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VwGH vom 16.12.2020, Ra 2019/11/0137

VwGH vom 16.12.2020, Ra 2019/11/0137

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der A W, vertreten durch die Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W115 2113618-1/5E, betreffend Vorschreibung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz für das Jahr 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen [Sozialministeriumservice]), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde, durch Abweisung einer Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom , die Revisionswerberin zur Entrichtung einer Ausgleichstaxe in Höhe von € 17.860,-- für das Kalenderjahr 2014 gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) verpflichtet.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2Das Verwaltungsgericht stellte als maßgebenden Sachverhalt fest, unstrittig sei Mag. E, die dem Kreis der begünstigten Behinderten iSd. § 2 BEinstG angehöre, Dienstnehmerin der Revisionswerberin und habe sich im Zeitraum vom 1. Jänner bis in einer zwischen ihr und der Revisionswerberin vereinbarten Bildungskarenz gemäß § 11 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) befunden und in dieser Zeit Weiterbildungsgeld vom Arbeitsmarktservice bezogen.

3Die Revisionswerberin habe im Kalenderjahr 2014 die Beschäftigungspflicht gemäß § 1 BEinstG nicht (zur Gänze) erfüllt, sodass für die Festsetzung der Ausgleichstaxe die strittige Frage zu klären sei, ob Mag. E auf die Pflichtzahl gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG anzurechnen sei.

4In den rechtlichen Erwägungen ging das Verwaltungsgericht davon aus, Voraussetzung für die Anrechenbarkeit auf die Pflichtzahl sei gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG, dass die begünstigte Behinderte beim Dienstgeber beschäftigt sei und „nach § 7 BEinstG entlohnt“ werde.

5Diese Kriterien seien gegenständlich nicht erfüllt, da sich die Revisionswerberin als Dienstgeberin und Mag. E als Dienstnehmerin einvernehmlich für die Dauer der Bildungskarenz von den wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag entbunden hätten.

6Die Erbringung von Dienstleistungen durch Mag. E sei auch nicht durch in ihrer Sphäre gelegene Gründe verhindert worden, vielmehr beruhe die Inanspruchnahme der Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG auf einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Daher unterscheide sich der vorliegende Fall von jenem einer Erkrankung des Dienstnehmers oder einer Karenz nach dem Mutterschutzgesetz (Hinweis auf ; , 2008/11/0012; , 2009/11/0223).

7Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang vorgebracht habe, die Bildungskarenz von Mag. E sei auf deren Eigeninitiative gewährt worden, so ändere dies nichts am Umstand, dass die Revisionswerberin der Bildungskarenz in Kenntnis ihrer Folgen zugestimmt habe.

8Auch dem Vorbringen der Revisionswerberin, die Nichtanrechenbarkeit auf die Pflichtzahl in einem Fall wie dem vorliegenden würde zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderung bei der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz führen, könne nicht gefolgt werden. Denn es bleibe der Revisionswerberin unbenommen, während der Bildungskarenz eine andere Person, welche dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehöre, allenfalls befristet zu beschäftigen (und so die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe durch Erfüllung der den Bestimmungen des BEinstG entsprechenden Beschäftigungspflicht hintanzuhalten).

9Da gegenständlich nur die Beurteilung einer Rechtsfrage strittig gewesen sei, habe die Durchführung einer Verhandlung unterbleiben können.

10Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11Das Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1970 in der für den gegenständlichen Abrechnungszeitraum (Kalenderjahr 2014) maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 138/2013 (BEinstG), lautet auszugsweise:

„Beschäftigungspflicht

§ 1. (1) Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen. ...

Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. ...

...

Berechnung der Pflichtzahl

§ 4. (1) Dienstnehmer im Sinne der Berechnung der Pflichtzahl sind:

...

Erfüllung der Beschäftigungspflicht

§ 5. (1) Auf die Pflichtzahl sind die beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten, begünstigte Personen nach § 2 Abs. 3 und Dienstgeber anzurechnen, bei denen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 zutreffen.

