VwGH vom 17.12.2015, 2013/08/0103

VwGH vom 17.12.2015, 2013/08/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 17090/12, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: R GmbH in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom schrieb die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse der mitbeteiligten R GmbH als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG für namentlich genannte Dienstnehmer Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in der Höhe von insgesamt EUR 75.264,72 vor.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte R GmbH Einspruch. Sie beantragte den 30 %igen Überstundenzuschlag nach dem KV-Baugewerbe nicht in die Beitragsbemessung und die beitragspflichtigen Reisekostenentschädigungen nicht in die Durchschnittslohnberechnung für die Sonderzahlungsberechnung einzubeziehen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch Folge und stellte fest, dass die mitbeteiligte

R GmbH nicht verpflichtet sei, für die in der Anlage des Bescheides jeweils bezeichneten Zeiten und Dienstnehmer Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in der Höhe von insgesamt EUR 75.264,72 an die Gebietskrankenkasse zu leisten.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die Rechtslage dar. Zum Sachverhalt stellte sie fest, dass die mitbeteiligte R GmbH im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung tätig sei. Für den Beitragszeitraum Jänner 2005 bis Dezember 2008 sei eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) durchgeführt und es seien alle beitragsrelevanten Unterlagen herangezogen worden. Dabei habe man festgestellt, dass für die Berechnung der Überstundenzuschläge der im Bereich des Baugewerbes tätigen Dienstnehmer nicht der im Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe vorgesehene Überstundenzuschlag auf Basis des um 30 % erhöhten Kollektivvertragslohnes berechnet worden sei. Auch sei die Beitragsgrundlage für die Schlechtwetterentschädigungsbeiträge nicht entsprechend erhöht worden. Weiters habe man Reisekostenentschädigungen, mit denen die Höchstsätze des § 26 EStG überschritten worden seien, gewährt. Diese seien bei der Abführung der Lohnsteuer und der Beiträge zwar berücksichtigt worden, jedoch nicht bei der Berechnung der Sonderzahlungen, weshalb die Gebietskrankenkasse auch diese entsprechenden Beiträge im Rahmen der Sonderzahlungen nachverrechnet habe.

Abgesehen vom Vorbringen, wonach ein Teil der beschäftigten Personen im Isoliergewerbe tätig gewesen sei und daher jedenfalls aus der Berechnung ausscheiden müsse, sei im Wesentlichen die rechtliche Beurteilung strittig, nämlich ob der 30 %ige Zuschlag zu den Überstundenteilern trotz Gewährung eines erhöhten Grundstundenlohnes sowie die Reisekostenentschädigungen bei der Berechnung der Sonderzahlungen zu berücksichtigen seien.

Grundlage für die Berechnung der Aufzahlung für Überstunden und Mehrarbeit sei nach dem Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe der jeweilige kollektivvertragliche Stundenlohn plus 30 Prozent. Der Kollektivvertrag enthalte daher unmittelbar rechtsverbindliche Regelungen, die nicht abbedungen werden könnten und innerhalb ihres Geltungsbereiches jedenfalls Mindestnormen reglementierten. Im gegenständlichen Fall stehe die Anwendung des Kollektivvertrages für die überlassenen Arbeitskräfte außer Streit. § 10 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG), der für die überlassenen Arbeitnehmern jedenfalls eine Entlohnung gemäß dem für den Beschäftigerbetrieb anzuwendenden Kollektivvertrag vorsehe, sei ebenso zwingend. Eine Besserstellung gegenüber den kollektivvertraglichen Normen sei erlaubt und in vielen Bereichen auch üblich. Die Kombination der angesprochenen Normen führe auf Grund der im Kollektivvertrag für Arbeitskräfteüberlassung vorgesehenen Stundenzuschläge zu einer Besserstellung der überlassenen Arbeitnehmer gegenüber den ständig im Betrieb Beschäftigten. Eben dieser regle aber auch in Punkt VII. 1., dass in Hinblick auf die eigenständige Regelung des Anspruches auf Sonderzahlungen die Regelungen des Beschäftiger-Kollektivvertrages über die Berechnungsbasis für Überstunden (Überstunden-Teiler) nicht anzuwenden seien und Grundvergütung für die Überstunde der gebührende Stundenverdienst sei. Die Teiler dienten der Einbeziehung der Überstunden und seien im gegenständlichen Fall aber eigenständig durch kollektivvertragliche Norm geregelt. Eine nochmalige Heranziehung des erhöhten Entgelts würde jedoch zu einer doppelten Berücksichtigung führen. Um das zu vermeiden, sei mit entsprechender kollektivvertraglicher Norm der Überstundenteiler dezidiert ausgenommen worden.

