VwGH 05.11.2015, 2013/06/0199
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die Frage der Rechtmäßigkeit einer baulichen Anlage ist als Vorfrage vor dem Erlassen eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 zu klären (Hinweis E vom , 2012/06/0011, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2013/06/0160 E RS 2 |
Normen | BauG Stmk 1995 §12 Abs3; BauG Stmk 1995 §19 Z4; BauG Stmk 1995 §4 Z44; BauG Stmk 1995 §41 Abs3; |
RS 2 | Mit dem Vorbringen, es handle sich lediglich um eine Sanierung der beschädigten Einfriedung unter Einbeziehung sowie Verwendung der bereits vorhandenen Betonfundamente der vormaligen Einfriedung und die Einfriedung entstehe an derselben Stelle, verkennt die Beschwerdeführerin, dass die vorgenommenen Bauarbeiten nicht als Instandsetzungsarbeiten im Sinne des § 12 Abs. 3 Stmk BauG 1995 verstanden werden können, weil es sich dabei um eine Neuerrichtung handelt. Dass Fundamente der früheren Einfriedung verwendet wurden, vermag daran nichts zu ändern, zumal nach § 4 Z 44 Stmk BauG 1995 ein Neubau auch dann vorliegt, wenn nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente ganz oder teilweise wiederverwendet werden (Hinweis E vom , 2012/06/0106, mwN). |
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RS 3 | Aus einer rechtswidrigen Vorgangsweise gegenüber Dritten kann niemand für sich einen Anspruch auf vergleichbare Rechtswidrigkeit ableiten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 98/14/0145 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones sowie den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der A K in G, vertreten durch Mag. Erwin Schweighofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Tummelplatz 6/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A 17 - 016078/2008/0005, betreffend einen Beseitigungsauftrag (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995) als Eigentümerin der baubehördliche Auftrag erteilt, die auf ihrem Grundstück Nr. 21/3, EZ. 559, KG R, errichtete "Grundstückseinfriedung (Betonsockel mit Betonsäulen zur (M.-gasse) und zur (H.-gasse), sowie Betonsockel mit Maschendraht zum (H.-weg))" binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die bauliche Anlage sei ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden. Die Errichtung des Zaunes stelle als Neubau einer Einfriedung zu öffentlichen Verkehrsflächen gemäß § 19 Z 3 lit. c Stmk BauG 1995 grundsätzlich ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben dar. Mangels einer Bewilligung sei die bauliche Anlage vorschriftswidrig errichtet, weshalb ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Bewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 Stmk BauG 1995 ein Beseitigungsauftrag zu erlassen sei.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, infolge eines Sturmes seien am Bäume umgestürzt, wodurch massive Schäden an der bestehenden Einfriedung entstanden seien, welche sowohl für die Verkehrsteilnehmer als auch für die Beschwerdeführerin und deren Familienmitglieder eine Gefahr dargestellt hätten. Daher habe die Beschwerdeführerin eine näher bezeichnete Baufirma mit der Sanierung der Einfriedung beauftragt. Sodann habe sich herausgestellt, dass infolge des Sturms sowohl der Maschendrahtzaun als auch die Betonsockel beziehungsweise die Fundamente und die Betonsäulen derart beschädigt gewesen seien, dass eine Sanierung vollkommen unwirtschaftlich gewesen wäre, zumal die Kosten der Sanierung jene einer Neuerrichtung bei weitem überstiegen hätten. Die Beschwerdeführerin sei bei der mündlichen Beauftragung der Firma davon ausgegangen, dass die Baufirma sämtliche mit der Bauausführung verbundenen Maßnahmen - auch die Einholung erforderlicher behördlicher Genehmigungen - setze. Offensichtlich habe es die bauausführende Firma jedoch unterlassen, ein Ansuchen um behördliche Bewilligung einzubringen. Die für ein Bauansuchen erforderlichen Unterlagen seien mittlerweile erstellt und bei der Behörde eingereicht worden. Eine ordnungsgemäß belegte Bauanzeige mit dem Ersuchen um nachträgliche Bewilligung beziehungsweise Genehmigung der Grundstückseinfriedung werde nachgereicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und führte nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie von Rechtsvorschriften im Wesentlichen begründend aus, die Baubehörde habe am festgestellt, dass auf dem gegenständlichen Grundstück eine Grundstückseinfriedung ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden sei. Gemäß § 20 Z 3 lit. c Stmk BauG 1995 seien Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen sowie Stützmauern, jeweils bis zu einer Höhe von 1,5 m, anzeigepflichtig. Die gegenständliche Einfriedung falle unter diese Bestimmung und bedürfe somit vor ihrer Errichtung einer Genehmigung (Baufreistellung). Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0106, die Abweisung des Bauansuchens betreffend die beantragte Einfriedung bestätigt. Für die gegenständliche Einfriedung liege keine Baufreistellung beziehungsweise Baubewilligung vor.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 935/2013-8, ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der unter einem an den Verwaltungsgerichtshof ausgeführten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
§ 4 Stmk BauG idF LGBl. Nr. 59/1995 lautet auszugsweise:
"§ 4. Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Gesetz folgende Bedeutung:
...
