VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des B S in K, vertreten durch Mag. Eva-Maria Schmelz, Rechtsanwältin in 3400 Klosterneuburg, Stadtplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G313 2123761-1/22E, betreffend Ausweisung gemäß § 66 FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein polnischer Staatsangehöriger, stellte am einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung. Die zuständige Niederlassungsbehörde erachtete jedoch die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht als nicht gegeben und befasste mit Schreiben vom das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur Prüfung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung.
2 In der Folge erging dann gegen den Revisionswerber mit Bescheid des BFA vom eine auf § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG gestützte Ausweisung aus dem Bundesgebiet. Diese Entscheidung gründete sich im Wesentlichen darauf, dass der Revisionswerber seit Ende August 2014 keiner Beschäftigung mehr nachgehe und weder alleine noch "mit seiner Lebensgefährtin zusammen" über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verfüge.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom als unbegründet ab, wobei es gemäß § 25 Abs. 1 VwGG aussprach, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:
5 Fallbezogen kommt ein Aufenthaltsrecht des Revisionswerbers als EWR-Bürger nach § 51 Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG oder nach § 51 Abs. 1 Z 2 NAG in Betracht. Nach diesen Bestimmungen sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer sind oder wenn sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen. Gemäß § 53 Abs. 2 NAG haben EWR-Bürger im Verfahren zur Ausstellung einer Anmeldebescheinigung zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach § 51 Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG eine Bestätigung des Arbeitgebers und zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach § 51 Abs. 1 Z 2 NAG Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz vorzulegen. Im Übrigen sind im § 51 Abs. 2 NAG näher umschriebene Fälle genannt, in denen dem EWR-Bürger die "Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer" im Sinne des Abs. 1 Z 1 auch dann erhalten bleibt, wenn er die Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, und zwar insbesondere bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit und unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Zurverfügungstellung für das Arbeitsmarktservice.
6 § 55 Abs. 1 NAG normiert, dass EWR-Bürgern das Aufenthaltsrecht gemäß § 51 NAG solange zukommt, als die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß § 51 NAG nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 NAG nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Niederlassungsbehörde gemäß § 55 Abs. 3 NAG das BFA hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung zu befassen.
7 Als den Aufenthalt eines EWR-Bürgers beendende Maßnahmen sieht das innerstaatliche Recht - neben dem Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG - die (im vorliegenden Fall ergangene) Ausweisung gemäß § 66 FPG vor. Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Haben EWR-Bürger bereits das Daueraufenthaltsrecht (§ 53a NAG) erworben, ist ihre Ausweisung nur (mehr) zulässig, wenn der weitere Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
8 Das angesprochene Recht auf Daueraufenthalt erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht gemäß § 51 NAG zukommt, gemäß § 53a Abs. 1 NAG - unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 51 NAG - nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet, wobei gemäß Abs. 2 Z 1 die Kontinuität dieses Aufenthalts durch Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr nicht unterbrochen wird. Davon abweichend erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG, also insbesondere "Arbeitnehmer", gemäß § 53a Abs. 3 Z 2 NAG vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben.
9 Das BFA erachtete die Ausweisung des Revisionswerbers im Wesentlichen deshalb für gerechtfertigt, weil er weder Arbeitnehmer sei noch über ausreichende Existenzmittel verfüge, also weil im Sinne des § 55 Abs. 3 NAG die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern gemäß § 51 NAG - konkret nach dessen Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG und nach dessen Abs. 1 Z 2 NAG - nicht (mehr) vorlägen. Diese Auffassung scheint auch das BVwG vertreten zu haben.
10 Das BVwG stellte zwar in Bezug auf die Berufstätigkeit des Revisionswerbers fest, er sei im November und Dezember 2011 sowie im Jänner und Februar 2012 "zweimal geringfügig beschäftigt" und im Zeitraum Jänner bis August 2014 "bei einem weiteren Dienstgeber" erwerbstätig gewesen. Von Februar bis April 2015 habe er Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen und am eine bis gültige Betreuungsvereinbarung mit dem Arbeitsmarktservice geschlossen; die Suche nach einer "Vollzeitbeschäftigung als Schlosser bzw. Kanalbauarbeiter" sei jedoch vergeblich gewesen. Ein arbeitsmedizinisches Leistungsprofil vom weise aufgrund von gesundheitlichen Problemen mit dem Bewegungsapparat, die aus der letzten Tätigkeit des Revisionswerbers bei einer "Baufirma" resultierten, auf dessen stark eingeschränkte Arbeitsfähigkeit hin. Am sei "wegen seines Krankenstandes" die "Abmeldung vom AMS-Bezug" erfolgt. Zuletzt sei der - bei seiner Lebensgefährtin mitversicherte - Revisionswerber am einen Tag lang einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen.
