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VwGH vom 11.12.2019, Ra 2019/13/0108

VwGH vom 11.12.2019, Ra 2019/13/0108

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103095/2019, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 (mitbeteiligte Partei:

E GmbH in K, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Betriebsgegenstand der mitbeteiligten GmbH ist - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts - die Herstellung von Glas und Glaswaren; sie betreibt auch Forschung.

2 Am wurde die Körperschaftsteuererklärung für 2017 beim Finanzamt elektronisch eingebracht; das Kästchen betreffend Geltendmachung der Forschungsprämie wurde nicht ausgewählt (angekreuzt). Der Körperschaftsteuerbescheid wurde am erlassen; am trat die Rechtskraft ein.

3 Am forderte die Mitbeteiligte das als Voraussetzung für die Gewährung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung erforderliche Gutachten bei der Forschungsförderungsgesellschaft mbH im Wege von FinanzOnline an. Dieses Gutachten wurde am erstellt und der Mitbeteiligten sowie dem Finanzamt elektronisch übermittelt. Am unterfertigte die Mitbeteiligte das Formular "Antrag zur Geltendmachung" der Forschungsprämie für 2017 und reichte es beim Finanzamt ein.

4 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die "Eingabe vom betreffend Antrag zur Geltendmachung" einer Forschungsprämie für 2017 zurück. Begründend führte das Finanzamt aus, gemäß § 108c Abs. 3 EStG 1988 könnten Prämien erst nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres geltend gemacht werden, spätestens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Körperschaftsteuerbescheides. Es bestünden keine Bedenken, eine Prämie trotz verspäteter Geltendmachung zu berücksichtigen, wenn für das Finanzamt unzweifelhaft erkennbar (ergänze: gewesen) sei, dass die Prämie in Anspruch genommen werden solle. Dem Finanzamt lägen keine Unterlagen vor, aus denen unzweifelhaft geschlossen werden könnte, dass zwar eine Prämie habe beantragt werden sollen, aber übersehen worden sei, das entsprechende Formular zu übermitteln.

5 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht - nach abweisender Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt und Vorlageantrag der mitbeteiligten Partei - der Beschwerde Folge und behob den Bescheid des Finanzamts (ersatzlos). Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht nach Wiedergabe des eingangs dargestellten Sachverhalts im Wesentlichen aus, aus den Bestimmungen des § 108c EStG 1988 sowie der § 198 und 201 BAO gehe hervor, dass dann, wenn ein Bescheid über eine Forschungsprämie zu erlassen sei, dies ein Abgabenbescheid zu sein habe. Der angefochtene Bescheid sei jedoch kein Abgabenbescheid. Richtigerweise wäre bei Nichtgewährung einer Forschungsprämie ein Bescheid nach § 201 BAO (Festsetzung mit 0 EUR) zu erlassen gewesen. Da ein Bescheid zur Zurückweisung eines Antrages auf eine Prämie, welche als Abgabe gelte, vom Verwaltungsgericht nicht in einen Abgabenbescheid abgeändert werden dürfe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.

9 Die Revision ist zulässig, da - wie in der Revision aufgezeigt - keine (ausdrückliche) Judikatur zur Frage vorliegt, ob "ein unzulässiger Antrag auf Forschungsprämie nicht formal zurückzuweisen ist"; sie ist aber nicht begründet.

10 § 108c Abs. 3 und 4 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 118/2015) lautet auszugsweise:

"(3) Die Prämien können erst nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres geltend gemacht werden, spätestens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides (§ 188 der Bundesabgabenordnung).

(4) Die Prämien sind auf dem Abgabenkonto gut zu schreiben, es sei denn, es ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Antragstellung zurück. Sowohl die Prämien als auch Rückforderungsansprüche gelten als Abgabe vom Einkommen im Sinne der Bundesabgabenordnung. Auf Gutschriften und Rückforderungen sind jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten. (...)"

11 § 201 BAO (idF BGBl. I Nr. 70/2013) lautet:

"§ 201. (1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

(2) Die Festsetzung kann erfolgen,

1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des

selbstberechneten Betrages,

2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab

Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird

oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,

5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,

1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von

einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.

(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen."