...

Entgelt

§ 7. Das Entgelt, das den im Sinne dieses Bundesgesetzes beschäftigten begünstigten Behinderten gebührt, darf aus dem Grunde der Behinderung nicht gemindert werden.

...

Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt - Geltungsbereich

§ 7a. (1) Die Bestimmungen der § 7b bis 7q gelten für den Bereich der Arbeitswelt; dazu zählen

1.Dienstverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen,

...

Diskriminierungsverbot

§ 7b. (1) Auf Grund einer Behinderung darf im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis gemäß § 7a Abs. 1 Z 1 [....] niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

...

4.bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung,

...

Diskriminierung

§ 7c. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche Menschen mit Behinderungen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.

...

(4) Eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Abs. 2 liegt nicht vor, wenn die Beseitigung von Bedingungen, die eine Benachteiligung begründen, insbesondere von Barrieren, rechtswidrig oder wegen unverhältnismäßiger Belastungen unzumutbar wäre.

(5) Bei der Prüfung, ob Belastungen unverhältnismäßig sind, sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.der mit der Beseitigung der die Benachteiligung begründenden Bedingungen verbundene Aufwand,

2.die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dienstgebers oder ...

...

Ausgleichstaxe

§ 9. (1) Vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist die Entrichtung einer Ausgleichstaxe alljährlich für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr mittels Bescheides vorzuschreiben, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

...“

12Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl. I Nr. 138/2013 (AVRAG), lautet auszugsweise:

„Bildungskarenz

§ 11. (1) Arbeitnehmer und Arbeitgeber können eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes für die Dauer von mindestens zwei Monaten bis zu einem Jahr vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Eine neuerliche Bildungskarenz kann frühestens nach dem Ablauf von vier Jahren ab dem Antritt der letzten Bildungskarenz (Rahmenfrist) vereinbart werden. Die Bildungskarenz kann auch in Teilen vereinbart werden, wobei die Dauer eines Teils mindestens zwei Monate zu betragen hat und die Gesamtdauer der einzelnen Teile innerhalb der Rahmenfrist, die mit Antritt des ersten Teils der Bildungskarenz zu laufen beginnt, ein Jahr nicht überschreiten darf. Bei der Vereinbarung über die Bildungskarenz ist auf die Interessen des Arbeitnehmers und auf die Erfordernisse des Betriebes Rücksicht zu nehmen. In Betrieben, in denen ein für den Arbeitnehmer zuständiger Betriebsrat errichtet ist, ist dieser auf Verlangen des Arbeitnehmers den Verhandlungen beizuziehen.

...“

13Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob begünstigte Behinderte, die eine Bildungskarenz in Anspruch nehmen, auf die Pflichtzahl gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG anzurechnen sind.

14Im Revisionsfall geht es somit nicht um die Frage, wie viele begünstigte Behinderte die Revisionswerberin „einzustellen“ hatte, um ihrer Beschäftigungspflicht iSd § 1 Abs. 1 BEinstG zu entsprechen (vgl. dazu auch § 4 BEinstG betreffend die Pflichtzahl).

15Strittig ist vielmehr, ob Mag. E. als begünstigte Behinderte und Dienstnehmerin der Revisionswerberin auch für jenen Zeitraum ( bis ), in welchem sie sich in Bildungskarenz befand, auf die Erfüllung der Beschäftigungspflicht der Revisionswerberin betreffend das Jahr 2014 gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG anzurechnen war (diesfalls wäre die Ausgleichstaxe für Mag. E nicht zu entrichten.

16Gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG sind (soweit fallbezogen von Bedeutung) auf die Pflichtzahl die „beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten“ anzurechnen.