Die an die Dienstnehmer gewährten Reisekostenentschädigungen, die auf Grund der Überschreitung der Höchstsätze beitrags- und lohnsteuerpflichtig geworden seien, habe die mitbeteiligte Partei richtigerweise nicht in die Sonderzahlungen mit einbezogen. Gemäß Punkt X. des Kollektivvertrages für Arbeitskräfteüberlassung seien zwar sämtliche Zulagen und Zuschläge, jedoch ausdrücklich nicht Aufwandsentschädigungen wie Tagesgelder und Fahrtkostenersätze in die Berechnung des durchschnittlichen Verdienstes mit einzubeziehen. Bei der Berechnung des Anspruches auf Sonderzahlungen blieben diese daher außer Betracht.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die (kostenpflichtige) Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

1.2. Nach § 44 Abs. 1 Z 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf Cent gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern (und Lehrlingen) das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.

Unter Entgelt sind gemäß § 49 Abs. 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Nach § 49 Abs. 2 leg cit sind Sonderzahlungen, also Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie zum Beispiel ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen des ASVG, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.

Gemäß § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG gelten nicht als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 "Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlaßten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen."

Nach § 26 Z 4 lit. a) Einkommenssteuergesetz 1988 (EStG) sind als Kilometergeld höchstens die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze zu berücksichtigen. § 10 Abs. 3 Reisegebührenvorschrift sieht hier (aktuell) einen Betrag von EUR 0,42 pro gefahrenen Kilometer vor. Das Tagesgeld für Inlandsdienstreisen darf gemäß § 26 Z 4 lit. b) EStG bis zu EUR 26,40 betragen.

§ 10 Abs. 1 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG), BGBl. Nr. 196/1988 idF BGBl. I Nr. 104/2005, hat folgenden Wortlaut:

"§ 10. (1) Die Arbeitskraft hat Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen und schriftlich abzurechnen ist. Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, bleiben unberührt. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche oder gesetzlich festgelegte Entgelt Bedacht zu nehmen."

1.3. Gemäß Anhang III § 2 lit. a) des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe (im Folgenden: KV-Baugewerbe) ist Grundlage für die Berechnung der Aufzahlung für Überstunden bzw. Mehrarbeit der jeweilige Stundenlohn des genannten Kollektivvertrages plus 30 %.

Die im vorliegenden Fall allenfalls maßgeblichen Bestimmungen des Kollektivvertrages für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (im Folgenden: KV-Arbeitskräfteüberlassung) lauten auszugsweise wie folgt:

"VII. Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit, Zulagen, Zuschläge

1. Alle diesbezüglichen Regelungen des im Beschäftigerbetrieb auf vergleichbare Arbeitnehmer anzuwendenden Kollektivvertrages (Zulässigkeit, Entlohnung, usw.) gelten - neben den gesetzlichen Vorschriften - auch für überlassene Arbeitnehmer, jedoch mit folgender Abweichung: Im Hinblick auf die eigenständige Regelung des Anspruches auf Sonderzahlungen (Abschnitte XVI, XVII) sind Regelungen des Beschäftiger-Kollektivvertrages über die Berechnungsbasis für Überstunden (Überstunden-Teiler) nicht anzuwenden. Grundvergütung für die Überstunde ist der gebührende Stundenverdienst. Bei ausschließlicher Überlassung in Betriebe des Güterbeförderungsgewerbes gelten jedoch allfällige, in diesem Kollektivvertrag vorgesehene Sonderregeln über die Berechnungsbasis (vgl. XVI/2 und XVII/1).

