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VwGH vom 22.02.2011, 2010/18/0466

VwGH vom 22.02.2011, 2010/18/0466

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des HH, geboren am , vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/441.432/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit Oktober 1992 ständig im Bundesgebiet auf.

Am sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am in W bei einem Einbruch in ein Spielzeuggeschäft eine Handyattrappe gestohlen habe.

Am habe das Landesgericht für Strafsachen Wien den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Sachbeschädigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Der Beschwerdeführer habe am in W die Eingangstür eines Schuhgeschäftes eingetreten und dadurch vorsätzlich beschädigt.

Des Weiteren sei der Beschwerdeführer am vom Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung sowie der Sachbeschädigung sowie weiters wegen der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch und des minderschweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Dem sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer in W am einen anderen durch die Äußerung "i stich di, i stich di, i moch die fertig", wobei er zur Unterstützung der Drohung ein Messer verwendet habe, gefährlich bedroht habe, um den anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen. Weiters habe er die Scheibe einer Hauseingangstüre eingeschlagen und diese sohin vorsätzlich zerstört. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer - im angefochtenen Bescheid näher dargestellte, zum Teil versuchte - Einbruchsdiebstähle begangen. Am habe der Beschwerdeführer auch noch einen anderen durch Versetzen eines Schlages gegen den Rücken und, als sich letzterer der Gewaltanwendung widersetzt habe, durch die Ankündigung, der Beschwerdeführer werde ihm die Finger brechen, wenn er die Banknoten nicht loslasse, einen (rechtlich als minderschwer qualifizierten) Raub zu begehen versucht.

Daraufhin habe die erstinstanzliche Behörde das hier in Rede stehende Aufenthaltsverbot erlassen. Dessen ungeachtet sei der Beschwerdeführer wieder straffällig geworden. Das Landesgericht für Strafsachen Wien habe ihn am wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten rechtskräftig verurteilt. Die diesem Urteil zugrunde liegenden Tathandlungen, insbesondere die Diebstahlshandlungen, die der Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter verübt habe, stellte die belangte Behörde näher dar, und verwies zudem darauf, dass der Beschwerdeführer am vorschriftswidrig Heroin und Kokain besessen hätte.

Trotz dieser Verurteilung sei der Beschwerdeführer bereits am wieder vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Dem sei ein Einbruchsdiebstahl in ein Geschäftslokal zugrunde gelegen, im Zuge dessen der Beschwerdeführer einen Tresor, ein Schnurlostelefon, Sim-Karten und Bargeld von EUR 3.000,-- erbeutet habe.

Seinen eigenen Angaben zufolge lebe der Beschwerdeführer seit Oktober 1992 in Österreich. Auch seine Familie lebe hier. Er habe in Österreich die Schule besucht. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Vor seiner Inhaftierung sei er ohne Beschäftigung gewesen und habe Notstandshilfe erhalten. Er sei suchtgiftabhängig gewesen; die Absolvierung einer Therapie sei ihm bewilligt worden. Er "befinde sich derzeit beim Verein S". Des Weiteren habe der Beschwerdeführer angegeben, über eine "unbefristete Niederlassungsbewilligung" zu verfügen. Über Verwandte in Bosnien verfüge er nicht.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 60 FPG aus, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG sei unzweifelhaft erfüllt. Bei der nach § 60 Abs. 1 FPG vorzunehmenden Prognose sei darauf Bedacht zu nehmen, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Menschen handle, der wiederholt andere Personen am Vermögen geschädigt habe. Auf Grund nicht intensiver beruflicher Bindungen bestehe die Gefahr, dass er weiterhin danach trachte, seine finanziellen Bedürfnisse durch das Begehen strafbarer Handlungen zu decken. Die von ihm ausgehende besonders große Gefährdung öffentlicher Interessen werde insofern deutlich, als er sich weder durch zahlreiche Verurteilungen noch die in erster Instanz erfolgte Erlassung des Aufenthaltsverbotes davon habe abhalten lassen, neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Es könne sohin keine positive Zukunftsprognose erstellt werden.

Bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG sei - so die belangte Behörde weiter - auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen. Der daraus ableitbaren Integration komme allerdings kein entscheidendes Gewicht zu, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt sei. Selbst eine allfällige berufliche Integration könne keine zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Entscheidung herbeiführen. Den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und von sonstigen gerichtlich strafbaren Handlungen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Angesichts der Art, Vielzahl und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten und der Tatwiederholungen könne auch nicht im Rahmen der Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden.