44. Neubau: Herstellung einer neuen baulichen Anlage, die keinen Zu- oder Umbau darstellt. Ein Neubau liegt auch dann vor, wenn nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden;
..."
§ 12 Stmk BauG idF LGBl. Nr. 59/1995 lautet auszugsweise:
"§ 12. (1) ...
...
(3) An Bauten, die zum Zeitpunkt der Festlegung der Baufluchtlinie schon bestehen und ganz oder teilweise vor der Baufluchtlinie liegen, dürfen an den vor der Baufluchtlinie liegenden Teilen nur Instandsetzungsarbeiten und innere Umbauten vorgenommen werden."
§ 19 Stmk BauG idF LGBl. Nr. 78/2003 lautet auszugsweise:
"§ 19. Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:
...
4. Einfriedungen gegen Nachbargrundstücke oder öffentliche Verkehrsflächen sowie Stützmauern, jeweils ab einer Höhe von mehr als 1,5 m;
..."
§ 20 Stmk BauG idF LGBl. Nr. 78/2003 lautet auszugsweise:
"§ 20. Anzeigepflichtig sind folgende Vorhaben, soweit sich aus § 21 nichts anderes ergibt:
...
3. Die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von
...
c) Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen sowie Stützmauern, jeweils bis zu einer Höhe von 1,5 m;
..."
§ 41 Stmk BauG idF LGBl. Nr. 59/1995 lautet auszugsweise:
"§ 41.
...
(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.
..."
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, es erfolge eine Reduzierung der Breite der H.-gasse gegenüber der Festlegung im 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 um 5,5 m, und zwar von 14 m auf 8,5 m. Die Bau- und Anlagenbehörde des Magistrats der Stadt Graz lasse Willkür walten. Auf der gegenüber der Liegenschaft der Beschwerdeführerin gelegenen ostseitigen Fahrbahnseite der H.- gasse sei in der Natur bereits ein Gehsteig mit einer Breite von 1,5 m vorhanden, woran die Fahrbahn mit 5,5 m anschließe und daran wiederum der westseitig der G.-gasse noch zu errichtende Gehsteig entlang der Liegenschaft der Beschwerdeführerin. Somit ergebe sich ein Abstand zwischen der westlichen Grenze der H.-gasse beziehungsweise der neuen Straßenfluchtlinie und der gegenständlichen Einfriedung von 4,0 m. Es sei nicht nachvollziehbar, dass nur entlang der Liegenschaft der Beschwerdeführerin eine Einlösung eines etwa 1,5 m breiten Streifens erfolgen müsse. Selbst bei Reduzierung der Straßenbreite von 14 m auf 8,5 m, ausgehend von der Straßenachse, wäre dies eine Verschiebung der Straßenfluchtlinie um 2,75 m in Richtung Osten, sodass diese räumlich vor der errichteten Einfriedung gelegen wäre.
