VwGH vom 27.11.2008, 2008/16/0024

VwGH vom 27.11.2008, 2008/16/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Mag. H M in W, vertreten durch Dr. Reinhard Schäfer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Naglergasse 2, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für ZRS Wien vom , Zl. Jv 6649- 33a/06, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einer am beim Bezirksgericht Fünfhaus eingelangten, zu 1 C 194/02d protokollierten Klage begehrte der Beschwerdeführer im streitigen Verfahren gestützt auf § 55 Abs. 1 EheG die Scheidung von seiner Ehefrau.

In der mündlichen Verhandlung vom stellte die beklagte Ehegattin gem. § 61 Abs. 3 EheG den Antrag auf Ausspruch, dass das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe; nach Durchführung eines Beweisverfahrens schlossen die Streitteile in derselben Verhandlung für den Fall der Rechtskraft der Scheidung einen Vergleich mit - auszugsweise - folgendem Inhalt:

"6. Die Ehegatten sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 2781 Grundbuch 01206 Hütteldorf, Bezirksgericht Hietzing, Pappelstraße 13, samt Haus (gemeinsame Ehewohnung).

...

7. Die unter Punkt 6. genannte Liegenschaft ist aufgrund des Schuldscheines und der Pfandurkunde vom der Girozentrale und Bank der Öst. Sparkassen AG mit einem Pfandrecht von ÖS 1,046.520,00 belastet. Der Restsaldo haftet per mit ca Euro 55.000,-- aus und wird dieser über drei Bausparkredite bei der S-Bausparkasse der Österreichischen Sparkassen AG, Konto Nr 004-129 104 937, 004-129 104 910 und 004-129 104 929 getilgt. Weiters haftet ein grundbücherlich nicht sichergestellter Kredit bei der Raiffeisenbank NÖ Wien, BLZ 32000, Konto Nr 504- 03.674.884 mit einem Betrag von SFR 405.362,53 aus. Dieser Kredit ist durch eine Erlebensversicherung bei der Raiffeisen Versicherung AG, Pol.Nr: 3467203-0 mit einer Versicherungssumme von Euro 306.320,32 abgesichert. Vereinbart wird, dass diese Kredite inkl. Versicherung ab von den Ehegatten je zur Hälfte zurückbezahlt werden.

..."

Daraufhin wurde die Ehe mit Urteil vom mit dem Ausspruch geschieden, dass das alleinige Verschulden an der Zerrüttung den Kläger trifft. Das Urteil erwuchs zufolge Rechtsmittelverzichtes der Streitteile in Rechtskraft.

Am erfolgte eine Beanstandung der Gebührenvorschreibung durch den Revisor beim Landesgericht für ZRS Wien mit der Begründung, dass unter anderem der Vergleichspunkt 7. (nur dieser ist in der Folge für das nunmehrige Beschwerdeverfahren von Bedeutung) nicht berücksichtigt worden sei.

Daraufhin schrieb der Kostenbeamte des BG Fünfhaus am unter anderem für den in Rede stehenden Vergleichspunkt restliche Pauschalgebühr ausgehend von den beiden darin genannten Kreditsummen und von der Versicherungssumme als Bemessungsgrundlage vor.

Dagegen stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Berichtigungsantrag, in dem er geltend machte, der Vergleichspunkt 7. betreffe die Aufteilung "ehelicher Schulden" wie in einer Vereinbarung gem. § 55a EheG oder in einem Verfahren nach §§ 81 ff EheG. In der Vereinbarung sei nur ein Aufteilungsschlüssel für das Innenverhältnis der Eheleute festgelegt worden, ohne eine Leistungspflicht zu begründen. Für ein Klagebegehren auf Feststellung eines solchen Aufteilungsschlüssels wäre § 56 Abs. 2 JN anzuwenden. Jedenfalls verfehlt sei es, die Versicherungssumme in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Die belangte Behörde gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid dem Berichtigungsantrag nur teilweise Folge (in dem die beanstandete Versicherungssumme aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden wurde), setzte aber für den strittigen Vergleichspunkt 7. Gerichtsgebühr ausgehend von den Kreditsummen als Bemessungsgrundlage fest.