2. Bei Überlassung in Betriebe, in denen für vergleichbare Arbeitnehmer kein Kollektivvertrag anzuwenden ist, sind hinsichtlich Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Zulagen und Zuschläge die Regelungen des KollV für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe anzuwenden. Für die Berechnungsbasis der Überstunden gilt aber auch in diesem Fall die oben stehende Regelung. Dies gilt auch für Arbeitnehmer die im Überlasserbetrieb selbst beschäftigt sind.

(...)"

"X. Verdienstbegriff

Verdienst ist der Arbeitslohn, bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 Abs. 1 Ziffer 4 Arbeitsverfassungsgesetz deren 13-Wochen-Durchschnitt auf Basis der Normalarbeitszeit. Bei Arbeitsbereitschaft ist im Falle einer vereinbarten längeren Wochenarbeitszeit diese zu Grunde zu legen. In den Verdienst sind einzubeziehen: Sämtliche Zulagen und Zuschläge, wie insbesondere Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren-, Montage-, Schicht- und Nachtarbeitszulagen, Sonn- und Feiertagszuschläge sowie Vorarbeiterzuschlag und Entgelte für Arbeiten außerhalb des Überlasser-Betriebes, nicht jedoch Aufwandsentschädigungen (Tages- und Nächtigungsgelder sowie Fahrtkostenersätze). Fallen Zulagen und Zuschläge nicht regelmäßig an, so sind sie nach dem Durchschnitt der letzten 13 Wochen zu berechnen."

"XVI. Urlaub und Urlaubszuschuss

1. In die Berechnung des Urlaubsentgeltes sind Überstunden einzubeziehen, wenn sie in den letzten 13 abgerechneten Wochen (oder 3 Monaten) vor Urlaubsantritt in mindestens 7 Wochen geleistet wurden oder in der Entgeltfortzahlung enthalten waren. Wochen mit Abwesenheitszeiten ohne Entgeltanspruch sind auszuscheiden. Die herangezogenen 13 Wochen (3 Monate) sind auch einer Berechnung des Durchschnittes des Entgelts zu Grunde zu legen.

Urlaubszuschuss

2. Anstelle der Regelungen des Beschäftiger-KollV betreffend Urlaubszuschuss gilt einheitlich:

Arbeitnehmer die dem BUAG für den Sachbereich der Urlaubsregelung unterliegen, haben die dort vorgesehenen Ansprüche auf Urlaubsgeld und Urlaubszuschuss. Alle anderen Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuss. Dieser Urlaubszuschuss beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ein Monatsentgelt (167,4 Stundenentgelte auf Basis des 6-Monate-Durchschnittes inkl. aller Überstunden). Erfolgte bis zur Fälligkeit eine Überlassung ausschließlich an Betriebe des Güterbeförderungsgewerbes, ist jedoch die im KollV Güterbeförderungsgewerbe vorgesehene Berechnung (Grundlage und Stundenzahl) anzuwenden; im Übrigen gelten die Regelungen dieses Abschnittes.

(...)"

"XVII. Weihnachtsremuneration

1. Anstelle der Regelungen des Beschäftiger-KollV betreffend Weihnachtsremuneration gilt einheitlich:

Alle Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf eine Weihnachtremuneration im Ausmaß eines Monatsentgeltes (167,4 Stundenentgelte auf Basis des 6-Monate-Durchschnittes inkl. aller Überstunden). Erfolgte bis zur Fälligkeit eine Überlassung ausschließlich an Betriebe des Güterbeförderungsgewerbes, ist jedoch die im KollV Güterbeförderungsgewerbe vorgesehene Berechnung (Grundlage und Stundenzahl) anzuwenden; im Übrigen gelten die Regelungen dieses Abschnittes.

(...)"

