VwGH vom 30.04.2019, Ra 2019/06/0031
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revisionen des MMag. Dr. H G in G, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 6, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom ,
1) LVwG 30.11.2405/2018-6 und 2) LVwG 30.11.2404/2018-6, jeweils betreffend Bestrafung nach dem Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz; oberste Verwaltungsbehörde: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Stadt Graz (Behörde) jeweils vom wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 20 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) schuldig erkannt und über ihn gemäß § 20 Abs. 1 BStMG jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt. Dem Revisionswerber wurde zur Last gelegt, ein näher bezeichnetes Fahrzeug am um 11.44 Uhr bzw. am um 16.42 Uhr im mautpflichtigen Straßennetz an näher genannten Tatorten gelenkt zu haben, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben.
5 Mit den angefochtenen Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) wurden die gegen diese Straferkenntnisse erhobenen Beschwerden des Revisionswerbers jeweils als unbegründet abgewiesen. Das Verwaltungsgericht sprach in beiden Fällen aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
Begründend führte das LVwG in beiden Verfahren im Wesentlichen gleichlautend aus, der Revisionswerber sei Rechtsanwalt; das Fahrzeug, mit dem die Übertretungen des BStMG begangen worden seien, sei auf die Rechtsanwaltskanzlei zugelassen. Auf dem Fahrzeug sei eine Zehntagesvignette angebracht, die die Lochung bis aufweise. Am sei vom Revisionswerber oder einem seiner Mitarbeiter im ASFINAG Webshop eine Digitale Vignette für Konsumenten erworben worden. Beim Bestellvorgang habe der Hinweis für Konsumenten, dass die Digitale Vignette frühestens 18 Tage nach dem Kauf genutzt werden dürfe, während Unternehmen die Vignette sofort verwenden könnten, angeklickt werden müssen. Der Käufer erhalte eine Bestellbestätigung und eine Rechnung, wobei auch dabei der Beginn der Gültigkeit der Digitalen Vignette - fallbezogen der - aufscheine. Am bzw. am habe der Revisionswerber das Fahrzeug jeweils auf einer mautpflichtigen Straße gelenkt, obwohl die am Fahrzeug angebrachte Zehntagesvignette bereits abgelaufen gewesen sei. Die Bezahlung einer Ersatzmaut sei jeweils nicht erfolgt.
Die Digitale Vignette sei ausdrücklich als Konsument mit dem Hinweis auf deren Nutzbarkeit frühestens 18 Tage nach dem Kauf erworben worden. Ob das Fahrzeug als Firmenfahrzeug verwendet werde, sei dabei kein Kriterium. Punkt 3.2.1.1. der Mautordnung iVm § 15 Abs. 2 Z 8 BStMG enthalte Bestimmungen über den Rücktritt vom Erwerb Digitaler Vignetten und den Beginn ihrer Gültigkeit frühestens am 18. Tag nach deren Erwerb. Dieser Regelung stehe die Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher (Verbraucherschutzrichtlinie) nicht entgegen. Der Revisionswerber hätte die Digitale Vignette als Unternehmer erwerben können, dann wäre ihre Gültigkeit sofort gegeben gewesen.
6 In der Zulässigkeitsbegründung bringen die Revisionen zunächst vor, soweit überblickbar habe sich der Verwaltungsgerichtshof noch nicht zu der Frage geäußert, ob eine am Markt tätige Rechtsanwaltskanzlei, die zweifellos kein Verbraucher im Sinn des § 1 Abs. 1 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) und des § 1 Abs. 1 Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) sei, die Verbrauchereigenschaft dadurch erlange, dass bei einem Onlinebestellvorgang angegeben werde, "dass es sich bei der Rechtsanwaltskanzlei um einen Verbraucher und nicht um einen Unternehmer handelt", und wie diese Frage im Hinblick auf § 15 Abs. 2 Z 8 BStMG iVm Punkt 3.2.1.1. bzw. 3.4. der Mautordnung zu beantworten sei.
