VwGH vom 26.04.2011, 2011/03/0017
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2011/03/0018 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der W GmbH in W, vertreten durch Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom , Zl 611.074/0001- BKS/2007, betreffend Zulassung zur Veranstaltung eines Hörfunkprogramms (weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am schrieb die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) gemäß § 13 Abs 1 Z 1 iVm § 13 Abs 2 Privatradiogesetz, BGBl I Nr 20/2001 idF BGBl I Nr 97/2004 (PrR-G), das Versorgungsgebiet "O" mit den Übertragungskapazitäten "KI 2 (Sberg) 107,5 MHz", "KR (Gberg) 106,6 MHz" und "S 2 (Wwald) 102,6 MHz" aus. In der Ausschreibung wurde festgelegt, dass Anträge auf Zuordnung der Übertragungskapazitäten zu einem bestehenden Versorgungsgebiet oder auf Zulassung zur Veranstaltung von Hörfunk im ausgeschriebenen Versorgungsgebiet bis spätestens , 13.00 Uhr, bei der KommAustria einzulangen hätten.
Erst am langte bei der KommAustria ein Schriftsatz der beschwerdeführenden Partei, vertreten durch die Beschwerdeführervertreterin, ein, mit dem diese die Erteilung einer Zulassung zur Veranstaltung von Hörfunk im ausgeschriebenen Versorgungsgebiet, hilfsweise die Zuordnung dieser Übertragungskapazitäten zu ihrem bestehenden Versorgungsgebiet "ST; SA und SAA" beantragte. Zugleich stellte sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist, den sie im Wesentlichen damit begründete, eine Kanzleiangestellte der Beschwerdeführervertreterin habe die Zulassungsanträge versehentlich nicht rechtzeitig an die KommAustria abgesandt.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig und den Zulassungsantrag als verspätet zurück.
In der Begründung ihrer Entscheidung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die in § 13 Abs 2 PrR-G geregelte Frist sei materiell-rechtlicher Natur, weshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist nicht zulässig sei. Nach der Konzeption des PrR-G könne Hörfunkveranstalter grundsätzlich jeder österreichische Staatsbürger und jede juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts mit Sitz im Inland sein, welche die im PrR-G näher geregelten Voraussetzungen erfülle und von der Regulierungsbehörde zugelassen werde. Sie müsse einen Antrag stellen, der bei der Ausschreibung von Übertragungskapazitäten gemäß § 13 Abs 2 PrR-G innerhalb der von der Regulierungsbehörde zu bestimmenden, mindestens zweimonatigen Frist zu stellen sei. Halte der Antragsteller diese Frist - den Antragstermin - nicht ein, verliere er seinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Zulassung als Hörfunkveranstalter für das konkrete Versorgungsgebiet. Insoweit sei die Situation des Antragstellers nach dem PrR-G (ua) mit jener eines Bieters nach dem Bundesvergabegesetz, der innerhalb der Angebotsfrist anzubieten habe, vergleichbar. Auch in diesem Fall würde der Anbieter seinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Teilnahme am Vergabeverfahren bei Fristversäumnis verlieren. Dass - wie die beschwerdeführende Partei argumentiere - im vorliegenden Fall bereits ein "Ausschreibungsverfahren" anhängig gewesen und die Frist des § 13 Abs 2 PrR -G daher "in einem Verfahren" gelaufen wäre, sei nicht richtig. Das konkrete Verfahren mit der beschwerdeführenden Partei wäre nämlich erst mit einem fristgerechten Antrag ausgelöst worden. Dass - auf Grund des Scheiterns der Wiedereinsetzung - der hier zu beurteilende Antrag auf Erteilung einer Zulassung zur Veranstaltung von Hörfunk im ausgeschriebenen Versorgungsgebiet verspätet gewesen sei, bezweifle die beschwerdeführende Partei nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 71 Abs 1 AVG kann gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, unter näher bestimmten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gegen die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist zulässig; gegen die Versäumung einer (nur) materiell-rechtlichen Frist kommt die Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG nicht in Betracht (vgl etwa Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 (2009), 325, mwN; Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 12 f mit Hinweisen auf die hg Rechtsprechung).
2. Die beschwerdeführende Partei bestreitet nicht, dass sie die im vorliegenden Fall nach § 13 Abs 2 PrR-G gesetzte Frist versäumt hat. Sie wendet sich aber gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, diese Frist sei materiell-rechtlicher Natur, weshalb eine Wiedereinsetzung gegen ihre Versäumung nicht zulässig sei.