Aufwandsentschädigungen in Form von Tages- und Nächtigungsgeldern sowie Fahrtkostenersätzen sind in dem mit "Regelungen für auswärtige Arbeiten" überschriebenen Punkt VIII. des KV-Arbeitskräfteüberlassung im Detail geregelt. Der (aktuelle) Tagesgeldsatz ist dabei (im Fall einer erforderlichen Nächtigung außer Haus) mit EUR 26,40 festgelegt, die Höhe des Kilometergeldes beträgt EUR 0,42.

2.1. Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe übersehen, dass es sich bei der in Anhang III § 2 lit. a) des KV-Baugewerbe vorgesehenen 30 %igen Erhöhung des Kollektivvertraglohnes als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Überstundenzuschläge weder um einen Überstundenteiler noch um eine Abgeltung der Überstunden in den Sonderzahlungen handle. Das Argument der belangten Behörde, die Anwendung des 30 %igen Zuschlags für die Berechnung der Aufzahlung für Überstunden würde im konkreten Fall zu einer Besserstellung der überlassenen Dienstnehmer gegenüber der Stammbelegschaft führen, da die Überstunden in den Sonderzahlungen doppelt berücksichtigt würden, gehe insofern ins Leere, als der 30 %ige Zuschlag gar nicht bezüglich der Sonderzahlungen nachverrechnet worden sei, sondern ausschließlich bezüglich der allgemeinen Beitragsgrundlage für tatsächlich geleistete Überstunden. Zudem würde die Nichtanwendung des 30 %igen Zuschlags die überlassenen Dienstnehmer gröblich benachteiligen und einen Verstoß gegen die zwingende Regelung des § 10 Abs. 1 AÜG bedeuten, wonach das den überlassenen Arbeitnehmern gewährte Entgelt den dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes unterliegenden Arbeitnehmern gewährte Entgelt weitgehend zu entsprechen habe. Die Bedachtnahme auf die kollektivvertraglichen Entgeltbedingungen im Beschäftigerbetrieb sei zwingend.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht:

Gemäß dem im vorliegenden Fall zur Anwendung kommenden § 10 Abs. 1 AÜG hat die Arbeitskraft Anspruch auf ein angemessenes ortsübliches Entgelt, wobei Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, unberührt bleiben. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen.

Nach der Rechtsprechung des OGH wird mit dem ersten und zweiten Satz dieser Gesetzesstelle der gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 AÜG schon vor Überlassung zwischen Überlasser und Arbeitskraft unabhängig von der einzelnen Überlassung zu vereinbarende Entgeltanspruch inhaltlich geregelt, während der dritte Satz eine ergänzende Regelung für die Zeit der Überlassung trifft. Der erste Satz ist im Zusammenhalt mit dem zweiten Satz dahin zu verstehen, dass für das Grundentgelt in erster Linie eine für den Überlasserbetrieb geltende kollektivvertragliche Regelung maßgeblich ist. Lediglich dann, wenn kein Kollektivvertrag für den Überlasserbetrieb besteht, ist der Grundanspruch nach dem ersten Satz zu bestimmen, wobei in diesem Fall nicht nur ein möglichst sacheinschlägiger Kollektivvertrag, sondern auch eine ortsübliche Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgelts zu berücksichtigen ist.

Für die Dauer der Überlassung ist gemäß dem dritten Satz bei der Beurteilung der Angemessenheit auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt "Bedacht zu nehmen", wobei der Ausdruck "Bedachtnahme" im Sinn eines Anspruchs der überlassenen Arbeitskraft auf die Mindestentgelte nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigers zu verstehen ist. Demgegenüber haben nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 dritter Satz AÜG im Beschäftigerbetrieb bezahlte überkollektivvertragliche Istlöhne außer Betracht zu bleiben. Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz hat sich für eine partielle Anwendung von Bestimmungen des Beschäftigerkollektivvertrages durch den Überlasser während des Zeitraums der Überlassung entschieden. Das Herausnehmen einzelner Detailregelungen aus dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs und aus der Grundvereinbarung ("Rosinentheorie") ist nicht möglich (vgl. , mwN).