7 Damit zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weil die zivilrechtliche Frage, ob einer Rechtsanwaltskanzlei die Verbrauchereigenschaft iSd KSchG oder des FAGG zukommen kann, fallbezogen nicht entscheidungsrelevant ist. Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren ist das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 iVm der Mautordnung.
Gemäß Punkt 1.5.3. der Mautordnung berechtigt eine Zehntagesvignette, wie sie der Revisionswerber erwarb, ab dem ersten Gültigkeitstag zur Straßenbenützung an zehn aufeinander folgenden Kalendertagen. Der erste Gültigkeitstag kann innerhalb des Gültigkeitszeitraums gewählt werden, wobei hinsichtlich möglicher Einschränkungen bei der Digitalen Zehntagesvignette auf Punkt 3.2.1.1 verwiesen wird. Demnach ist bei der Digitalen Vignette, sofern sie im Wege des Fernabsatzes - also im Webshop oder mittels der ASFINAG App - bezogen wurde, grundsätzlich der erste Tag der Gültigkeit frühestens der 18. Tag nach dem Bezug. Die Berechtigung zur Benützung der Autobahnen und Schnellstraßen besteht ab dem ausgewählten ersten Tag der Gültigkeit, frühestens jedoch ab dem 18. Tag nach dem Bezug.
Wird die Digitale Vignette von einem Unternehmer im Rahmen seiner Tätigkeit als Unternehmer bezogen, hat der Unternehmer gemäß Punkt 3.4. der Mautordnung bei Bezug einer Digitalen Vignette im Webshop oder der ASFINAG App seine Unternehmereigenschaft sowie den Bezug der Digitalen Vignette im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit zu bestätigen. In diesem Fall besteht kein Rücktrittsrecht und es kann als erster Tag der Gültigkeit der Digitalen Vignette der Tag des Bezugs gewählt werden.
Der Revisionswerber bestätigt selbst, dass die Digitale Vignette im Webshop unter ausdrücklicher Angabe, diese als Konsument und nicht als Unternehmer zu erwerben, gekauft wurde. Somit erfüllt er nicht die Anforderungen des Punktes 3.4. der Mautordnung. Er war daher frühestens ab dem 18. Tag nach dem Bezug der Digitalen Vignette zur Benützung der Autobahnen und Schnellstraßen berechtigt.
8 Der Revisionswerber bringt weiter unter Hinweis auf die Verbraucherschutzrichtlinie vor, es bestehe eine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der Konsumenten gegenüber Unternehmern durch § 15 Abs. 2 Z 8 BStMG 2002 iVm Punkt 3.2.1.1. der Mautordnung, und argumentiert unter Zitierung der Erläuternden Bemerkungen zu § 15 Abs. 2 Z 8 BStMG 2002, der Gesetzgeber gehe selbst von der Anwendbarkeit der Verbraucherschutzrichtlinie auf den Erwerb von Digitalen Vignetten aus und habe "somit vorbeugend eine Regelung geschaffen, die diese Anwendung aushebeln bzw umgehen soll."
Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar. Zweck der Verbraucherschutzrichtlinie ist es, ein hohes Schutzniveau für Verbraucher bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen zu erreichen (Art. 1 dieser Richtlinie). Verträge zwischen Unternehmern sind vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht erfasst. Die Mautordnung enthält unterschiedliche Regelungen für Verbraucher und Unternehmer beim Erwerb der Digitalen Vignette. Insofern ist nicht zu erkennen, inwiefern die Anwendbarkeit der Verbraucherschutzrichtlinie "ausgehebelt" oder "umgangen" werde. 9 In den Revisionen wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie waren daher zurückzuweisen.
10 Damit erübrigte sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Anträge, den außerordentlichen Revisionen jeweils die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019060031.L00 |
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