11 Ungeachtet dieser Feststellungen ging das BVwG daran anschließend in der rechtlichen Beurteilung ohne Weiteres vom Fehlen "aufenthaltsberechtigender Voraussetzungen iSd § 51 Abs. 1 NAG" aus; es sprach also dem Revisionswerber die Eigenschaft als "Arbeitnehmer" im Sinne der Z 1 der genannten Bestimmung offenbar während des gesamten Aufenthaltszeitraums ab. Dabei wurde zunächst verkannt, dass schon das nachhaltige Bemühen um eine Arbeitsstelle, sofern dieses Bemühen objektiv nicht aussichtslos ist, ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht vermitteln kann (vgl. dazu des Näheren , Rn. 12, mwN). In Bezug auf die vom Revisionswerber ausgeübten geringfügigen Beschäftigungen wurde vom BVwG dann nicht berücksichtigt, dass - um als "Arbeitnehmer" im Sinn des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG zu gelten - lediglich eine "tatsächliche und echte Tätigkeit" ausgeübt werden muss, die keinen so geringen Umfang hat, dass es sich um eine "völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit" handelt. Die Höhe der Vergütung, die der Arbeitnehmer erhält, ist ebenso wenig von alleiniger Bedeutung wie das Ausmaß der Arbeitszeit und die Dauer des Arbeitsverhältnisses (siehe auch dazu im Einzelnen , Rn. 13, mwN). Im Übrigen wäre fallbezogen auch die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelungen des § 51 Abs. 2 NAG bzw. des § 53a Abs. 3 Z 2 NAG zu prüfen gewesen, was unter Umständen sogar zum Ergebnis hätte führen können, dass der Revisionswerber insoweit die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG erfüllt hätte.
12 Das BVwG befasste sich zwar an anderer Stelle seines Erkenntnisses auch mit der Frage des Bestehens eines Daueraufenthaltsrechts und legte dazu - ausgehend allein von den für den Revisionswerber bestehenden Meldedaten - dar, er sei seit mit einer viermonatigen Unterbrechung im Jahr 2013 durchgehend in Österreich aufhältig. Dieser mehr als fünfjährige Aufenthalt begründe jedoch - so das BVwG - kein Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG, weil der Revisionswerber "mangels hinreichender Existenzmittel nach § 51 Abs. 1 Z 2 NAG" nicht rechtmäßig aufhältig gewesen sei.
13 Diesbezüglich ist allerdings einerseits darauf hinzuweisen, dass für eine solche Beurteilung eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen vorzunehmen gewesen wäre (vgl. , 0048, Rn. 15, mit dem Hinweis auf , Rn. 10, mwN), die das BVwG im angefochtenen Erkenntnis unterlassen hat. Andererseits liegt der Argumentation des BVwG möglicherweise die - nicht zutreffende (siehe neuerlich des Näheren , Rn. 13, mwN) - Auffassung zugrunde, es müssten kumulativ die Voraussetzungen der Z 1 und der Z 2 des § 51 Abs. 1 NAG erfüllt sein.
14 Dem BVwG ist allerdings einzuräumen, dass es in einer Eventualbegründung ohnehin auch noch den Fall behandelte, dass dem Revisionswerber ein Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG zukommt und seine Ausweisung nur unter der eingeschränkten Voraussetzung des Vorliegens einer "schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" im Sinne des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG zulässig wäre. Es vertrat dazu die Meinung, die strafrechtliche Verurteilung des Revisionswerbers vom wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage und des Verbrechens der Verleumdung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten "würde zudem vergleichsweise nach dem Einreiseverbotstatbestand (des) § 53 Abs. 3 Z 1 FPG" für eine solche vom Revisionswerber ausgehende schwerwiegende Gefahr sprechen und damit sogar bei einem Daueraufenthaltsrecht des Revisionswerbers grundsätzlich zu einer Ausweisung berechtigen.
15 Dabei wurde jedoch zunächst verkannt, dass die (fallbezogen gerade noch vorliegende) Erfüllung des genannten Tatbestandes des § 53 Abs. 3 FPG (idF des FrÄG 2017), der im gegebenen Zusammenhang auf die gerichtliche Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe "von mindestens sechs Monaten" abstellt, für sich genommen nicht zur Annahme einer schwerwiegenden Gefahr im Sinne des letzten Halbsatzes des § 66 Abs. 1 FPG ausreicht. Im Übrigen räumt das BVwG selbst ein, dass die Straftaten des (bis dahin unbescholtenen) Revisionswerbers "bereits eine Zeit lang" zurückliegen, seit der Tatbegehung im Oktober 2011 und im Oktober 2012 bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses nämlich konkret mehr als sechs bzw. fünf Jahre, wobei sich der Revisionswerber seither wohlverhalten hat. Angesichts dessen war die Annahme des BVwG zum Vorliegen einer - erhöhten (siehe zu den abgestuften Gefährdungsmaßstäben etwa , Rn 8, mit dem Hinweis auf ) - Gefährdung im Sinne des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG fallbezogen keinesfalls gerechtfertigt.
