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VwGH vom 30.01.2007, 2006/05/0207

VwGH vom 30.01.2007, 2006/05/0207

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der Hertha Polster und 2. des Dr. Wilhelm Schmid, beide in Wien, beide vertreten durch Held, Berdnik, Astner & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Universitätsstraße 4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 492/05, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Dipl.- Ing. Dr. Karin Stieldorf in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Stieldorf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 1-3),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen;

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

III. Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 381,90 und der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin und die Mitbeteiligte sind - neben anderen Personen - Miteigentümer der Liegenschaft W-Straße 12 in Wien, die teilweise im Wohnungseigentum steht.

Mit Eingabe vom stellte der Zweitbeschwerdeführer als Bauwerber ein Ansuchen um Baubewilligung betreffend "Umnutzung" bestehender Räumlichkeiten von Top 24 "samt Zugänglichkeit zum Flachdach".

Am fand eine Eigentümerversammlung statt, bei der laut Protokoll 92,13 % der Eigentümer vertreten waren. Dem Protokoll ist zu entnehmen, dass mit Ausnahme der mitbeteiligten Partei alle anderen Miteigentümer dem Umbau von Top 24 gemäß dem Einreichplan vom ihre Zustimmung erteilt haben.

Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien die beantragte Bewilligung, die folgende Bauführung vorzunehmen:

"Die im Dachgeschoß des Hoftraktes gelegenen Atelierräumlichkeiten werden zur Schaffung einer Wohnung aufgelassen, wobei die angrenzenden Dachbodenresträume in den neuen Wohnungsverband miteinbezogen werden. Der bestehende Dachumriss wird beibehalten und neue Dachflächenfester eingebaut. Am Flachdach wird eine Dachterrasse hergestellt, die über eine interne Verbindungsstiege erschlossen wird. Der hierfür erforderliche Einlagerungsraum wird nach Aufstellen von Trennwänden im Kellergeschoß bereitgestellt."

