VwGH vom 24.09.2009, 2008/16/0130
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und Hofrat Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer, über die Beschwerde des G W in Linz, vertreten durch Mag. Dietrich Seeber, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 18, gegen den Bescheid des Präsidenten des OLG Wien vom , Zl. Jv 51108-33a/08, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Zahlungsauftrag der Kostenbeamtin des BG Linz vom wurde dem Beschwerdeführer für das Verfahren 5 C 144/04z des BG Linz (wegen Ehescheidung) Pauschalgebühr gem. TP 1 GGG in der Höhe von EUR 191,-- zuzüglich EUR 8,-- Einhebungsgebühr, zusammen EUR 199,-- vorgeschrieben.
Datiert mit langte beim BG Linz am folgender Antrag des Beschwerdeführers ein:
"Betrifft: Ansuchen um Erlass der Kosten / Scheidungsverfahren Begründung:
Es ist mir unmöglich dieser Zahlung nachzukommen, da ich einen Konkurs habe und infolge völlig mittellos bin und von ca. 900 EUR. leben muss.
Die Wohnungskosten über 300 EUR. ausmachen und ich lt. Arzt eine strenge Diät mit zusätzlichen Kosten habe.
Weiters wurde meine Verfahrenshilfe abgelehnt. Daher ersuche im um Erlass der Kosten.
Ich danke im voraus für ihre Mühe und verbleibe."
Aus den Verwaltungsakten ist unter anderem ersichtlich, dass der Beschwerdeführer datiert mit eine teilweise in Hand-, teilweise in Maschinschrift verfasste Eingabe zur Zl. UV 425 13 266 an den "Präsident Oberlandesgericht" gerichtet hatte, die folgenden Wortlaut aufweist:
"Präsident Oberlandesgericht
Werte Herrn / Frau
Betrifft EXEKUTIONSSACHE /
Es ist bereits eine Pensionspfändung (nach meiner Meinung ungerechtfertigt)
Vorhanden und ich ersuche um eine Rückzahlung bisher
abgezogener Beträge.
Begründung anbei.
Beilage.: SVA Exekutionsbewilligung
Anerkenntnisse.:
In der Insolvenz Aktenzeichen wurde geprüft und zu recht
erkannt, das die Pension nicht pfändbar ist.
Begründung.: ich habe eine Kleinstwohnung zu bezahlen
und durch Miete,
Heizung sowie Betriebskosten einen Fixaufwand von ca. 300 EUR Monatlich.
Absolut kein Besitz, selbst die bescheiden eingerichtete Kleinwohnung wurde von meinem Bruder verweise auf Gerichtsunterlagen finanziert.
Krankheitskosten.
Mehraufwand durch ständige strenge Diät Tagessatz
ca. 17 EUR. pro Tag.
Bestätigung: Ärztlichen Befund Dr. P mit Zitat:
"lebenslänglich eine Diät auf Harnsäurefreiheit
einhalten muss.
Sowie.: neuerliche Bestätigung Dr. W über laufende
Behandlung und wiederum Bestätigung über erhöhte
Diätkosten.
Bestätigung in Kopie anbei.
Ich danke im voraus für Ihre Mühe
Beilagen
4 Stück
Hochachtungsvoll
G W
Bitte! Da ich erhebliche Kosten durch Krankheit habe, tägliche Diätkosten ersuche ich mir den bereits erteilte Exekution zu erlassen und die Mehrkosten anzu erkennen."
Darauf antwortete der Präsident des OLG Linz mit Note vom zur Zl. UV-Nr.425 132 660 wie folgt:
"Ich bestätige den Erhalt Ihr Schreibens vom , hier eingelangt am und darf dazu wie folgt Stellung beziehen:
Wie aus dem in Ablichtung übermittelten Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Oberösterreich vom zu entnehmen ist, handelt es sich bei der betreibenden Partei um das 'Finanzamt Linz'. Hinsichtlich der offenen Unterhaltsvorschüsse betreffend I W, geb. am , wurde tatsächlich bislang seitens des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz noch keine Exekution eingeleitet.
Ich werte jedoch ihre Eingabe (wo Sie anhand von Beilagen auf Ihre derzeitige gesundheitlich prekäre Situation aufmerksam gemacht haben) als Ansuchen an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, die offenen Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von EUR 3.403,40 zu erlassen und teile Ihnen dazu mit, dass ich Ihre Eingabe samt Beilagen an die nunmehr zuständige Einbringungsstelle Wien weiterleiten werde."
