringfügig anlangt, so verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit Recht auf die prozentuelle Begrenzung lediglich in § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988. Die ausdrückliche Anordnung einer solchen Begrenzung nur für einen bestimmten Fall durch den Gesetzgeber steht der Anwendung eines solchen Kalküls auf einen, wie im vorliegenden Fall, unter § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 zu subsumierenden Vorteil von vornherein entgegen.

Der Beschwerde ist aber auch in Bezug auf das hilfsweise Argument, die Beträge seien nicht zur Gänze im Jahr 1996 zugeflossen, nicht zu folgen. Wenn die Beschwerdeführerin die Aktion so gestaltete, dass die Beträge den Kunden schon in diesem Jahr zur Gänze gutgeschrieben wurden, so handelte es sich bei ihnen, wie die Beschwerdeführerin selbst formuliert, um die "im Jahr 1996 gewährten Gratisraten", die den Kunden auch in diesem Jahr nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 EStG 1988 zuflossen. Die Vergleichbarkeit der Beträge mit einem Damnum in Bezug auf die wirtschaftliche Funktion im Leistungsaustausch ändert daran nichts.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am