3. Die Unterscheidung zwischen verfahrensrechtlichen (prozessualen) und materiell-rechtlichen Fristen wird in der Rechtsprechung wie folgt getroffen:
Soll eine Handlung prozessuale Rechtswirkungen auslösen (Verfahrenshandlung), dann stellen die dafür gesetzten Fristen verfahrensrechtliche (formelle) Fristen dar; ist eine Handlung hingegen auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so stellt eine allenfalls dafür vorgesehene Frist eine materiellrechtliche Frist dar. Die Wertung einer Frist als materiellrechtliche muss vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden; im Zweifel ist von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2003/04/0138, mwN; Hengstschläger/Leeb, AVG § 32 Rz 3f; Thienel/Schulev-Steindl, aaO, 139f).
4.1. Gemäß § 5 Abs 1 PrR-G können Anträge auf Erteilung einer Zulassung jederzeit, sofern nicht § 13 leg cit zur Anwendung kommt, bei der Regulierungsbehörde eingebracht werden.
Nach § 13 Abs 2 PrR-G hat die Regulierungsbehörde die verfügbaren Übertragungskapazitäten - in näher präzisierter Weise -
auszuschreiben und dabei eine mindestens zweimonatige Frist zu bestimmen, innerhalb derer Anträge auf Zuordnung der Übertragungskapazität zu einem bestehenden Versorgungsgebiet oder auf Zulassung zur Veranstaltung von Hörfunk im ausgeschriebenen Versorgungsgebiet nach diesem Bundesgesetz gestellt werden können.
4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits erkannt, dass bei einer Ausschreibung von Übertragungskapazitäten - wie im vorliegenden Fall - ein nach Ablauf der Bewerbungsfrist gestellter Antrag nicht mehr zu berücksichtigen ist. Ebenso sind nach Ablauf der Bewerbungsfrist wesentliche Änderungen von Anträgen nicht mehr zulässig (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2002/04/0148).
4.3. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des PrR-G (401 BlgNR 21. GP, 20) findet sich kein Hinweis auf die Rechtsnatur der Frist ("Zu § 13: Die Bestimmung legt fest, wann eine Ausschreibung zu erfolgen hat und in welcher Form"). Zur - in Bezug auf die Frist gleichlautenden - Vorgängerbestimmung des § 18 Regionalradiogesetz, BGBl Nr 506/1993, wurde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1134 BlgNR 18. GP, 14) festgehalten, dass "die einzelnen Zulassungen … nach dem Muster einer öffentlichen Ausschreibung zu vergeben" sind. Daraus lässt sich erkennen, dass der Gesetzgeber - unbeschadet der Besonderheiten des im privaten Rundfunkrecht vorgesehenen Regelungen - die Ausschreibung der Sendelizenzen nach dem Vorbild des öffentlichen Vergaberechts beabsichtigt hat.
Für das öffentliche Vergaberecht ist - nach früher uneinheitlicher Sichtweise (vgl dazu etwa Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2002 (2004), § 46 Rz 14 und die unter Fn 28 dargestellte Entscheidungspraxis) - mittlerweile klargestellt, dass die Fristen im Vergabeverfahren materiell-rechtlicher Natur sind; davon sind prozessuale Fristen zur Einleitung bzw im Zuge eines Vergabekontrollverfahrens zu unterscheiden (vgl etwa L. Bauer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 20062 (2009), § 60 Rz 2).
4.4. Ausgehend davon kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Ausschreibungsfrist des § 13 Abs 2 PrR-G - insbesondere unter Berücksichtigung der oben dargestellten gesetzgeberischen Absichten - als eine materiellrechtliche qualifizierte. Hält ein Bewerber diese Frist nicht ein, verliert er nach der gesetzlichen Konzeption selbst bei Erfüllung aller sonstigen im PrR-G geforderten Voraussetzungen den Anspruch, die ausgeschriebene Übertragungskapazität zugeordnet zu erhalten bzw zur Veranstaltung von Hörfunk im ausgeschriebenen Versorgungsgebiet zugelassen zu werden. Insofern ist mit der Versäumung der nach § 13 Abs 2 PrR-G gesetzten Frist der Verlust eines materiell-rechtlichen Anspruchs verbunden. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist ist daher unzulässig. Deshalb war es auch richtig, den verspäteten Zulassungsantrag (im Instanzenzug) zurückzuweisen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am