Des Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit zu erlassen sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete - im Verfahren ergänzte - Beschwerde erwogen:

In der Beschwerde wird der von der belangten Behörde getroffenen Prognoseentscheidung nach § 60 Abs. 1 FPG entgegengetreten und vorgebracht, die belangte Behörde habe nicht darauf Bedacht genommen, dass der Beschwerdeführer sein strafbares Verhalten mit seiner Suchtgiftabhängigkeit erklärt habe und gewillt sei, insoweit eine Therapie zu absolvieren. Dem ist allerdings mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu entgegnen, dass damit die Gefährlichkeitsprognose nicht als unrichtig dargetan werden kann, wäre doch dazu - neben einer erfolgreichen Suchtmitteltherapie, die hier aber noch gar nicht vorliegt - auch eine entsprechend längere Zeit des Wohlverhaltens erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0573, mwN).

Nach der im Wege des § 61 Z 2 FPG auch für Aufenthaltsverbote relevanten Bestimmung des § 56 Abs. 1 FPG dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

Die belangte Behörde geht von der Richtigkeit der Ausführungen des Beschwerdeführers aus, er verfüge über eine "unbefristete Niederlassungsbewilligung", was deren Erteilung vor Verwirklichung des hier maßgeblichen Sachverhaltes indiziert (vgl. die Einführung des Niederlassungsnachweises als alleinigen unbefristeten Aufenthaltstitel mit der Fremdengesetz-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126/2002, sowie ab In-Kraft-Treten des NAG dessen § 8 Abs. 1 Z 3 und 4 und des weiteren § 11 Abs. 3 NAG-DV). In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie es unterlassen hat, eine Gefährdungsprognose anhand des in § 56 Abs. 1 FPG enthaltenen Maßstabes vorzunehmen (vgl. zum im FPG enthaltenen System der "abgestuften Gefährdungsprognosen" des Näheren das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603).

Dies führt im vorliegenden Fall allerdings nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auf Grund der Verurteilungen des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 56 Abs. 2 Z 1 FPG, wonach die in § 56 Abs. 1 FPG enthaltene Gefährdung indiziert ist, erfüllt ist. Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers ist von Tatwiederholungen gekennzeichnet und hat sich in ihrer Intensität erheblich gesteigert, was sich insbesondere daran zeigt, dass er letztlich auch nicht davor zurückschreckte, einen - wenn auch rechtlich als minderschwer eingestuften - Raub zu begehen. Zudem zeigt sich die vom Beschwerdeführer an den Tag gelegte kriminelle Energie auch darin, dass er u.a. für gewerbsmäßige Tatbegehungen, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, verurteilt wurde. Er ließ von der Begehung strafbarer Handlungen selbst dann nicht ab, als gegen ihn bereits in erster Instanz das hier gegenständliche Aufenthaltsverbot - wenn auch nicht rechtskräftig - erlassen war. Es steht sohin für den Verwaltungsgerichtshof außer Zweifel, dass fallbezogen die Annahme des Vorliegens der in § 56 Abs. 1 FPG ausgedrückten Gefährdung jedenfalls gerechtfertigt ist.

Der Beschwerdeführer wendet sich des Weiteren gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Soweit er dabei auf zu seinen Gunsten sprechende Umstände, insbesondere die lange Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und die hier lebenden Familienangehörigen, verweist, ist ihm zu entgegnen, dass diese Umstände von der belangten Behörde berücksichtigt wurden. Die Trennung von den in Österreich lebenden Familienangehörigen hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, wie der hier in Rede stehenden, ebenso hinzunehmen wie allfällige mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland verbundene Schwierigkeiten. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, es hätte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ausgereicht, ihm die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes anzudrohen, so ist darauf hinzuweisen, dass er - wie bereits oben ausgeführt - sein strafbares Handeln selbst nach Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides fortgesetzt hat, sodass nicht einmal dies einen Gesinnungswandel herbeizuführen vermochte. Dass die belangte Behörde angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse am Hintanhalten von strafbaren Handlungen gegenüber dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet den Vorrang eingeräumt hat, kann sohin nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Nach dem Gesagten fehlt dann allerdings auch den in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängeln die Relevanz.

Abschließend bringt der Beschwerdeführer noch vor, er sei vor seinen Tathandlungen bereits länger als zehn Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen. Es hätte ihm daher die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können, was der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegenstehe. Damit zielt der Beschwerdeführer auf den Tatbestand des § 61 Z 3 FPG ab, wonach ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs. 2 Z 12 bis 14 FPG bezeichneten Tatbestände verwirklichen. Der Beschwerdeführer übersieht aber, dass sich schon aus der zitierten Bestimmung ergibt, dass er demnach nicht vor der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes geschützt ist, weil er mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt wurde. § 61 Z 3 FPG steht sohin der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

Hinweise dafür, dass die Übung des Ermessens oder die Festlegung der Dauer des Aufenthaltsverbotes durch die belangte Behörde rechtswidrig wären, sind nicht hervorgekommen.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung im Ergebnis jedenfalls nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-80745