In der Begründung dazu vertritt die belangte Behörde (abgesehen von einer Verneinung der Anwendbarkeit des § 56 JN), ohne irgendeine angewendete Rechtsgrundlage zu benennen, lediglich die Auffassung, es sei der Wert der Leistung Bemessungsgrundlage und es komme nicht darauf an, ob der im Vergleich festgeschriebene Anspruch vorher überhaupt strittig war, sondern nur auf die im Vergleich übernommene Verpflichtung. Ein gebührenpflichtiger Vergleich liege auch dann vor, wenn eine bereits bestehende Verpflichtung neuerlich übernommen werde; dazu zitierte die belangte Behörde jeweils einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gem. Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung gem. Abs. 3 leg. cit. ablehnte und sie antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, dass keine den Betrag von EUR 551,-- übersteigende Gerichtsgebühr vorgeschrieben wird. Inhaltlich setzt sich die Beschwerde (wie schon im vorangegangenen Verwaltungsverfahren) ausschließlich mit der Vergebührung des Vergleichspunktes 7. auseinander.

Die belangte Behörde legte die Akten des Ehescheidungs- und des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für das Verfahren zur Vorschreibung der Gerichtsgebühren sind mangels besonderer gesetzlicher Regelungen die allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens anzuwenden (siehe z.B. die bei Stabentheiner, MGA Gerichtsgebühren8 unter E 2 und 3 zu § 6 sowie E 1 und 2 zu § 7 GEG referierte hg. Judikatur). Zu diesen Grundsätzen gehört auch die Pflicht der Behörde, einen Bescheid ausreichend zu begründen und sich dabei mit den Einwendungen im Berichtigungsantrag entsprechend auseinanderzusetzen (vgl. die bei Stabentheiner a.a.O. unter E 51 zu § 7 GEG referierte hg. Judikatur).

In Verkennung dieser Verpflichtung sowie offenbar in Verkennung der (unten gleich darzustellenden) für Ehestreitigkeiten bestehenden besonderen Rechtslage hat es die belangte Behörde zunächst verabsäumt, den Umstand zu beachten, dass der verfahrensgegenständliche Vergleichspunkt 7. einleitend ausdrücklich auf "die unter Punkt 6. (des Vergleiches) genannte Liegenschaft" Bezug nimmt und dass dort eindeutig gesagt wird, dass es sich dabei um die "gemeinsame Ehewohnung" handelt.

Für Streitigkeiten aus dem "Ehe- und Elternverhältnis" enthielt (bezogen auf den für die Entstehung der Gebührenpflicht gem. § 2 Z. 1 lit. a GGG maßgeblichen Zeitpunkt der Einbringung der Scheidungsklage am ) § 16 GGG (idF vor der Novelle BGBl. I 2006/8) in Gestalt seines Abs. 2 Z. 1 folgende Spezialregelung (die nach der ausdrücklichen Anordnung des § 14 GGG einer Anwendung der Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN vorgeht):

"(2) Bei den in § 49 Abs. 2 Z. 2a bis 2c JN angeführten Streitigkeiten aus dem Ehe- und Elternverhältnis bestimmt sich die Höhe der Pauschalgebühren

1. bei zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz nach der Anm. 9 zur Tarifpost 1."

Die zitierte Anm. 9 zur TP 1 GGG lautete (in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I 2006/8) wie folgt:

"Für Verfahren erster Instanz, die sich auf die im § 49 Abs. 2 Z. 2a bis 2c JN angeführten Streitigkeiten beziehen, betragen die Pauschalgebühren 191 Euro. Die Anmerkungen 1 bis 7 gelten auch für diese Verfahren."

§ 49 Abs. 2 JN hatte in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (vor der Novelle BGBl. I 2003/112) auszugsweise folgenden Wortlaut:

"(2) Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes gehören vor die Bezirksgerichte:

...

2b. Streitigkeiten über die Scheidung, die Aufhebung oder die Nichtigerklärung einer Ehe oder über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien;

2c. die anderen aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten oder aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entspringenden Streitigkeiten.

..."

Mit der Novelle BGBl. I 2003/112 erhielt § 49 Abs. 2 Z. 2b JN

folgenden Wortlaut:

"2b. Die anderen aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringenden Streitigkeiten."

Die TP 12 F lit. a Z. 1 GGG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I 2003/112) sah als Pauschalgebühr für das außerstreitige Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse (§§ 81 bis 96 EheG) einen Betrag von EUR 191,-- vor.

Später wurden die Beträge in der Anm. 9 zur TP 1 GGG auf EUR 210,-- (BGBl. I 2006/8 iVm der VO BGBl. II 2006/252) und in der TP 12 F a) 1 GGG zunächst auf EUR 250,-- (BGBl. I 2003/112) und dann auf EUR 275,-- (BGBl. II 2006/252) erhöht.

Die erste Frage die sich nun stellt, ist die, ob eine vergleichsweise Auseinandersetzung von in Scheidung begriffenen Eheleuten im Rahmen eines streitigen Ehescheidungsverfahrens über die eheliche Wohnung eine Angelegenheit darstellt, die iS des § 49 Abs. 2 Z. 2c (jetzt Z. 2b) JN dem "gegenseitigen Verhältnis von Ehegatten" zuzuordnen ist.