In der gegen diesen Bescheid von der Mitbeteiligten erhobenen Berufung vom führte diese zunächst aus, dass der Bescheid am postalisch hinterlegt worden sei, sie jedoch bis ortsabwesend gewesen sei und somit vom Zustellvorgang keine Kenntnis habe erlangen können. Die Zustellung sei ihr gegenüber erst am erfolgt, weshalb die Berufung rechtzeitig sei. Als Beweis hierfür bot die Mitbeteiligte ihre Vernehmung als Partei an. Des Weiteren führte sie im Wesentlichen aus, dass sie weder die Baupläne unterfertigt noch sonst ihre Zustimmung zum gegenständlichen Bauvorhaben schriftlich erklärt habe. Der Gegenstand des Mehrheitsbeschlusses vom sei der Umbau gemäß dem Einreichplan vom gewesen. Gegenstand der Baubewilligung sei nunmehr ein Einreichplan vom März 2005. Über diesen Einreichplan habe es keinen Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft gegeben. Die Zustimmung zum Umbau sei auch allein gegenüber der Erstbeschwerdeführerin und nicht gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer, der als Bauherr aufgetreten sei, erklärt worden. Der Mehrheitsbeschluss habe eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung betroffen, wobei jedoch derartige Beschlüsse nur bezüglich der Veränderung von allgemeinen Teilen der Liegenschaft gefasst werden könnten. Im Hinblick auf die Terrasse und das Flachdach handle es sich aber nicht um allgemeine Teile der Liegenschaft. Gemäß § 17 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) könne eine Benützungsvereinbarung nur durch schriftliche Vereinbarung sämtlicher Eigentümer festgelegt werden. Auch diese Benützungsvereinbarung könne nur für allgemeine Teile der Liegenschaft getroffen werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung statt. Zur Rechtzeitigkeit der Berufung wurde begründend dargelegt, dass keinerlei Veranlassung gegeben sei, an der Richtigkeit der Angaben der Mitbeteiligten hinsichtlich ihrer Ortsabwesenheit bis zu zweifeln. Die Zustellung sei daher erst am erfolgt, weshalb auch die Berufung rechtzeitig sei. Des Weiteren wurde dargelegt, dass die Einholung eines Mehrheitsbeschlusses im Sinne des am Tag der Beschlussfassung geltenden § 13b Wohnungseigentumsgesetz 1975 (WEG 1975) im gegenständlichen Fall nicht in Betracht komme, da bauliche Änderungen an einem Objekt vorgenommen bzw. nachträglich hätten bewilligt werden sollen, an dem kein Wohnungseigentum begründet worden sei, sondern das lediglich auf Grund der geltenden Gebrauchsordnung der Erstbeschwerdeführerin zur ausschließlichen Benützung überlassen worden sei. Die Einholung einer Zustimmung der Mitbeteiligten gemäß § 13 Abs. 2 WEG 1975 bzw. § 16 Abs. 2 WEG 2002 sei nicht möglich, da sich das gegenständliche Objekt nicht im Wohnungseigentum befinde. Es könne nur eine Überprüfung in einem Außerstreitverfahren nach den Kriterien des § 835 ABGB erfolgen. Es sei keine Einigung mit der mitbeteiligten Partei erfolgt, und diese sei auch nicht durch einen rechtskräftigen Gerichtsbeschluss ersetzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, dass es sich bei den angrenzenden Dachbodenresträumen, den neun Dachflächenfenstern und dem Flachdach jedenfalls um "allgemeine Teile" des Hauses handle. Es liege eine Beschlussfassung nach § 14 Abs. 3 WEG 1975 vor, die von der mitbeteiligten Partei auch nicht bekämpft worden sei. Der Rechtsanspruch bestehe unter Berücksichtung der Übergangsbestimmung des § 56 Abs. 12 WEG 2002 im Zusammenhang mit § 29 Abs. 1 WEG 2002 und § 14 Abs. 3 WEG 1975. Die belangte Behörde habe diese Bestimmungen nicht beachtet. Zudem würden jegliche Angaben über die Ortsabwesenheit der mitbeteiligten Partei fehlen; die belangte Behörde habe auch keinerlei Feststellungen über die Dauer und den Ort der Abwesenheit getroffen. Zudem habe die belangte Behörde das Recht auf Parteiengehör verletzt, da sie den Beschwerdeführern keine Möglichkeit gegeben habe, zu den Ausführungen der Berufung und zur behaupteten Ortsabwesenheit Stellung zu nehmen.

Zu I.:

Nach ständiger Rechtsprechung muss die Verletzung eines subjektiven Rechts gegenüber dem Beschwerdeführer wenigstens möglich sein, da ansonsten die Beschwerde mangels Legitimation zurückzuweisen ist (vgl. die bei Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 412 zitierte hg. Judikatur). Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass dem Eigentümer, der nicht zugleich Bauwerber ist, durch die Bauordnung ein Recht auf Erteilung einer Baubewilligung nicht eingeräumt wird. Er kann daher durch einen Bescheid, mit dem dem Bauwerber eine Baubewilligung versagt wird, nicht in seinen Rechten verletzt sein (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/0022).

Die Erstbeschwerdeführerin ist lediglich Grundmiteigentümerin. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde allein dem Zweitbeschwerdeführer als Bauwerber die Baubewilligung versagt. Die Erstbeschwerdeführerin kann somit durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt sein, weshalb ihr die Legitimation zur Erhebung der Beschwerde fehlt.

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Zu II.:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 17 Abs. 3 Zustellgesetz sieht vor, dass hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten. Sie gelten aber nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Zunächst ist hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Berufung festzuhalten, dass gemäß § 46 AVG als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Die belangte Behörde ist den Parteienangaben, die als Beweismittel somit in Frage kommen, gefolgt. Sie hat auch begründet, weshalb sie diesen Angaben gefolgt ist, nämlich weil es keinerlei Hinweise gegeben habe, die an den Ausführungen der mitbeteiligten Partei zweifeln ließen.