Aus dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes sind vor allem - so der OGH im zitierten Urteil 8 ObA 28/01b - die Bestimmungen über des Arbeitsentgelt anzuwenden, zu denen auch die Regelung der Sonderzahlungen gehört. Weiters ist der Entgeltanspruch von den für diese jeweils geltenden Verjährungsbestimmungen und Verfallsbestimmungen des Kollektivvertrags nicht zu trennen. Die Bedachtnahme auf die kollektivvertraglichen Entgeltbedingungen im Beschäftigerbetrieb ist zwingend.

Durch die Anordnung, dass während der Dauer einer Überlassung mindestens das Entgelt entsprechend den Ansätzen des für dem Beschäftiger geltenden Kollektivvertrag zu bezahlen ist, soll vor allem ein Unterlaufen des österreichischen Kollektivvertrags-Systems und seiner Ordnungsfunktion verhindert werden. Der Anspruch besteht trotz der Existenz der für Überlasser gültigen Kollektivverträge (vgl. Schindler , § 10 AÜG Rz 21 mwN, in:

Neumayr/Reissner (Hrsg.), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht (2011)).

Ausgehend davon erweist sich der angefochtene Bescheid, der im vorliegenden Fall die Anwendung der in Anhang III § 2 lit. a) des KV-Baugewerbe vorgesehenen 30 %igen Erhöhung des Kollektivvertraglohnes als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Überstundenzuschläge für die überlassenen und im Baugewerbe tätig gewesenen Arbeitskräfte verneint, als rechtswidrig.

2.2. Hinsichtlich der Nichteinbeziehung der überkollektivvertraglich gewährten Reisekostenentschädigungen in die Berechnung der Sonderzahlungen wendet die Beschwerde ein, dass sich Punkt X. des KV-Arbeitskräfteüberlassung nicht unbeschränkt auf sämtliche als Fahrtkosten deklarierte Zahlungen beziehen könne, sondern nur auf die im KV-Arbeitskräfteüberlassung unter dessen Punkt VIII. detailliert geregelten Reise- und Fahrtkostenersätze.

Auch in diesem Punkt ist die Beschwerde begründet:

Die belangte Behörde hat die Berücksichtigung der von der mitbeteiligten R GmbH freiwillig gewährten Reisekostenentschädigungen bei der Berechnung der Sonderzahlungen deshalb abgelehnt, weil Art X. des KV-Arbeitskräfteüberlassung ausdrücklich bestimme, dass Aufwandsentschädigungen wie Tagesgelder und Fahrtkostenersätze nicht in den Verdienst einzubeziehen seien.

Auch wenn der Wortlaut des Art X. des KV-Arbeitskräfteüberlassung nicht explizit auf dessen Punkt VIII. Bezug nimmt, ist aus systematischen Erwägungen davon auszugehen, dass hier "Aufwandsentschädigungen im Sinne des Punktes VIII."

gemeint sind und sich die Ausnahme auf die in dieser Bestimmung angeführten und somit kollektivvertraglich zu gewährenden Aufwandsentschädigungen bezieht; folglich sollen Aufwandsentschädigungen auch nur in dem dort vorgesehenen Umfang nicht in den Verdienst einbezogen werden. Darüber hinausgehend (überkollektivvertraglich) gewährte Reisekostenentschädigungen sind hingegen sehr wohl in den Verdienst einzubeziehen.

Für dieses Ergebnis spricht, dass auch nach § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG Aufwandsentschädigungen nicht uneingeschränkt, sondern nur insoweit nicht dem Entgelt zugerechnet werden, als sie nach § 26 EStG nicht der Einkommenssteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen, und dass die Höhe der nach Punkt VIII. des KV-Arbeitskräfteüberlassung zu gewährenden Aufwandsentschädigungen für auswärtige Arbeiten den Höchstgrenzen des § 26 Z 4 EStG für lohnsteuerfreie und somit nach § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG auch beitragsfreie Fahrtkostenvergütungen und Tagesgelder entspricht.

3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH - Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am