VwGH vom 11.09.2019, Ra 2019/02/0110
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des M in O, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-602614/6/DM, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: BH Vöcklabruck), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber schuldig erkannt, er habe am gegen 2.10 Uhr einen PKW gelenkt, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von über 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration befunden habe. Die Blutauswertung habe 2,19 Promille ergeben. Der Revisionswerber habe dadurch § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt wurde.
2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht den im Spruch erhobenen Vorwurf und weiter fest, der Revisionswerber sei von der Rettung schwer verletzt mit deutlichen Alkoholisierungssymptomen ins Krankenhaus S. gebracht und dort auf der Unfallchirurgie behandelt worden. Aus der Verletzungsanzeige des Krankenhauses gehe hervor, dass der Revisionswerber am einen C2-Abusus von 2,2 Promille gehabt habe. Der Laborbefund des Instituts für Labordiagnostik und Blutdepot des Krankenhauses S. vom weise unter dem Punkt "VB Blut Screening-Ethanol rel. promille 2,19" auf. 3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht auch aus, die Blutanalyse sei zulässig gewesen, weil eine aus Gründen der Heilbehandlung erfolgte Blutabnahme samt Auswertung keine unzulässige Verletzung der körperlichen Integrität sei und auch nicht unter das Verbot des Zwanges zur Selbstbeschuldigung falle (Hinweis auf ).
4 Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , E 5077/2018-8, abgelehnt und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. 5 In der nunmehr erhobenen Revision macht der Revisionswerber Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
6 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat die Abbzw. Zurückweisung der Revision beantragt, wozu sich der Revisionswerber geäußert hat.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Als zulässig erachtet der Revisionswerber die Revision
zunächst, weil der Bestrafung das Ergebnis einer Blutanalyse zugrunde gelegt worden sei, die nicht nach den Regeln des § 5 Abs. 4a, 5 Z 2 und 8 StVO durchgeführt worden sei.
9 Ausgehend davon, dass beim Revisionswerber unbestritten eine Blutabnahme zur Heilbehandlung im Spital erfolgte, hat eine solche Blutabnahme nach der Judikatur mit einer durch irgendeine Vorschrift des § 5 StVO in verbotener Weise erlangten Blutprobe nichts zu tun. Nach dieser Rechtsprechung ist eine aus Gründen der Heilbehandlung erfolgte Blutabnahme samt Auswertung keine unzulässige Verletzung der körperlichen Integrität und fällt auch nicht unter das Verbot des Zwanges zur Selbstbeschuldigung (vgl. , und , 2000/02/0232). 10 Die das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes tragende Annahme, der Revisionswerber habe ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, ist demnach nicht als rechtswidrig zu erkennen.
11 Auch die vom Revisionswerber behauptete Verletzung des Datenschutzgesetzes und eine daraus folgende Unzulässigkeit der Verwertung des Ergebnisses der Blutuntersuchung führt nicht zur Zulässigkeit der Revision, wobei sich der Revisionswerber bei seiner Argumentation auf § 4 Abs. 3 DSG (offenbar in der Fassung BGBl. Nr. 24/2018) bezieht.
12 Gemäß § 4 Abs. 3 Z 1 DSG in der genannten Fassung ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilung oder vorbeugende Maßnahmen unter Einhaltung der Vorgaben der DSGVO zulässig, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verarbeitung solcher Daten besteht oder nach Z 2 sich sonst die Zulässigkeit der Verarbeitung dieser Daten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten ergibt.
13 Gemäß § 21 Abs. 6 Z 1 Oberösterreichisches Krankenanstaltengesetz sind Kopien von Krankengeschichten und ärztlichen Äußerungen über den Gesundheitszustand von Patienten von den Krankenanstalten den Gerichten und Verwaltungsbehörden in Angelegenheiten, in denen die Feststellung des Gesundheitszustandes für eine Entscheidung oder Verfügung im öffentlichen Interesse von Bedeutung ist, auf Grund eines Ersuchens, in dem das öffentliche Interesse begründet wird, ohne Verzug kostenlos auszufolgen.
14 Nach den Aktenlage (OZ 27 des Aktes der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht - Schreiben vom an die Datenschutzbehörde) hat die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht mitgeteilt, sie habe mit Schreiben vom das S Klinikum um Übermittlung der Blutauswertung ersucht, weil dieses im Führerscheinentzugsverfahren und im Verwaltungsstrafverfahren von wesentlicher Bedeutung sei. 15 Schon wegen der beiden Verfahren bestand ein öffentliches Interesse an den angefragten Daten, weshalb diese auf Basis der angeführten gesetzlichen Grundlage übermittelt wurden, somit eine Verletzung des Datenschutzgesetzes nicht vorliegt.
16 Schließlich wird vom Revisionswerber eingewendet, die Revision sei zulässig, weil das Verwaltungsgericht das Erkenntnis nicht verkündet habe.
17 Gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG sind nach dem Schluss der Verhandlung der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom , Ra 2018/02/0188, die Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu § 51h VStG auf § 47 VwGVG wegen der Gleichartigkeit dieser Bestimmungen bejaht.
19 Die Verkündung der Entscheidung direkt nach der Verhandlung stellt den gesetzlichen, wenn auch in der Praxis nicht immer umsetzbaren, Regelfall dar. Ist eine anschließende Verkündung nicht möglich, etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage, hat die Entscheidung schriftlich zu ergehen (vgl. Walbert-Satek in Bumberger/Lampert/Larcher/Weber, VwGVG, Rz 7 zu § 47 und die dort angeführte Literatur und Judikatur). 20 Bedarf die Fällung des Erkenntnisses (etwa die Beweiswürdigung) reiflicher Überlegung, so kann das Verwaltungsgericht von der sofortigen Verkündung Abstand nehmen, andernfalls belastet die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung durch das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. ). 21 Im Revisionsfall ist nicht zu sehen, welche reiflichen Überlegungen das Verwaltungsgericht nach dem Schluss der Verhandlung für die Entscheidung noch anzustellen gehabt hätte, weil weder besondere rechtliche Hürden noch beweiswürdigende Ungereimtheiten eine Fällung des Erkenntnisses direkt nach der Verhandlung unmöglich gemacht haben.
22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 23 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020110.L00 |
Schlagworte: | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 |
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