VwGH vom 13.11.2013, 2013/08/0054
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des G D in Wien, vertreten durch Dr. Leonhard Göbel, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 1A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK- 428763/0002-II/A/3/2012, betreffend Pflichtversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum bis der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlegen sei.
Begründend stellte sie nach der Darstellung des bisherigen Verfahrensgangs und der Rechtslage fest, dass der Beschwerdeführer laut Firmenbuch vom bis zum alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer und Gesellschafter der D. Wirtschaftstreuhand GmbH gewesen sei. Mit habe er seine Berufsbefugnis als Steuerberater ruhend gemeldet; seit diesem Zeitpunkt beziehe er eine Alterspension. Er sei jedoch trotz Ruhendstellung der Berufsbefugnis weiterhin als einziger Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen gewesen. In der Folge sei er von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder wiederholt, zuletzt mit Schreiben vom unter Setzung einer Sechsmonatsfrist gemäß § 105 Abs. 2 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz - WTBG aufgefordert worden, durch die Bestellung eines Geschäftsführers mit aufrechter Berufsberechtigung den gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen. Seine Tochter Frau Mag. D. sei mit in das Firmenbuch eingetragen worden. Am sei beim Handelsgericht Wien der Antrag auf Löschung als Geschäftsführer eingelangt, welche am eingetragen worden sei. Der Einkommensteuerbescheid 2008 weise Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von EUR 14.174,-- und einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 5.758,40 aus. Mit habe der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt die Wiederaufnahme seiner freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater und die Wiedererlangung der Berufsbefugnis gemeldet.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass im gegenständlichen Fall das Ende der betrieblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers und damit das Ende seiner Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG strittig sei.
Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 GSVG ende die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG - sofern und solange die für eine Versicherungspflicht maßgeblichen Einkommensgrenzen überschritten würden - frühestens mit dem Letzten des Kalendermonats, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeit erfolge. Dabei sei das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt würden bzw. die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden seien.
Der Beschwerdeführer sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der D. GmbH gewesen. Mit der Stellung als Geschäftsführer seien eine Reihe von Rechten und insbesondere auch Pflichten verbunden (§ 15 GmbHG). Zu den Pflichten zählten u.a. die Führung eines Rechnungswesens und eines internen Kontrollsystems, Maßnahmen zur Kapitalerhaltung und Kapitalsicherung, Anmeldung von Änderungen bezüglich der Gesellschaft und Gesellschafter im Firmenbuch, Führung von Beschäftigungslisten etc. Vor allem werde die Gesellschaft durch den Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten (§ 18 GmbHG) und durch die vom Geschäftsführer in ihrem Namen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet (§ 19 GmbHG). Ohne zumindest einen Geschäftsführer sei die GmbH nicht handlungsfähig. Daher könne das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit des alleinigen Geschäftsführers einer GmbH nicht losgelöst von der betrieblichen Tätigkeit der von ihm geführten GmbH beurteilt werden. In welchem Ausmaß und in welcher Form der Beschwerdeführer konkret seine Verpflichtungen als Geschäftsführer ausgeübt habe bzw. inwieweit er durch die Ruhendmeldung der Berufsberechtigung möglicherweise gegen berufsrechtliche Bestimmungen verstoßen habe, sei angesichts der Tatsache, dass die D. GmbH zu keinem Zeitpunkt den Betrieb eingestellt oder auch nur unterbrochen habe, nicht relevant. Ohne die betriebliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer wäre die GmbH nicht handlungsfähig gewesen und hätte ihren Betrieb einstellen müssen, was aber unstrittig nicht geschehen sei. Der Beschwerdeführer habe offenkundig ein erhebliches Interesse gehabt, die GmbH bis zur Übernahme der Geschäftsführung durch seine Tochter am weiterzuführen, weshalb auch der Antrag auf Löschung seiner Geschäftsführung erst am nachfolgenden Tag beim Handelsgericht eingelangt sei. Erst damit habe seine betriebliche Tätigkeit als Geschäftsführer geendet, sodass gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 GSVG das Ende des Kalendermonats, somit der , für das Ende der Pflichtversicherung heranzuziehen gewesen sei.
In Bezug auf den Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers für das Jahr 2008 stehe fest, dass er die relevante Versicherungsgrenze gemäß § 4 Abs. 1 Z 6 GSVG überschreitende Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit aufweise. Maßgeblich bei der Prüfung der Überschreitung der Versicherungsgrenze seien die Bestimmungen über die Bildung der Beitragsgrundlage gemäß § 25 Abs. 1 GSVG. Es werde grundsätzlich auf die jährlichen Einkünfte bzw. auf die Dauer der Erwerbstätigkeit im Konkreten abgestellt. Da in diesem Zeitraum die Einkünfte des Beschwerdeführers die Versicherungsgrenze überschritten hätten, habe die Frage, inwieweit er in einzelnen Monaten seiner betrieblichen Tätigkeit keine Einkünfte erzielt habe, für die Feststellung der Pflichtversicherung keine Relevanz.
Da auf Grund seiner betrieblichen Tätigkeit nicht bereits eine Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz eingetreten sei, lägen beim Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum sämtliche Voraussetzungen für die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vor.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
1. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sind in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz selbständig erwerbstätige Personen pflichtversichert, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6 GSVG) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen.