17Zunächst wurde im angefochtenen Erkenntnis zutreffend erkannt, dass - wie nachstehend erläutert wird - der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung hinsichtlich der Frage der Anrechnung von begünstigten Behinderten auf die Beschäftigungspflicht Fallkonstellationen vor dem Hintergrund einer im Wesentlichen gleichlautenden Rechtslage zu beurteilen hatte, in welchen die betreffende Person entweder im Krankenstand, in Karenz gemäß Mutterschutzgesetz oder wegen des Bezugs einer befristeten Berufsunfähigkeitspension im Einvernehmen mit dem Dienstgeber karenziert war.

18Im Erkenntnis , bejahte der Verwaltungsgerichtshof die Anrechnung einer begünstigten Behinderten auf die Pflichtzahl für jenen Zeitraum, in dem diese wegen Erkrankung Leistungen aus der Sozialversicherung (Krankengeld) und nicht ein vom Dienstgeber unmittelbar auszuzahlendes Entgelt bezog. Entscheidend ist demnach gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG einerseits die Beschäftigung des begünstigten Behinderten beim Dienstgeber, also ein aufrechter Arbeitsvertrag, und andererseits, dass der begünstigte Behinderte „nach § 7 BEinstG entlohnt“ wird. Die zweitgenannte Voraussetzung ist nach dem zitierten Erkenntnis angesichts § 7 leg. cit. bereits dann erfüllt, wenn dem Behinderten im Arbeitsvertrag „der gleiche Entgeltanspruch gesichert“ wird wie einem nicht behinderten Arbeitnehmer (vgl. ebenso , , und ).

19Daran anknüpfend wurde im hg. Erkenntnis vom , 2009/11/0223, entschieden, dass eine begünstigte Behinderte auch in jenen Zeiten im Sinne des § 5 Abs. 1 BEinstG auf die Pflichtzahl anzurechnen ist, in denen sie sich in Karenz nach dem Mutterschutzgesetz befindet und Leistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds (Kinderbetreuungsgeld) bezieht. In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses heißt es:

„Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Arbeitsvertrag der begünstigten Behinderten N. im hier maßgebenden Kalenderjahr 2007 aufrecht war (der Umstand, dass N. während der Karenz keine tatsächlichen Arbeitsleistungen erbracht hat, ist nach der zitierten Judikatur unerheblich) und dass ihr unbeschadet ihrer Karenz im Arbeitsvertrag ein Entgeltanspruch in jener Höhe ‚gesichert‘ war, wie er auch einem nicht behinderten Arbeitnehmer zusteht. Außerdem wurde die Erbringung der Dienstleistungen aus in der Sphäre der begünstigten Behinderten N. gelegenen Gründen verhindert.

Wie im Erkenntnis Zl. 90/09/0075 ist daher auch hier davon auszugehen, dass der Wegfall der Entgeltszahlungen des Dienstgebers an die begünstigte Behinderte für die Zeit des Kindergeldbezuges die Anrechenbarkeit dieser Behinderten auf die Pflichtzahl unberührt ließ. Auf das Argument der belangten Behörde, der Krankheitsfall sei weniger leicht vorhersehbar als die Zeit der Karenz nach dem Mutterschutzgesetz, kommt es nach dem Gesagten nicht an.“

20Gleichzeitig erfolgte im letztzitierten hg. Erkenntnis 2009/11/0223 folgende Abgrenzung von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, die gleichfalls einen karenzierten begünstigten Behinderten betraf:

„Im Erkenntnis vom , Zl. 2008/11/0012, hatte der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen, ob ein begünstigter Behinderter, der im Einvernehmen mit dem Dienstgeber wegen des Bezuges einer befristeten Berufungsunfähigkeitspension karenziert worden war, auf die Pflichtzahl gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG anzurechnen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies, unter Bezugnahme auf das zitierte Erkenntnis, Zl. 90/09/0075, im konkreten Fall verneint, weil der begünstigte Behinderte - im Einvernehmen mit dem Dienstgeber - von den wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag entbunden wurde und weil daher die Erbringung der Dienstleistungen dieses begünstigten Behinderten nicht aus in der Sphäre des Dienstnehmers gelegenen Gründen verhindert wurde.

