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VwGH vom 25.02.2020, Ra 2019/06/0123

VwGH vom 25.02.2020, Ra 2019/06/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak, Hofrat Mag. Haunold und Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision 1. des A E, 2. der M P, beide in Z 3. des P T und 4. des P T, beide in S, alle vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, Almerstraße 2/Top 3 - Stadtgalerie, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , 405-3/476/1/13- 2019, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Zell am See; weitere Partei: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: H V, vertreten durch die Kreuzberger, Stranimaier & Vogler Rechtsanwälte & Strafverteidiger OG in 5500 Bischofshofen, Mohshammerplatz 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Zell am See hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Zell am See (Behörde) dem Mitbeteiligten die Genehmigung zur Durchführung von Umbauarbeiten an einem näher genannten Gebäude in Z. sowie für die Änderung des Verwendungswecks von Wohn- und Geschäftshaus in Apartmenthaus.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) die von den revisionswerbenden Parteien als Nachbarn des Bauvorhabens eingebrachte Beschwerde - mit einer hier nicht relevanten Maßgabe -

als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.

In der Begründung gab das LVwG zunächst das Beschwerdevorbringen, die schriftlichen Stellungnahmen der Parteienvertreter sowie die Ausführungen der Parteien und deren Vertreter in den beiden Verhandlungen vor dem LVwG am und am wörtlich wieder.

Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung führte das LVwG aus, der Mitbeteiligte habe mit Ansuchen vom um die Bewilligung für diverse Umbauten und eine Änderung der Art des Verwendungszwecks (Apartmenthaus statt Wohn- und Geschäftshaus) auf einem näher genannten Grundstück angesucht. Am sei eine Verhandlung durchgeführt worden, bei der der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Parteien eine im Folgenden wörtlich wiedergegebene Stellungnahme abgegeben habe. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen - so das LVwG weiter in seinen Sachverhaltsfeststellungen - sei sodann der Bescheid der Behörde ergangen, gegen den die Nachbarn rechtzeitig Beschwerde erhoben hätten.

Nach Zitierung von § 9 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG), § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Z 1 Bau-Delegierungsverordnung 1998 - Bezirk Zell am See - Pinzgau (Bau-DVO) sowie § 74 Gewerbeordnung 1994 (GewO) führte das LVwG zur Frage der Zuständigkeit des Bürgermeisters als Baubehörde aus, nach dem nunmehr als Teil der Bewilligungsunterlagen eingereichten Betriebskonzept würden keine (hoteltypischen) Dienstleistungen (Verpflegung, Zimmerservice, Gepäckservice, Wellnessangebot) angeboten, sondern es stehe die Raummiete (inklusive der Möglichkeit der Bettwäschemiete) im Vordergrund. Die Beistellung von sauberer Bettwäsche und Handtüchern zu Beginn der Apartmentmiete stelle keine Betreuungsleistung dar, die zu einer Beurteilung als gewerblicher Beherbergungsbetrieb führe (Hinweis auf , mwN). Eine gewerbliche "Außendarstellung" (Hinweis auf ) gebe es im vorliegenden Fall nicht, weil das Apartmenthaus nicht "in Betrieb" sei. Selbst wenn das Apartmenthaus als gewerblich einzustufen und als gewerbliche Betriebsanlage gemäß § 74 GewO zu beurteilen wäre, sei weder aus dem Projekt noch aus den Beschwerdeausführungen ersichtlich, welche Umstände gemäß § 74 Abs. 2 GewO eine Genehmigungspflicht hervorrufen könnten. Der Hinweis der revisionswerbenden Parteien auf die Genehmigungsfreistellungsverordnung sei nicht zielführend, weil auch andere Betriebsanlagen, die nicht in dieser Verordnung angeführt seien, keiner Genehmigung nach der GewO bedürften, wenn die Kriterien des § 74 Abs. 2 leg. cit. nicht erfüllt seien. Diesbezüglich hätten die revisionswerbenden Parteien nur Beeinträchtigungen (etwa durch den Fahrzeugverkehr außerhalb des verfahrensgegenständlichen Grundstückes und die Parkplatzsituation) vorgebracht, die keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte darstellten.

3 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben.