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 GSVG sind Personen, die das Ruhen ihrer Gewerbeberechtigung bzw. ihrer Befugnis zur Ausübung der die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründenden Erwerbstätigkeit angezeigt haben, für die Dauer des Ruhens von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung ausgenommen.
Die Pflichtversicherung der in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Personen endet gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 GSVG mit dem Letzten des Kalendermonats, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeiten erfolgt; hat der Versicherte die Abmeldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 GSVG erstattet, mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeiten erfolgt, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, dass er die betrieblichen Tätigkeiten zu einem früheren Zeitpunkt beendet hat. Gemäß § 7 Abs. 4 Z 2 GSVG endet die Pflichtversicherung weiters mit dem Letzten des Kalendermonats, in dem die berufsrechtliche Berechtigung wegfällt, gemäß § 7 Abs. 4 Z 3 GSVG mit dem Letzten des Kalendermonats, in dem der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte entgegen der Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz GSVG die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6 GSVG) nicht übersteigen werden.
Für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 GSVG sind gemäß § 25 Abs. 1 GSVG grundsätzlich die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
2. Strittig ist im Beschwerdefall, ob der Beschwerdeführer im Zeitraum bis gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG der Pflichtversicherung unterlag.
Der Beschwerdeführer hat nach der Aktenlage im Zuge der Beantragung einer Alterspension am erklärt, dass er beabsichtige, seine selbständige Erwerbstätigkeit am aufzugeben. Diese Erklärung wertete die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt als Erklärung nach § 7 Abs. 4 Z 3 GSVG, mit der die Versicherungserklärung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz GSVG widerrufen wurde. Demnach endete die Pflichtversicherung - vorerst - mit Ende Juli 2008. Dies hinderte aber nicht die Feststellung der Pflichtversicherung im Nachhinein, sobald der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vorlag, der die Versicherungsgrenze (sowohl nach der Z 5 als auch nach der Z 6 des § 4 Abs. 1 GSVG) übersteigende Einkünfte aus selbständiger Arbeit auswies.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde die Art und Höhe der Einkünfte des Beschwerdeführers ausdrücklich festgestellt hat, wobei sie an den rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid gebunden war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0292, mwN). Es ist daher nicht nachvollziehbar, wenn die Beschwerde rügt, dass "sämtliche Feststellungen und behördliche Ermittlungen" zu der Frage fehlten, ob der Beschwerdeführer iSd §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 oder 23 EStG Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb erzielt habe.
3. Weiters macht der Beschwerdeführer - wie schon im Verwaltungsverfahren - zusammengengefasst geltend, dass er im gegenständlichen Zeitraum keine betriebliche Tätigkeit ausgeübt habe. Die belangte Behörde habe unzulässiger Weise an das bloße Formalkriterium seiner Geschäftsführerstellung angeknüpft, obwohl der Beschwerdeführer nicht mehr aktiv am Wirtschaftsleben teilgenommen habe. Außerdem habe die belangte Behörde die Bestimmung des § 7 Abs. 4 Z 2 GSVG missachtet, wonach die Pflichtversicherung bei den in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Personen mit dem Letzten des Kalendermonats ende, in dem die berufsrechtliche Berechtigung wegfalle. Den Nachweis dieses Wegfalls habe der Beschwerdeführer erbracht. Zudem seien gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 GSVG Personen von der Pflichtversicherung ausgenommen, die das Ruhen ihres Gewerbebetriebs bzw. ihrer Befugnis zur Ausübung der die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit angezeigt hätten. Mit dieser Ausnahmebestimmung habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.
Eine tatsächliche Beendigung der betrieblichen Tätigkeit konnte im Beschwerdefall aber schon auf Grund der Pflichten, die dem Geschäftsführer einer GmbH nach dem GmbHG zukommen, nicht angenommen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0161). Darauf, ob der Beschwerdeführer nach dem noch Einkünfte erzielt hat, kommt es dabei nicht an: Zwar tritt die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG - sofern keine Erklärung nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung abgegeben wurde - nur dann ein, wenn bestimmte jährliche Einkommensgrenzen überschritten werden; es ist aber nicht erforderlich, dass in jedem Monat der Tätigkeit Einkünfte erzielt werden.
Auch der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 Z 1 GSVG lag im Beschwerdefall nicht vor. Dieser setzt nämlich nicht nur die Anzeige des Ruhens (hier: der Berufsberechtigung), sondern auch das tatsächliche Ruhen der betrieblichen Tätigkeit voraus (vgl. - zu einem Fall betreffend das Ruhen eines Gewerbebetriebes - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0091, mwN). Der Beschwerdeführer hat aber, wie oben ausgeführt, weiterhin eine betriebliche Tätigkeit entfaltet, selbst wenn er dazu auf Grund des Ruhens seiner Berufsberechtigung nicht befugt gewesen sein sollte. Die - unstrittig nur ruhend gestellte (vgl. § 97 WTBG) - Berufsberechtigung ist auch nicht im Sinn des § 7 Abs. 4 Z 2 GSVG weggefallen (vgl. § 102 WTBG), sodass dieser Endigungstatbestand schon deswegen nicht erfüllt war.
4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom , Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich), wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext "any hearing at all") erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft, und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat.
Wien, am