Darüber hinaus liege auch deshalb ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde vor, weil die anderen Grundstückseigentümer entlang der H.-gasse trotz Änderungen der Gassenbreite von keinen Grundabtretungen betroffen und hinsichtlich ihrer bestehenden Einfriedungen keine Beseitigungsaufträge ergangen seien. Der Beschwerdeführerin hingegen sei trotz lediglich erfolgter Sanierung durch teilweise Neuerrichtung der Einfriedung entlang der Grundstücksgrenze im Bereich des H.-weges sowie der M.-gasse ein Beseitigungsauftrag erteilt worden, wenngleich die Einfriedung an derselben Stelle und größtenteils unter Einbeziehung sowie Verwendung der bereits vorhandenen Betonfundamente der vormals bestandenen Einfriedung errichtet worden sei.
Die Baufluchtlinie gemäß 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 betreffe die H.-gasse und daher sowohl den einmündenden H.-weg als auch die einmündende M.-gasse jeweils in einer Länge von 1,5 m entlang der Grundstücksgrenze, wohingegen sie nach Reduzierung der Straßenbreite der H.-gasse auf 8,5 m weder die einmündende M.- gasse noch den H.-weg betreffe, weshalb der Beseitigungsauftrag hinsichtlich der vorgenannten Bereiche der M.-gasse und des H.- weges unbegründet sei.
Verfahrensgegenständlich ist nur die Frage, ob der an die Beschwerdeführerin ergangene Beseitigungsauftrag zu Recht ergangen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass die Erteilung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 nur dann in Betracht kommt, wenn die Errichtung eines bestimmten Baues sowohl zum Zeitpunkt der Bauausführung als auch zum Zeitpunkt der Erteilung des Beseitigungsauftrages bewilligungspflichtig beziehungsweise anzeigepflichtig beziehungsweise zwar bewilligungsfrei war, aber gegen Bestimmungen des Stmk BauG 1995 verstoßen hat. Die Frage der Rechtmäßigkeit einer baulichen Anlage ist als Vorfrage vor dem Erlassen eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 zu klären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0160).
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die gegenständliche Anlage die Kriterien für die Bewilligungsbzw. Anzeigepflicht erfüllt und dass dafür weder eine Baubewilligung noch eine Anzeige vorliegt.
Mit dem Vorbringen, es handle sich lediglich um eine Sanierung der beschädigten Einfriedung unter Einbeziehung sowie Verwendung der bereits vorhandenen Betonfundamente der vormaligen Einfriedung und die Einfriedung entstehe an derselben Stelle, verkennt die Beschwerdeführerin, dass die vorgenommenen Bauarbeiten nicht als Instandsetzungsarbeiten im Sinne des § 12 Abs. 3 Stmk BauG 1995 verstanden werden können, weil es sich dabei um eine Neuerrichtung handelt. Dass Fundamente der früheren Einfriedung verwendet wurden, vermag daran nichts zu ändern, zumal nach § 4 Z 44 Stmk BauG 1995 ein Neubau auch dann vorliegt, wenn nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente ganz oder teilweise wiederverwendet werden (vgl. dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0106, mwN).
Da für die gesamte bauliche Anlage weder eine Bauanzeige noch eine Baubewilligung vorliegt, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie hinsichtlich der gesamten Einfriedung einen baubehördlichen Beseitigungsauftrag erlassen hat (vgl. zur grundsätzlichen baulichen Einheit von Einfriedungen das zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0106, mwN).
Nicht zielführend ist schließlich das Vorbringen, dass bezüglich anderer baulicher Anlagen keine Abtragungsaufträge ergangen seien. Aus einer allenfalls rechtswidrigen behördlichen Vorgangsweise gegenüber Dritten kann nämlich kein Anspruch auf eine vergleichbare Rechtswidrigkeit abgeleitet werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/05/0065, mwN).
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §38; BauG Stmk 1995 §12 Abs3; BauG Stmk 1995 §19 Z4; BauG Stmk 1995 §4 Z44; BauG Stmk 1995 §41 Abs3; BauRallg; B-VG Art7 Abs1; StGG Art2; VwRallg; |
Schlagworte | Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:2013060199.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-80541