Im vorliegenden Beschwerdefall geht es um die Frage, ob eine begünstigte Behinderte, die sich im fraglichen Zeitraum nach dem Mutterschutzgesetz in Karenz befand, auf die Pflichtzahl anzurechnen ist. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher im entscheidenden Punkt von jenem Sachverhalt, der dem zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 2008/11/0012, zu Grunde lag, weil gegenständlich die Erbringung der Dienstleistungen durch die begünstigte Behinderte aus in ihrer Sphäre gelegenen Gründen verhindert wurde.“

21Im nunmehr angefochtenen Erkenntnis vertritt das Verwaltungsgericht erkennbar die Rechtsansicht, der vorliegende Fall gleiche jenem dem erwähnten Erkenntnis 2008/11/0012 zugrunde liegenden Fall, weil die Revisionswerberin als Dienstgeberin und Mag. E als Dienstnehmerin einander - einvernehmlich - von den wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag entbunden hätten.

22Dem tritt die Revision mit der Begründung entgegen, kennzeichnend für das Erkenntnis VwGH 2008/11/0012 sei gewesen, dass angesichts Bezuges einer Berufsunfähigkeitspension nicht abzusehen gewesen sei, ob der begünstigte Behinderte jemals wieder beim Dienstgeber beschäftigt werden könne, wohingegen im vorliegenden Fall klar sei, dass Mag. E nach Ablauf der Bildungskarenz wieder bei der Revisionswerberin tätig sein werde und sohin eine Fortdauer der Beschäftigung gegeben sei.

23Abgesehen davon handle es sich bei der Bildungskarenz um eine überwiegend der Sphäre der Dienstnehmerin zuzurechnende Verhinderung. Die gegenständliche Bildungskarenz sei auf ausdrückliche Eigeninitiative von Mag. E vereinbart worden, dabei sei der Revisionswerberin (anders als in VwGH 2008/11/0012) keine Entscheidungsfreiheit bei der Gewährung der Karenz zugekommen, weil die Ablehnung der Bildungskarenz von der begünstigten Behinderten als Diskriminierung geltend gemacht werden könne.

24Die Revision ist aus folgenden Überlegungen begründet:

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Arbeitsvertrag der begünstigten Behinderten Mag. E im hier maßgebenden Kalenderjahr 2014 aufrecht war und dass ihr unbeschadet ihrer Bildungskarenz im Arbeitsvertrag ein Entgeltanspruch in jener Höhe ‚gesichert‘ war, wie er auch einem nicht behinderten Arbeitnehmer zusteht (insoweit ist der Revisionsfall vergleichbar mit jenem die Karenz nach dem Mutterschutzgesetz betreffenden Fall des zitierten hg. Erkenntnisses 2009/11/0223).

25Anders als im Fall des hg. Erkenntnisses 2008/11/0012, in welchem der begünstigte Behinderte ab dem Bezug der Berufsunfähigkeitspension („seither“) karenziert war, nicht mehr beschäftigt und nicht mehr entlohnt wurde und daher, so die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, die Erfordernisse des § 5 Abs. 1 BEinstG - Beschäftigung und Entlohnung gemäß § 7 leg. cit. - nicht mehr gegeben waren, lässt die Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG (nicht zuletzt im Hinblick auf deren gesetzliche Befristung) den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses unberührt (vgl. dazu auch Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 [2016] § 11 Rz 6f).

26Bei der Bildungskarenz handelt es sich außerdem schon nach ihrem Zweck um eine der Sphäre des Dienstnehmers zuzurechnende Dienstverhinderung (ebenso wie die Karenz nach dem Mutterschutzgesetz in VwGH 2009/11/0223 und die Erkrankung in VwGH 90/09/0075), ohne dass es darauf ankäme, aus welchen Gründen der Dienstgeber dieser Karenzierung zugestimmt hat.

27Da das angefochtene Erkenntnis somit auf einer unzutreffenden Rechtsansicht beruht, war es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

28Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen.

29Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 ff VwGG iVm. § 23 BEinstG und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110137.L00

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