12 Das Verfahren betreffend die Forschungsprämie ist - wie etwa auch jenes betreffend Investitionszuwachsprämie (vgl. hiezu ; , 2009/15/0160) - ein eigenständiges Verfahren. Es wird erst mit der Geltendmachung der Prämie in Gang gesetzt, wobei die Bezeichnung dieses Vorgangs als "Antrag" (vgl. , VwSlg. 8162/F, und nun auch den Ausdruck "Antragstellung" in der hier maßgeblichen Fassung des § 108c Abs. 4 EStG 1988) nichts daran ändert, dass es sich um eine Selbstbemessung handelt.

13 § 108c Abs. 4 EStG 1988 sieht als Handlungsalternativen für das Finanzamt lediglich vor, entweder die geltend gemachten Prämien auf dem Abgabenkonto gut zu schreiben (mit Wirkung des Tages der Antragstellung) oder einen Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen.

14 Die (allfällige) bescheidmäßige Festsetzung der Forschungsprämie nach § 108c EStG 1988 hat demnach nach § 201 BAO zu erfolgen (vgl. , VwSlg. 8885/F, mwN). Diese Bestimmung hat den Zweck, einen "Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage" herbeizuführen (vgl. neuerlich ; weiters Bericht des Finanzausschusses zum Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, 1128 BlgNR 21. GP 9 f). Bei einer Selbstbemessungsabgabe - wie hier der Forschungsprämie - bewirkt bereits die Einreichung der Erklärung (Bekanntgabe der Selbstberechnung) die Festsetzung der Abgabe. Die "Quasirechtskraft" einer solchen Festsetzung durch Erklärung wird allerdings durch die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe durchbrochen (vgl. - zu den entsprechenden Bestimmungen von Landesabgabenordnungen - ; , 2007/13/0130, mwN). Eine derartige Durchbrechung der "Quasirechtskraft" kann aber nur unter den Voraussetzungen und im Rahmen der Fristen des § 201 BAO erfolgen.

15 Auch eine verspätete Geltendmachung der Forschungsprämie ändert nichts an der Wirkung der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages; die Forschungsprämie gilt damit als festgesetzt. Die Wirkung dieser Festsetzung durch Erklärung kann durch einen Bescheid nach § 201 BAO beseitigt werden. Vor diesem Hintergrund wäre es aber systemwidrig, eine an sich verspätete Geltendmachung von Prämien iSd § 108c EStG 1988 (auch) dadurch in ihrer Wirkung zu beseitigen, dass sie - ohne Bindung an die Fristen des § 201 BAO - als verspätet zurückgewiesen werden könnte. 16 Bei verspäteter Geltendmachung hat demnach nach § 201 BAO eine Festsetzung mit 0 EUR zu erfolgen.

17 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser hatte sich wiederholt mit Fällen zu befassen, in denen Prämien iSd § 108c bis 108f EStG 1988 verspätet geltend gemacht wurden. (Damalige) Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, mit denen im Instanzenzug derartige Anträge nicht zurück-, sondern abgewiesen worden waren, wurden vom Verwaltungsgerichtshof als unbegründet abgewiesen (vgl. z.B. , VwSlg. 8162/F; , 2007/15/0268; , 2009/15/0003; , 2009/15/0152; vgl. auch : Die Antragstellerin sei nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass der Antrag auf Gewährung der Investitionszuwachsprämie als verspätet gewertet und solcherart die Prämie nicht zuerkannt worden sei). Eine "Abweisung des Antrages auf Forschungsprämie" entspricht aber - anders als die Abweisung eines Antrages auf von der Selbstbemessung abweichende Festsetzung (vgl. dazu etwa ) - einer von der Selbstbemessung abweichenden Festsetzung mit 0 EUR.

18 Das Finanzamt hatte den Antrag der mitbeteiligten Partei zurückgewiesen; damit war nur der Zurückweisungsgrund Sache des Beschwerdeverfahrens. Da aber die (allfällige) Verspätung der Geltendmachung der Forschungsprämie wie aufgezeigt nicht zu einer Zurückweisung führt, erweist sich die ersatzlose Behebung des Zurückweisungsbescheides des Finanzamtes durch das Bundesfinanzgericht als zutreffend (vgl. ).

19 Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130108.L00
Schlagworte:
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

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