VwGH vom 04.11.2009, 2008/17/0094
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des Zollamts FW in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. ZRV/0114-Z2L/06, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA Altlastenbeiträge (mitbeteiligte Partei: WE in D, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid des Hauptzollamtes Feldkirch vom wurden gegenüber der mitbeteiligten Partei Altlastenbeiträge für die Anmeldungszeiträume 1. bis
4. Quartal 2000 und 1. bis 3. Quartal 2001 in der Höhe von insgesamt S 595.119,-- festgesetzt. Die mitbeteiligte Partei erhob, vertreten durch Rechtsanwälte, die sich gemäß § 8 RAO auf die erteilte Vollmacht beriefen, Berufung. Über diese Berufung erging am eine Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Feldkirch, die dem Mitbeteiligten zu Handen seiner Rechtsvertreter zugestellt wurde.
1.2. Im Zuge der weiteren Ermittlungen betreffend die der Abgabenvorschreibung zu Grunde liegenden Ablagerungen wurde festgestellt, dass auch in den Jahren 1999 und nach dem
3. Quartal 2001 Ablagerungen von Abfällen vorgenommen worden seien. Auf diesen Umstand wurde auch vom Zollamt Feldkirch in der oben unter 1.1. genannten Berufungsvorentscheidung hingewiesen und dazu ausgeführt, dass die sich daraus ergebende Abgabepflicht nicht Gegenstand der vom Zollamt Feldkirch zu treffenden Berufungsvorentscheidung sei, weil sie nicht von der mit Berufung bekämpften erstinstanzlichen Erledigung erfasst sei.
1.3. Es wurde aber vom Zollamt Wolfurt (in Berücksichtigung eines auf Grund einer Novellierung des AVOG mit erfolgten Zuständigkeitsübergangs) mit Erledigung vom dem Beschwerdeführer Altlastenbeitrag für das 1., 3. und 4. Quartal 1999 sowie für das 1. und 2. Quartal 2002 vorgeschrieben.
Eine gegen diese Vorschreibung erhobene Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
1.4. Auf Grund der gegen diese Berufungsvorentscheidung erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei wurde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufungsvorentscheidung aufgehoben.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass eine Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid gemäß § 85b Abs. 3 Zollrechts-Durchführungsgesetz in Verbindung mit § 273 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen habe, wenn die Berufung nicht zulässig sei. Mit Berufung anfechtbar seien nur Bescheide. Daher seien Berufungen gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen.
Gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz in der für den maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 10/2004) sei ein Zustellungsbevollmächtigter als Empfänger zu bezeichnen, soweit ein solcher bestellt und gesetzlich nichts anderes bestimmt sei.
In der erstinstanzlichen Erledigung vom sei die mitbeteiligte Partei selbst als Empfänger bezeichnet und ihr das Schriftstück auch zugestellt worden. Unterbleibe aber entgegen § 9 Abs. 3 Zustellgesetz die Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger und erfolge die Zustellung an den Vertretenen, so sei sie unwirksam. Eine Sanierung nach § 7 Zustellgesetz sei bei falscher Empfängerbezeichnung nicht möglich. Die in der Fassung vor der Novelle des Zustellgesetzes durch BGBl. I Nr. 10/2004 enthaltene Bestimmung, dass mit dem tatsächlichen Zukommen an den Zustellungsbevollmächtigten die Zustellung als bewirkt gelte (§ 9 Abs. 1 Zustellgesetz), sei im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr in Kraft gewesen. Die als Abgabenbescheid intendierte Erledigung der Abgabenbehörde erster Instanz sei daher mangels rechtswirksamer Zustellung nicht als Bescheid rechtlich existent geworden. Das Zollamt hätte daher die Berufung als unzulässig zurückweisen müssen. Die Entscheidung in der Sache sei rechtswidrig gewesen.
1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG, in der die Auffassung vertreten wird, dass die mitbeteiligte Partei zum Zeitpunkt der Zustellung in einer anderen Sache, nämlich im Berufungsverfahren gegen den Bescheid des Hauptzollamtes Feldkirch vom , durch die einschreitenden Rechtsanwälte vertreten gewesen sei. Dieser Umstand könne jedoch nicht bewirken, dass eine für das Berufungsverfahren beim Hauptzollamt Feldkirch bestehende Prozess-, Geld- und Zustellungsvollmacht auch auf weitere Abgabenverfahren bei einer anderen Behörde, nämlich bei der beschwerdeführenden Behörde, betreffend andere Beitragszeiträume ausgedehnt werde. Die Vorschreibung der Beiträge für die Jahre 1999 und 2002 durch die beschwerdeführende Behörde sei eine andere, neue Sache, auf die sich die Vertretungsbefugnis der Rechtsanwälte gegenüber dem Hauptzollamt Feldkirch nicht erstreckt habe.
