VwGH vom 27.03.2014, 2013/10/0244

VwGH vom 27.03.2014, 2013/10/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des H S in G, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 24, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-BL-12-0014, betreffend Übertretungen des NÖ Naturschutzgesetzes 2000 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (der Erstbehörde) vom wurden über den Beschwerdeführer wegen Übertretungen des § 36 Abs. 1 Z. 31 NÖ Naturschutzgesetz 2000 - NÖ NSchG 2000 zwei Geldstrafen von jeweils EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 72 Stunden) verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende (beim Verwaltungsgerichtshof am eingelangte) Beschwerde.

Das nunmehr an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (vgl. Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG idF Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51) hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

2. Die Beschwerde bringt unter anderem - unter Hinweis auf § 51 Abs. 7 VStG - vor, die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung sei am bei der Erstbehörde eingelangt. Der angefochtene Bescheid sei in der mündlichen Berufungsverhandlung (am ) nicht verkündet worden.

Da der angefochtene Bescheid erst am rechtswirksam zugestellt worden sei, sei das erstbehördliche Straferkenntnis am außer Kraft getreten. Die (am erfolgte) gesetzlich nicht mehr vorgesehene Faxübermittlung des angefochtenen Bescheides sei unwirksam.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

3.1. § 51 VStG in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 33/2013 lautet - auszugsweise - wie folgt:

"5. Abschnitt: Rechtsschutz durch unabhängige

Verwaltungssenate

Berufung

§ 51. (...)

(7) Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Berufung des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen. In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft oder beim Gericht anhängig ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union."

3.2. Maßgebend für die Wahrung der Frist durch den UVS ist die Erlassung des Bescheides, welche einerseits durch mündliche Verkündung in der Verhandlung (vgl. § 51h Abs. 4 letzter Satz VStG) oder aber durch Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides erfolgen kann; in letzterem Fall genügt zur Wahrung der Frist auch die Zustellung des Bescheides an die Behörde erster Instanz (vgl. etwa die bei M.Köhler in N.Raschauer/W.Wessely , VStG § 51 Rz 21 wiedergegebene hg. Judikatur).

3.3. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich Folgendes:

Die mit datierte Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstbehördliche Straferkenntnis wurde nach dem Akteninhalt am selben Tag um 17:14 Uhr per E-Mail an die Erstbehörde versendet. Aus dem gesamten Akt ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Sendung nicht an diesem Tag von einem Server, den die Erstbehörde für die Empfangnahme von an sie gerichteten E-Mail-Sendungen gewählt hat, empfangen wurde und daher bei dieser Behörde eingelangt ist (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur das Erkenntnis vom , Zl. 2010/10/0258). In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am wurde der angefochtene Bescheid nicht verkündet; vielmehr wurde den Parteien die schriftliche Ausfertigung angekündigt.

Der vorliegend angefochtene Bescheid wurde am gefertigt; am selben Tag wurde der angefochtene Bescheid in Form von (einfachen) Faxsendungen sowohl an die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers als auch an die Erstbehörde übermittelt.

Am langte der Verwaltungsakt samt Ausfertigung des angefochtenen Bescheides bei der Erstbehörde ein, welche unter einem von der belangten Behörde ersucht wurde, eine Ausfertigung der Berufungsentscheidung zu Handen der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers "nachweislich zuzustellen".

Diese Zustellung erfolgte am durch Übergabe einer schriftlichen Ausfertigung an einen Bevollmächtigten der Beschwerdeführer-Vertreterin "für RSb-Briefe" (Rückschein auf Blatt 42 des erstbehördlichen Aktes).

3.4. Davon ausgehend endete die 15-monatige Frist des § 51 Abs. 7 VStG am . Die bereits vorher an die Erstbehörde und die Beschwerdeführer-Vertreterin erfolgte Übermittlung des angefochtenen Bescheides per Telefax bewirkte (insbesondere weil keine Anhaltspunkte für die Verwendung einer Amtssignatur im Sinn des § 19 E-Government-Gesetz vorliegen) keine rechtswirksame Zustellung des Bescheides (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/22/0126, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

Der angefochtene Bescheid wurde somit erst nach Ablauf der Frist gemäß § 51 Abs. 7 VStG - durch seine Zustellung an die Erstbehörde am - erlassen.

Entscheidet aber die Berufungsbehörde über ein wegen Ablauf der 15-monatigen Frist des § 51 Abs. 7 VStG außer Kraft getretenes erstbehördliches Straferkenntnis, so belastet sie dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0305, mwN).

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am