16 Allerdings hat das BVwG mit diesen Überlegungen der Sache nach im Ergebnis insofern Recht, als dem Revisionswerber im Hinblick auf sein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten allenfalls schon aus diesem Grund seinerzeit kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich im Sinne des § 51 Abs. 1 NAG zugekommen sein könnte, sodass dann die vorangeführten Ermittlungs- und Begründungsmängel, zu deren Aufzeigen sich der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls zur Klarstellung veranlasst sieht, letztlich nicht zum Tragen kämen.
17 Nach dem genannten rechtskräftigen Strafurteil liegt dem Revisionswerber nämlich zur Last, dass er am als Zeuge in einem kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren unrichtig behauptet hatte, sein ordnungsgemäß abgestelltes Fahrzeug sei gestohlen worden, und am wahrheitswidrig behauptet hatte, den ihm bekannten, aufgrund im Fahrzeug vorgefundener DNA-Spuren Verdächtigten auf einem vorgelegten Lichtbild nicht wiederzuerkennen. Hierdurch habe der Revisionswerber einen Anderen der Gefahr einer behördlichen Verfolgung wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch ausgesetzt, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch sei. Angesichts dieser strafbaren Handlungen wäre - wozu es allerdings näherer Feststellungen zu den Begleitumständen der Taten bedarf - möglicherweise vom Vorliegen einer "Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" im Sinne des § 55 Abs. 3 NAG auszugehen gewesen (siehe zum Gleichklang dieser Bestimmung mit Art. 27 der Freizügigkeitsrichtlinie, der darauf abstellt, dass das persönliche Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, , Rn 15, und darauf Bezug nehmend , Rn 11; vgl. auch , Rn. 6, mit Verweis auch auf ). Das wäre dann dem Erwerb bzw. dem Bestehen eines Aufenthaltsrechts gemäß § 51 Abs. 1 NAG für den Revisionswerber entgegen gestanden; zutreffendenfalls würde sich auch die Frage nach dem Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts im Sinne des § 53a NAG nicht mehr stellen.
18 Nach § 66 Abs. 2 FPG und § 9 BFA-VG ist bei Erlassung einer auf § 66 FPG gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessem Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind.
19 Vor diesem Hintergrund stellte das BVwG bei der Interessenabwägung im angefochtenen Erkenntnis vor allem auf das Fehlen eines Aufenthaltsrechts des Revisionswerbers und auf die sich aus seinem strafrechtlichen Fehlverhalten ergebende Gefährdung ab. Zu Letzterem wurde aber bereits in Rn. 15 dargelegt, dass ihm angesichts des seither verstrichenen Zeitraums, in dem sich der Revisionswerber wohlverhalten hat, nunmehr jedenfalls keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen kann.
20 Der Ausweisung entgegenstehende "private Interessen" konnte das BVwG nicht erkennen, weil nach dem "seitens des BVwG ergänzend aufgenommenen Sachverhalt" zwischen dem Revisionswerber und seiner Lebensgefährtin "aufgrund kurzzeitiger gemeinsamer Hauptwohnsitzmeldung" vom bis und seit "von keiner Art. 8 EMRK begründenden Beziehungsintensität" ausgegangen werden könne. Mit der Bezugnahme auf die Meldedaten hatte das BVwG schon im Rahmen der Beweiswürdigung, das Vorbringen des Revisionswerbers, er halte sich bereits seit 2006 "nahezu durchgehend" in Österreich auf und lebe mit seiner (polnischen) Lebensgefährtin seit Ende 2008 im gemeinsamen Haushalt, trotz Vorlage entsprechender schriftlicher Erklärungen für unglaubwürdig erachtet. Schon deshalb hätte das BVwG allerdings nicht von der in der Beschwerde ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung absehen und von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen dürfen. Außerdem greift die bloße Bezugnahme auf die Meldedaten bei der diesbezüglichen Beweiswürdigung zu kurz (siehe zur bloßen Indizwirkung einer Eintragung im Melderegister zuletzt , Rn. 17, mwH). Im Übrigen lag in Bezug auf die Interessenabwägung auch kein "eindeutiger Fall" vor, sodass das BVwG auch zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen (siehe dazu des Näheren , Rn. 7, unter Bezugnahme v.a. auf , Rn. 15 iVm Rn. 12, mwN; vgl. in diesem Sinn zuletzt , Rn. 16).
21 Das macht die Revision im Sinne eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Sache nach mit dem Hinweis auf die "nicht unbeträchtliche Aufenthaltsdauer" und "die langanhaltende Lebensgemeinschaft" im Ergebnis zu Recht geltend, weshalb sie sich gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig und auch als berechtigt erweist. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
22 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210049.L00 |
Schlagworte: | Begründung Begründungsmangel Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
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