1.6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der darauf verwiesen wird, dass die mitbeteiligte Partei seit Beginn des Verfahrens nach dem Altlastensanierungsgesetz anwaltlich vertreten gewesen sei und kein Wechsel oder Erlöschen des Vertretungsverhältnisses angezeigt worden sei. Ungeachtet der Festsetzung von Abgaben in mehreren Bescheiden handle es sich um ein einheitliches Verfahren, sodass der erstinstanzliche Bescheid vom nicht dem Beschwerdeführer persönlich, sondern seinen bevollmächtigten Rechtsvertretern zuzustellen gewesen wäre; es wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 83 Abs. 1 BAO in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor dem Abgabenverwaltungsreformgesetz, BGBl. I Nr. 20/2009, konnten sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen hatten. Nach der Rechtsprechung ersetzte jedoch auch im Abgabenverfahren die Berufung auf die Bevollmächtigung gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz RAO deren urkundlichen Nachweis (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/13/0231, mit weiteren Nachweisen; welche Rechtsfolge die Neufassung des § 83 Abs. 1 BAO mit dem Abgabenverwaltungsreformgesetz, BGBl. I Nr. 20/2009, durch welche neuerlich die Anordnung, dass sich die Vertreter durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen hätten, erlassen wurde, ist im Beschwerdefall nicht zu entscheiden).
Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind Zustellungen, soweit in der BAO nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen.
Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt (lit. a) bei schriftlichen Erledigungen in der Regel durch Zustellung.
§ 103 BAO in der Fassung BGBl. Nr. 71/2003 lautet:
"§ 103.
(1) Ungeachtet einer Zustellungsbevollmächtigung sind Vorladungen (§ 91) dem Vorgeladenen zuzustellen. Im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen können aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden.
(2) Eine Zustellungsbevollmächtigung ist Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie
a) ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen, oder
b) ausdrücklich auf nur einige jener Abgaben eingeschränkt ist, deren Gebarung gemäß § 213 zusammengefasst verbucht wird."
Gemäß § 104 BAO besteht die Verpflichtung zur Mitteilung im Sinne des § 8 Abs. 1 des Zustellgesetzes für Abgabepflichtige so lange, als von ihnen Abgaben, ausgenommen durch Einbehaltung im Abzugswege zu entrichtende, wiederkehrend zu erheben sind.
2.2. Da die BAO hinsichtlich der Zustell(ungs)bevollmächtigung abgesehen von § 103 BAO und der Vorschrift für die Zustellung in Fällen, in denen mehrere Personen für die Erfüllung einer Verpflichtung in Betracht kommen (§ 81 Abs. 2 BAO) keine Sondervorschriften enthält, sind hiefür grundsätzlich die Vorschriften des Zustellgesetzes maßgeblich.
Die Einschränkungen des § 103 Abs. 2 BAO betreffend die Wirksamkeit einer Zustellungsbevollmächtigung führen gegebenenfalls zur Unwirksamkeit der Zustellungsbevollmächtigung, besagen jedoch nichts für die hier zu entscheidende Frage, welche Wirkung eine der Abgabenbehörde bekannt gegebene Zustellungsbevollmächtigung, wenn sie wirksam ist, entfaltet.
Für die Zustellung an einen mit Zustellbevollmächtigung ausgestatteten Vertreter war daher grundsätzlich § 9 Abs. 1 und 3 Zustellgesetz maßgeblich.
Wie sich nicht zuletzt aus § 81 Abs. 2 BAO,§§ 103 Abs. 2 und 104 BAO ergibt, geht der Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass für die Zwecke der Abgabenerhebung die wiederkehrende Erhebung von Abgaben bzw. die Erhebung von Abgaben, deren Gebarung zusammengefasst verbucht wird, insofern als eine einheitliche Verwaltungssache konstituierend zu verstehen sind, als sich zustellrechtliche Dispositionen nicht bloß isoliert auf ein einzelnes Verfahren zur Vorschreibung einer Abgabe für einen bestimmten Zeitraum oder zur Vorschreibung einer bestimmten Abgabe erstrecken.