Anders als dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift sieht (die im Übrigen fehlende Elemente aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu substituieren vermag; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/16/0071 mwN), handelt es sich bei der Frage des weiteren Schicksals der Ehewohnung für den Fall einer Scheidung und damit verbunden bei der Frage um die weitere Tragung bzw. Aufteilung der damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen selbstverständlich um eine, die ohne das entsprechende vorangegangene Eheverhältnis gar nicht denkbar wäre (vgl. dazu z.B. die bei Klauser/Kodek, MGA JN-ZPO16 unter E 22ff referierte Rechtsprechung der Zivilgerichte).

Daraus folgt, dass die Parteien eines entsprechenden streitigen Ehescheidungsverfahrens (bezogen auf die für den Beschwerdefall maßgebliche Rechtslage) an sich zwei Alternativen hatten, die Frage des Schicksals der Ehewohnung und der damit verbundenen finanziellen Belastungen zu regeln. Zum einen hatten sie die Möglichkeit, diese Frage anschließend an das streitige Ehescheidungsverfahren zum Gegenstand eines Außerstreitverfahrens über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (§§ 81ff EheG) zu machen, wofür sie gem. TP 12 F lit. a) Z. 1 GGG damals eine Gebühr von EUR 191,-- entrichten hätten müssen. Zum anderen hatten sie - wie im Beschwerdefall vorgenommen - auch die Möglichkeit, diese Frage schon im streitigen Ehescheidungsverfahren im Wege eines Vergleiches zu regeln.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach allgemeiner forensischer Erfahrung einem entsprechenden Vergleich im Rahmen des streitigen Ehescheidungsverfahrens schon deswegen der Vorzug gebührt, weil er ein anschließendes (oft genug zeitraubendes) außerstreitiges Aufteilungsverfahren entbehrlich macht, sowie unter Berücksichtigung auf die jedenfalls gebotene, am Gleichheitssatz orientierte und damit verfassungskonforme Interpretation, sollte die vergleichsweise Regelung einer an sich in das Außerstreitverfahren gehörenden Angelegenheit im Rahmen eines zunächst nur punkto Ehescheidung geführten streitigen Verfahrens nicht dazu führen, dass ein solcher Vergleich mit höheren Gebühren belastet wäre, als ein im Anschluss an das streitige Eheverfahren eingeleitetes außerstreitiges Aufteilungsverfahren.

Es wäre daher angezeigt, auf die im Wege des strittigen Vergleichspunktes 7. vorgenommene Erweiterung des Gegenstandes des streitigen Verfahrens die Bestimmung der TP 12 F a) Z. 1 GGG anzuwenden. Allerdings ist nach ständiger hg. Judikatur auf Vergleiche, die in einem streitigen Verfahren geschlossen werden, die TP 12 GGG nicht anzuwenden (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0347 mwN), was sich auch e contrario aus der durch die Nov. BGBl. I 2003/112 geschaffene Bestimmung der Anm. 2a zur TP 1 GGG ergibt.

In einem Fall wie dem vorliegenden ist demnach der Gesetzgeber gefordert, eine entsprechende Regelung zu schaffen. Solange dies nicht der Fall ist, besteht mit Rücksicht auf die Bestimmung der Anm. 9 zur TP 1 GGG in jenen Fällen, in denen die Parteien eines streitigen Ehescheidungsverfahrens Angelegenheiten "aus dem gegenseitigen Verhältnis von Eheleuten", die an sich in das außerstreitige Verfahren gehören, im Wege eines Vergleiches zum Gegenstand eines streitigen Ehescheidungsverfahrens machen, keine Rechtsgrundlage für eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage.

Die in diesem Zusammenhang auftretende Frage, ob eine Angelegenheit, die an sich in den Bereich des Außerstreitverfahrens gehört, überhaupt zum Gegenstand eines Prozessvergleiches gemacht werden darf (siehe dazu z.B. Gitschthaler in Rechberger, Komm z ZPO3 Rz 17 lit. b) zu §§ 204 bis 206 ZPO), spielt gebührenrechtlich keine Rolle, weil auch dann, wenn vom Streitrichter allfällige Vergleichshindernisse nicht beachtet werden, für die vom Kostenbeamten anzuwendende formale Beurteilung von einem Prozessvergleich auszugehen ist (siehe dazu das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0347).

Die belangte Behörde hat jedenfalls durch die Außerachtlassung der Bestimmungen des § 16 sowie der Anm. 9 zur TP 1 GGG ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand zu nehmen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am