4 Der Mitbeteiligte beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 § 1 Abs. 1 Z 1 und § 4 Abs. 1 Bau-Delegierungsverordnung 1998 für den Bezirk Zell am See - Pinzgau (Bau-DVO), LGBl. Nr. 88/1998 idF LGBl. Nr. 72/2013, lauten auszugsweise:

"§ 1

(1) Für die Gemeinden Kaprun, Neukirchen am Großvenediger und Niedernsill wird die Besorgung folgender Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei auf die Bezirkshauptmannschaft Zell am See übertragen:

1. die Bauplatzerklärung in jenen Fällen, in denen der Bauplatz dienen soll:

a) einem Bau für eine Betriebsanlage, die gemäß § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedarf;

b) einem im § 10 Abs. 2 des Baupolizeigesetzes 1997 genannten Bau, wenn dieser nicht schon unter lit. a fällt;

c) ...

§ 4

(1) Für die Stadtgemeinde Zell am See wird die Besorgung folgender Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei auf die Bezirkshauptmannschaft Zell am See übertragen:

1. die Baubewilligung für einen unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Bau;

2. ..."

6 Die Revision erweist sich angesichts des Vorbringens zu § 10 Abs. 2 Z 3 BauPolG als zulässig.

7 Gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG), LGBl. Nr. 40/1997, idF LGBl. Nr. 96/2017, gelten die Bestimmungen über das vereinfachte Verfahren nicht für gastgewerbliche Bauten, die der Beherbergung von mehr als 10 Gästen oder bei mehr als 100 Sitzplätzen der Verabreichung von Speisen oder Getränken dienen, sowie Jugend- und Ferienheime.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 leg. cit. den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den § 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Weiter sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen (vgl. etwa , Rn. 10, mwN).

Diesen Anforderungen an die Begründung wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht.

9 Zunächst traf das LVwG keinerlei Feststellungen, die seine rechtliche Beurteilung hinsichtlich des (Nicht)Vorliegens einer gewerbebehördlichen Genehmigungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 4 Abs. 1 Z 1 Bau-DVO tragen könnten. Die im angefochtenen Erkenntnis enthaltene Begründung erschöpft sich in einer (wörtlichen) Wiedergabe des Beschwerdevorbringens, der schriftlichen Stellungnahmen der Parteienvertreter sowie der Ausführungen der Parteien und deren Vertreter in den beiden Verhandlungen vor dem LVwG. Eine Beweiswürdigung fehlt gänzlich. Unter der Überschrift "Sachverhalt" wurde - nach der Bezeichnung des Genehmigungsgegenstandes - lediglich die Stellungnahme des Parteienvertreters der revisionswerbenden Parteien in der Verhandlung vor der Behörde am wiedergegeben und ausgeführt, "(n)ach Durchführung weiterer Ermittlungen" - gemeint offenbar: durch die Behörde - sei der nunmehr angefochtenen Bescheid ergangen, gegen den die revisionswerbenden Parteien rechtzeitig Beschwerde erhoben hätten.

Mangels Feststellungen zu dem vom LVwG als entscheidungsrelevant angesehenen Sachverhalt entzieht sich das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Beurteilung des (Nicht)Vorliegens einer gewerbebehördlichen Genehmigungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 4 Abs. 1 Z 1 Bau-DVO einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit.

10 Daran vermag auch die seitens des LVwG erstattete Alternativbegründung zur fehlenden gewerbebehördlichen Genehmigungspflicht gemäß § 74 Abs. 2 GewO nichts zu ändern, weil es sich diesfalls mit § 1 Z 1 lit. b Bau-DVO iVm § 10 Abs. 2 BauPolG auseinanderzusetzen gehabt hätte.

Selbst wenn man die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, im vorliegenden Fall würden keine (hoteltypischen) Dienstleistungen angeboten, es stehe die Raummiete im Vordergrund, sowie die Zitierung eines hg. Erkenntnisses () zur Auslegung des § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 gleichermaßen als Prüfung gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 BauPolG wertete, fehlen auch diesbezüglich ausreichende Feststellungen zu dem vom LVwG als entscheidungsrelevant angesehenen Sachverhalt, sodass sich das angefochtene Erkenntnis auch hinsichtlich der Beurteilung gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm § 4 Abs. 1 Z 1 Bau-DVO einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzieht.

11 Im Übrigen fehlen Feststellungen zur Aufrechterhaltung der Parteistellung der revisionswerbenden Parteien.

12 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

13 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060123.L00

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