VwGH vom 21.05.2007, 2006/05/0165
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der Sans Souci Immobilienanlagen GmbH und 2. der Sans Souci Privatstiftung, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 13/06, betreffend Bauauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den beschwerdeführenden Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die zweitbeschwerdeführende Partei ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 36, Grundbuch 01108 Unterlaa, bestehend aus dem Grundstück Nr. 473 Baufläche, Klederinger Straße 174.
Mit Verfügung des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurde die erstbeschwerdeführende Partei "als Bauwerberin" in der "Angelegenheit" "nicht genehmigter Zubau auf der Liegenschaft 10 Bez. Klederinger Straße 174" für den geladen. In der Verhandlungsschrift wurde als "Eigentümerin der Baulichkeit" die erstbeschwerdeführende Partei und als Grundeigentümerin die (nicht geladene) zweitbeschwerdeführende Partei angeführt. Für die geladene erstbeschwerdeführende Partei ist zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen.
In der Verhandlungsschrift wurde von der Baubehörde erster Instanz festgehalten, dass auf der Liegenschaft Klederinger Straße 174 an das bestehende Gebäude an der linken Grundgrenze ein Zubau in Massivbauweise im Ausmaß von ca. 303 m2 und einer Gebäudehöhe von 4,50 m ohne vorher erwirkte baubehördliche Bewilligung errichtet worden sei.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurde "der Eigentümerin des Gebäudes auf der im Betreff genannten Liegenschaft nachstehender Auftrag" gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien erteilt:
"Binnen sechs Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides ist der ohne Baubewilligung auf der Liegenschaft Klederinger Straße 174, EZ 36 der Kat.Gem. Unterlaa beim bestehenden Gebäude an der linken Grundgrenze errichtete Zubau im Ausmaß von ca. 303 m2 und einer Gebäudehöhe von ca. 4,50 m zu entfernen."
Dieser Bescheid wurde der erstbeschwerdeführenden Partei "als Eigentümerin des Gebäudes", der zweitbeschwerdeführenden Partei "als Grundeigentümerin" zugestellt.
Im erstinstanzlichen Bescheid fehlen Begründungsdarlegungen zur Frage, warum Eigentümer des Gebäudes die erstbeschwerdeführende Partei ist.
Die beschwerdeführenden Parteien erhoben Berufung, in der sie auf ein eingereichtes Bauansuchen verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der erstbeschwerdeführenden Partei als unbegründet abgewiesen, die Berufung der zweitbeschwerdeführenden Partei "mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen".
Begründend führte die belangte Behörde aus, die erstbeschwerdeführende Partei habe "nicht bestritten, dass sie Eigentümerin der im Spruch ersichtlichen Baulichkeit ist". Der gegenständliche Zubau sei gemäß § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien bewilligungspflichtig und dürfe ohne entsprechende baubehördliche Bewilligung nicht errichtet werden. Die Frage, ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden könne, sei keine Vorfrage für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien.
Der Beseitigungsauftrag nach § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien sei an den Eigentümer der vorschriftswidrigen Bauten zu richten. Nur dieser sei zu einer Leistung verpflichtet. Der zweitbeschwerdeführenden Partei sei der erstinstanzliche Bescheid lediglich "in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümerin" und nicht als Eigentümerin der gegenständlichen Baulichkeiten zugestellt worden; sie habe daher keine Parteistellung erlangt. Der angefochtene Bescheid richte sich lediglich an die Eigentümerin der Baulichkeit, der Grundeigentümerin würden keine Verpflichtungen auferlegt. Das Berufungsrecht sei untrennbar mit der Rechtsstellung als Partei in einem Verfahren verbunden. Personen, die keine Stellung als Partei hätten, komme daher kein Berufungsrecht zu. Die Berufung der zweitbeschwerdeführenden Partei sei daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem subjektivöffentlichen Recht verletzt, entgegen den Vorschriften der Bauordnung für Wien nicht zur Abtragung bewilligter oder konsensgemäß bestehender oder bewilligungsfähiger Bauten verhalten zu werden.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird in der Beschwerde ausgeführt, dass die zweitbeschwerdeführende Partei Liegenschaftseigentümerin sei, die erstbeschwerdeführende Partei jedoch "Bestandnehmer und Bauberechtigter". Von der erstbeschwerdeführenden Partei als Bauführerin sei bereits ein neues Bauansuchen eingereicht, eine Änderung der Grundstücksgrenzen beantragt sowie ein Teilungsplan eingereicht worden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.
Ein anhängiges Bauansuchen hindert die Erteilung eines Bauauftrages gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/05/0168).
Ein Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien ist stets an den Eigentümer bzw. die Miteigentümer des betroffenen Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten.
Die Frage, wer Eigentümer einer Baulichkeit ist, hat die Baubehörde als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG im Rahmen des Verfahrens nach § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zu beantworten (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/05/0267, und vom , Zl. 97/05/0043, uva.). Unter einer "Vorfrage" ist eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von derselben Behörde in einem anderen Verfahren, von anderen Verwaltungsbehörden oder von Gerichten zu entscheiden ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0094).
Die belangte Behörde wäre daher im gegebenen Zusammenhang zur Klärung der Eigentümereigenschaft am betroffenen Zubau verpflichtet gewesen. Dies insbesondere deshalb, weil aus § 297 und § 417 f ABGB folgt, dass Bauwerke grundsätzlich Bestandteil der Liegenschaft, auf der sie errichtet sind, werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0210). Wer Eigentümer eines Grundstückes ist, richtet sich nach den einschlägigen Bestimmungen des Zivilrechtes unter Bedachtnahme auf den in § 431 ABGB verankerten Eintragungsgrundsatz (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0078), von dem zwar Ausnahmen bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/07/0148), deren Vorliegen jedoch von der Behörde im Rahmen der Prüfung nach § 38 AVG ebenfalls festzustellen ist.
Der Bestandnehmer eines Grundstückes kann Eigentümer des von ihm errichteten Gebäudes sein, sofern es sich hierbei um ein Superädifikat handelt. Ist der vom Grundeigentümer verschiedene Adressat eines baubehördlichen Beseitigungsauftrages jedoch nicht Superädifikatseigentümer (und auch nicht Baurechtsinhaber), ist eine Auftragserteilung an ihn rechtswidrig (zur Annahme eines Superädifikates vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0180, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/05/0236; zur Frage der Übertragung von Eigentum an einem Superädifikat vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0121).
Da im Beschwerdefall die belangte Behörde eine amtswegige Prüfung der Eigentümereigenschaft am betroffenen Bauwerk nicht vorgenommen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit.
Ergebnis der Prüfung dieser hier maßgeblichen Vorfrage kann nach dem Vorhergesagten auch sein, dass die zweitbeschwerdeführende Partei als Grundeigentümerin Eigentümerin des betroffenen Bauwerks ist, weshalb von vornherein nicht ausgeschlossen werden kann, dass der erstinstanzliche Bauauftrag mit normativer Wirkung auch, allenfalls nur, an die zweitbeschwerdeführende Partei gerichtet war. In diesem Falle wäre die Zurückweisung ihrer Berufung aus den von der belangten Behörde angenommenen Gründen ebenfalls rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am