Eine allgemeine Zustellbevollmächtigung zur Empfangnahme von Dokumenten der Abgabenbehörde (die nicht gegen § 103 Abs. 2 lit. a BAO verstößt) in Angelegenheiten des Altlastenbeitrags hat in diesem Sinne grundsätzlich Wirkung für alle von der Behörde in Angelegenheiten des Altlastenbeitrags vorzunehmende Zustellungen und ist nicht auf ein bestimmtes einzelnes Verfahren betreffend einen konkreten Abgabenzeitraum beschränkt.
2.3. Fraglich könnte angesichts der Tatsache, dass im vorliegenden Fall auf Grund von Organisations- und Zuständigkeitsänderungen verschiedene Behörden (zunächst das Hauptzollamt Feldkirch, bei Erlassung der Berufungsvorentscheidung das Zollamt Feldkirch, im hier vorliegenden Verfahren in erster Instanz das Zollamt Wolfurt) eingeschritten sind, lediglich sein, ob eine dem (zunächst) zuständigen Zollamt gegenüber bekannt gegebene Zustellbevollmächtigung auch weiter wirksam ist, wenn die Zuständigkeit betreffend jene Abgabe, für die die Bevollmächtigung erteilt war, auf eine andere Behörde (ein anderes Zollamt) übergeht.
Dies ist - wie auch die belangte Behörde in der Gegenschrift vertreten hat - im Hinblick darauf zu bejahen, dass davon auszugehen ist, dass eine im Zeitablauf an Stelle einer früher zuständigen Behörde zuständig gewordene Behörde in deren Rechtsposition eintritt und sowohl anhängige Verwaltungsverfahren in dem Stadium zu übernehmen hat, in dem sie sich befinden, als auch generell Rechtsbeziehungen zwischen Behörde und Partei durch den Zuständigkeitswechsel, sofern nicht Gegenteiliges angeordnet wird, keine Änderung erfahren. Im Falle von Zuständigkeitsänderungen, wie sie im Beschwerdefall eingetreten waren, ist es Sache der beteiligten Verwaltungsbehörden die für die Erledigung der Sache notwendigen Informationen auszutauschen. Soweit Parteierklärungen einer Behörde gegenüber mit Wirksamkeit für bestimmte Verfahren abgegeben wurden, behalten diese auch im Falle einer Zuständigkeitsänderung ihre Wirksamkeit. Eine Zustellbevollmächtigung ist daher auch von einer neu zuständig gewordenen Behörde zu beachten.
Der Umstand, dass die Zustellbevollmächtigung der Abgabenbehörde gegenüber zu einem Zeitpunkt erklärt wurde, zu dem die beschwerdeführende Behörde noch nicht zuständig war, ändert nichts daran, dass sich die Zustellbevollmächtigung auf sämtliche Angelegenheiten der Vorschreibung des Altlastenbeitrages bezog. Organisations- und Zuständigkeitsänderungen führen nicht dazu, dass der zum Zeitpunkt der Erklärung zuständigen Behörde gegenüber wirksam abgegebene Prozesserklärungen in weiterer Folge nicht wirksam wären.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass auch die Bescheide betreffend die Abgabenvorschreibung für die Jahre 1999 und für den Zeitraum nach dem 3. Quartal 2001 nicht der mitbeteiligten Partei selbst, sondern deren Rechtsvertretern zuzustellen gewesen wären.
2.4. Die belangte Behörde ist daher weiters zutreffend davon ausgegangen, dass die mit Berufung bekämpfte erstinstanzliche Erledigung im Hinblick auf den formellen Empfängerbegriff in § 7 Zustellgesetz und das Fehlen der Heilungsbestimmung, wie sie § 9 Abs. 1 Zustellgesetz in der Fassung vor BGBl. I Nr. 10/2004 enthalten hatte (und nunmehr neuerlich § 9 Abs. 3 Zustellgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 enthält), nicht als Bescheid wirksam entstanden war und die Berufung daher zurückzuweisen gewesen wäre.
2.5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Ein Kostenzuspruch an den Rechtsträger der belangten Behörde hatte gemäß § 47 Abs. 4 VwGG, im Hinblick auf welchen die belangte Behörde auch von einem entsprechenden Antrag Abstand genommen hat, zu unterbleiben.
Wien, am