Zuvor hatte jedoch bereits die belangte Behörde mit Bescheid vom den Antrag des Beschwerdeführers auf Nachlass der Gebührenschuld in Höhe von EUR 199,-- abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde (abgesehen von wörtlichen Zitaten aus zwei Rekursentscheidungen des LG Linz vom und betreffend seinerzeitige Verfahrenshilfeanträge des Beschwerdeführers) auf den mit Beschluss des LG Linz vom aufgehobenen Konkurs, in dem die Befriedigungsquote der Gläubiger 1,7 % betrug, und führte in ihrer rechtlichen Beurteilung Folgendes wörtlich aus:
"Gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 können - von dem hier schon vorneherein nicht in Betracht kommenden Fall des öffentlichen Interesses abgesehen - Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre. Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass in Anbetracht der gegebenen Einkommensverhältnisse des Antragstellers (er bezieht eine Pension von EUR 1096,--) in der Einbringung eines einmaligen Betrags von EUR 199,-- keine besondere Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG 1962 erblickt werden kann; daran ändern auch die im Zuge des Nachlassverfahrens mitgeteilten Kosten für Wohnung und Diätverpflegung nichts.
Ausgehend vom monatlichen Nettoeinkommen von EUR 1096,-- und keinen Sorgepflichten bleiben nach der Tabelle 1 a m der Existenzminimumverordnung 2008 EUR 846,90 unpfändbar, somit wären im Falle eine Gehaltsexekution EUR 249,10 abschöpfbar. Ein Nachlass wäre zu gewähren, wenn sonst der nötige Unterhalt für den Antragsteller gefährdet wäre. Der notwendige Unterhalt liegt über dem Existenzminimum, darf aber den standesgemäßen Unterhalt nicht erreichen (MGA JN-ZPO 15. Aufl. § 63 ZPO E 26, EFSlg. 98.097, 101.815).
Berücksichtigt man nun, dass bei Einschränkung auf das Existenzminimum der aushaftende Betrag von EUR 199,-- innerhalb von 1 Monat abgedeckt wäre, so rechtfertigt dieser Umstand allenfalls die Gewährung einer Ratenzahlung, aber nicht die eines Nachlasses.
Dem vorliegenden Nachlassantrag kann daher nicht Folge gegeben werden."
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist darüber hinaus noch Folgendes ersichtlich:
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- | Über Antrag der Republik Österreich, vertreten durch die Einbringungsstelle beim OLG Wien, wurde zur Hereinbringung der Gebührenschuld von EUR 199,-- (ZA des BG Linz vom ) am die Fahrnisexekution gegen den Beschwerdeführer bewilligt. | |||||||||
- | Das BG Linz forderte mit Zahlungsauftrag vom betreffend das Verfahren vom Beschwerdeführer Gerichtsgebühr gem. TP 1 GGG in Höhe von EUR 607,-- zuzüglich EUR 8,-- Einhebungsgebühr an. Diesbezüglich findet sich in den Verwaltungsakten auch ein Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erlass der Gebührenschuld. | |||||||||
- | Aus einer Mitteilung der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft betreffend Mai 2008 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer betreffend seine Erwerbsunfähigkeitspension in der Höhe von EUR 1.006,65 unter Berücksichtigung diverser Abzüge (darunter ein "Fremdabzug") einen Betrag von monatlich EUR 724,90 ausbezahlt erhält. | |||||||||
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nachlass der Gerichtsgebühr verletzt. | ||||||||||
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird. |
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Zwar hat ein Antragsteller nach der ständigen hg. Judikatur alle jene Umstände, auf die er sein Ansuchen stützt, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel darzulegen (siehe dazu die bei Stabentheiner, Gerichtsgebühren8 unter E 27 bis 29 zu § 9 GEG referierte hg. Judikatur). Jedoch hat die Behörde über den Antrag ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten und die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen (Stabentheiner aaO E 35 und 40). Dabei hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides Feststellungen über den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu treffen (Stabentheiner aaO E 33).
Die Beschwerde führt unter anderem ins Treffen, dass zufolge der gegen den Beschwerdeführer laufenden Exekutionen ihm derzeit überhaupt nur mehr ein Betrag von EUR 523,68 monatlich verbleibe.
Unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen Aktenlage und dabei insbesondere des Wissensstandes, über den der Präsident des OLG Linz seit dem Erhalt des Schreibens des Beschwerdeführers vom (dessen Empfang er mit ausdrücklich bestätigt) verfügte und der damit auch der belangten Behörde schon vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zugänglich war, verstößt das auf Exekutionen verweisende Beschwerdevorbringen nicht gegen das Neuerungsverbot und wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, vor Erlassung ihres Bescheides die aktuelle Belastung des Beschwerdeführers mit Exekutionen und den konkreten Exekutionsfreibetrag zu ermitteln, der dem Beschwerdeführer monatlich zur Verfügung steht. Indem sich die belangte Behörde aber stattdessen im Wesentlichen nur auf zwei Rekursentscheidungen aus den Jahren 2006 und 2007 stützte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil nicht auszuschließen ist, dass sie unter Berücksichtigung der konkreten Exekutionsbelastung des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-80282