VwGH vom 24.06.2010, 2008/15/0287
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des KK in S, vertreten durch Dr. Max Dengg, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 19a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0180-I/07, betreffend u. a. Umsatzsteuer 1995 bis 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Streitjahre als unbegründet ab. In der Begründung ihres Bescheides führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, der Beschwerdeführer, der ein Hotel betreibe, habe mit Interessenten sogenannte Time-Sharing-Verträge abgeschlossen. Darüber sei ein Wohnrechts-Zertifikat ausgestellt worden. Demnach habe der Nutzungsberechtigte das Recht erworben, auf viele Jahre hinaus ein Appartement einer Hotelanlage einige Wochen im Jahr nutzen zu dürfen. Die Nutzungszeit werde nach Kalenderwochen und auch das Appartement im Vorhinein bestimmt festgelegt. Der Nutzungsberechtigte habe ein Wohnrecht auf 40 Jahre (längstens bis ) während eines alljährlich wiederkehrenden Zeitraumes erworben. Der Beschwerdeführer habe den Nutzungsberechtigten die ungehinderte Ausübung dieses Wohnrechtes garantiert.
Als Gegenleistung hätten die Nutzungsberechtigten einen unmittelbar nach Vertragsabschluss fälligen Einmalbetrag bezahlt. Für die Instandhaltung und Endreinigung der Appartements, sowie für Strom, Wasser, Versicherungen und Verwaltungskosten habe der Nutzungsberechtigte einen jährlichen Unkostenbeitrag zu leisten. Der für jeweils eine Woche geltende Unkostenbeitrag werde jährlich neu festgesetzt. Gerate der Nutzungsberechtigte mit der Bezahlung des Unkostenbeitrages länger als 45 Tage nach Ergehen der Zahlungsaufforderung in Verzug, so ruhe sein Wohnrecht für das betreffende Jahr; das Wohnrecht für die weiteren Jahre lebe wieder auf, sobald die rückständigen Unkostenbeiträge und der Unkostenbeitrag für das laufende Kalenderjahr termingerecht entrichtet würden. Im Falle eines Zahlungsrückstandes der Unkostenbeiträge über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren sei der Beschwerdeführer berechtigt, das Wohnrecht als verwirkt und das Wohnrechtszertifikat als ungültig zu erklären.
Die vom Beschwerdeführer vereinnahmten Einmalbeträge aus dem Abschluss von Time-Sharing-Verträgen, die vor dem abgeschlossen worden seien, seien passiviert und zeitanteilig aufgelöst worden. Dementsprechend seien sie auch der Umsatzsteuer unterworfen worden. Nach der Ungültigerklärung solcher Verträge wegen Nichtbezahlung der Betriebskosten sei keine weitere Auflösung der Passivpost erfolgt. Der Beschwerdeführer habe die verbliebenen Beträge nicht der Umsatzsteuer unterworfen.
Strittig sei ausschließlich, ob der Teil des im Vorhinein entrichteten Entgeltes, der rechnerisch auf den Zeitraum nach Ungültigerklärung der Time-Sharing-Verträge entfalle, der Umsatzsteuer unterliege oder nicht.
Der Beschwerdeführer habe den jeweiligen Nutzungsberechtigten die in den jeweiligen Wohnrechtszertifikaten angegebenen Appartements für bestimmte Kalenderwochen und zwar über einen Zeitraum von 40 Jahren (längstens bis ) zur Verfügung zu stellen und die ungehinderte Ausübung dieser Wohnrechte zu garantieren. Der Nutzungsberechtigte habe zur Erlangung dieser Leistung einen Einmalbetrag zu leisten. Dabei sei es unerheblich, ob bzw. in welchem Umfang er die Nutzung des Appartements tatsächlich in Anspruch nehme. Obwohl zum Zeitpunkt des Abschlusses der Time-Sharing-Verträge überhaupt nicht fest stehe, ob und wie oft der Nutzungsberechtigte von seinem Wohnrecht tatsächlich Gebrauch machen werde, erhalte der Beschwerdeführer für die Bereitschaft bzw. die Bereitstellung ein Entgelt.
Das Entgelt werde nach Meinung der belangten Behörde vom jeweiligen Nutzungsberechtigten somit für eine 40-jährige (bis ) dauernde Leistungsbereitschaft des Beschwerdeführers geleistet. Das vom Nutzungsberechtigten unmittelbar nach Vertragsabschluss zu leistende Entgelt unterliege daher zur Gänze der Umsatzsteuer.