Es trifft jedoch zu, dass mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung nicht dargetan werden kann (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, S. 1997 unter E 72 zitierte hg. Judikatur). Die vorliegende Beschwerde rügt nun die Unterlassung von Ermittlungen zur Ortsabwesenheit, also einen Verfahrensmangel. Damit diese Rüge zum Erfolg führte, müsste in der Beschwerde die Relevanz des Verfahrensmangels dargelegt werden, nämlich dass auf Grund der Ermittlungen ein anders lautender Bescheid möglich gewesen wäre. In der Beschwerde wird jedoch nicht einmal behauptet, dass die Annahme der Ortsabwesenheit unzutreffend wäre, noch wird sonst dargelegt, dass die belangte Behörde bei weiteren Ermittlungen zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Damit wird folglich auch nicht aufgezeigt, inwieweit der angefochtene Bescheid an einer Rechtswidrigkeit infolge einer relevanten Verletzung von Verfahrensvorschriften leidet.

Auch hinsichtlich der in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verletzung des Parteiengehörs ist festzuhalten, dass in der Beschwerde die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird, da nicht ausgeführt wird, welches Vorbringen der Zweitbeschwerdeführer dabei erstattet hätte und welche Gründe dafür sprechen, dass die Behörde bei Kenntnis dieses Vorbringens zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

Im vorliegenden Fall geht es um eine Bauführung, bei der eine Wohnung geschaffen werden soll bzw. bei der Dachbodenräume (nach dem Einreichplan Bodenräume, eine Rollkammer, ein Bügelzimmer) in einen Wohnungsverband einbezogen und Dachflächenfenster neu errichtet werden sollen.

Derartige Maßnahmen bedürfen der Zustimmung aller Miteigentümer. Ein - wenn auch unbekämpft gebliebener - Mehrheitsbeschluss reicht dafür nicht aus, da es sich dabei um keine Maßnahme der Verwaltung, sondern um eine Verfügung handelt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/05/0105, mwN, und Zl. 2004/05/0196, mwN, auf deren Begründungen insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Entgegen dem Beschwerdevorbringen vermag daher ein unangefochten gebliebener Mehrheitsbeschluss nach § 14 Abs. 3 WEG 1975 (oder auch nach § 29 Abs. 1 WEG 2002) dem Zustimmungserfordernis des § 63 Abs. 1 lit. c BO nicht zu genügen.

Daran kann auch der in der Beschwerde ins Treffen geführte § 56 Abs. 12 WEG 2002 nichts ändern. Diese Norm regelt nämlich - soweit hier von Bedeutung - lediglich, dass dann, wenn auf Grund der vormaligen Rechtslage auch schlichte Miteigentümer vorhanden sind, die sich auf die Wohnungseigentümer beziehenden Regelungen des neuen Rechts sinngemäß auch für die schlichten Miteigentümer gelten, soweit die ihnen entsprechenden Bestimmungen des WEG 1975 auch für die schlichten Miteigentümer galten. Dies mag im Sinne der Beschwerde bedeuten, dass nach dem WEG 2002 im Falle auch schlichten Miteigentums § 29 Abs. 1 WEG 2002 zum Tragen kommt, jedoch gilt dies nur, ebenso wie hinsichtlich § 14 Abs. 3 WEG 1975, bei Verwaltungsmaßnahmen, nicht aber bei hier gegenständlichen Verfügungen. Für diese reichte ein Mehrheitsbeschluss auch nach dem WEG 1975 nicht aus (vgl. die Nachweise im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0196).

Die Erteilung einer Baubewilligung nur für Teile der geplanten Baumaßnahmen, wie in der Beschwerde moniert wird, scheidet schon deshalb aus, weil nach den Einreichunterlagen keine Teilbarkeit des Bauvorhabens vorliegt; es soll nämlich entsprechend den Plänen eine einheitliche neue Wohnung mit entsprechender Belichtung und Dachterrasse geschaffen werden.

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Zu III.:

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm

der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am