Zum Einwand des Beschwerdeführers, die strittigen Beträge seien als Stornogebühr, Vertragsstrafe oder Kaution zu beurteilen, sei zu sagen, dass weder eine Stornogebühr noch eine Vertragsstrafe vereinbart worden seien und ebenso wenig die Festsetzung einer Kaution zum Inhalt der Verträge bzw. der allgemeinen Geschäftsbedingungen gehörte. Ein im Vorhinein zu entrichtendes Entgelt für die Einräumung eines jährlich wiederkehrenden Nutzungsrechtes an einem bestimmten Appartement stelle keine Vertragsstrafe und auch keine Stornogebühr dar. Kautionen, die lediglich der Absicherung von Entgelten (Zahlungsausfällen dienten), würden mit dem Verfall zu Gunsten des Bestandgebers zum Leistungsentgelt. Kautionen, die der Absicherung von anderen Verhaltensverpflichtungen des Mieters dienten, stünden außerhalb des Leistungsaustausches. Vom Vorliegen der letztgenannten Kaution könne im Beschwerdefall keine Rede sein.
Der Beschwerdeführer habe in der Berufungsverhandlung vorgetragen, es würde Schadenersatz vorliegen, weil nach Ungültigerklärung der Time-Sharing-Verträge der Beschwerdeführer die Appartements nicht mehr bereitstellen müsse und der Time-Sharing-Nehmer über kein Wohnrecht mehr verfüge. Dem sei zu entgegnen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Time-Sharing-Verträge das Entgelt (Einmalbetrag) vom Time-Sharing-Nehmer für ein 40-jähriges (bis längstens ) dauerndes Nutzungsrecht bzw. eine ebenso lange Leistungsbereitschaft des Beschwerdeführers bezahlt worden sei. Der Einmalbetrag sei vom Time-Sharing-Nehmer geleistet worden, um ein Wohnrecht (Gegenleistung) zu erhalten. Die vom Umsatzsteuergesetz geforderte finale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung liege daher vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Leistungsbereitschaft sei mit Verwirkung des Time-Sharing-Rechtes erloschen. Das bis zum Ende der ursprünglichen Laufzeit geleistete Entgelt habe er dem anderen Vertragsteil nicht zu ersetzen, sodass hier ein Fall der Nichterfüllung und sohin ein im Vorhinein geregelter vorzeitiger Rücktritt vom Vertrag durch den Berechtigten vorliege.
Das - in Umsetzung der 6. Richtlinie 77/388/EWG ergangene - UStG 1994 normiert in § 1 Abs. 1 Z. 1, wie bereits das UStG 1972, dass Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer unterliegen. Gemäß § 19 Abs. 2 UStG 1972 entstand die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen - von hier nicht interessierenden Fällen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 17) oder den Fällen der Einzelbesteuerung nach § 20 Abs. 4 abgesehen - mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind. Auch § 19 Abs. 2 Z. 1 lit. a erster Satz UStG 1994 normiert das Entstehen der Steuerschuld in Abhängigkeit davon, wann die Lieferungen oder sonstigen Leistungen "ausgeführt worden sind". Der österreichische Gesetzgeber hat es nicht für erforderlich gehalten, ausdrückliche Regelungen dafür zu treffen in welchem Zeitpunkt eine sonstige Leistung als ausgeführt gelten soll. Solcherart unterliegt es keinem Zweifel, dass der Gesetzgeber bei Umsetzung der 6. Richtlinie 77/388/EWG im Wege der Erlassung des UStG 1994 vom Verständnis dieser Richtlinie über den Zeitpunkt der Leistungserbringung ausgegangen ist und dieses Verständnis den Normen des UStG 1994 betreffend die "Ausführung" sonstiger Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 und § 19 Abs. 2 Z. 1 lit. a UStG zu Grunde gelegt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0024).
Die 6. Richtlinie 77/388/EWG legt in Art. 10 Abs. 2 fest, dass - soweit Mitgliedstaaten nicht anderes vorsehen - "Dienstleistungen, die zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben", jeweils mit Ablauf des Zeitraumes als bewirkt gelten, auf den sich die Abrechnungen oder Zahlungen beziehen. Von diesem Verständnis über den Zeitpunkt der Leistungserbringung ist bei Anwendung des UStG 1994 auszugehen. Derartige Leistungen liegen auch im Beschwerdefall vor. Auch zum UStG 1972 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 94/14/0133, und vom , 2001/13/0011), dass nicht das Verpflichtungsgeschäft, sondern dessen Erfüllung den steuerlich relevanten Tatbestand darstelle. Es sei verfehlt, bereits den Abschluss des Vertrages, mit dem die Vertragspartner des Steuerpflichtigen das Recht auf Empfang der vereinbarten Leistung innerhalb einer bestimmten Frist und der Leistungserbringer (Unternehmer) das Recht auf Zahlung des Entgeltes erhalten, als Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld anzusehen.
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer vor dem Time-Sharing-Verträge abgeschlossen, wonach er seinen Vertragspartnern die in den jeweiligen Verträgen angegebenen Appartements für bestimmte Wochen eines Kalenderjahres und zwar über einen Zeitraum von 40 Jahren (längstens bis ) zur Verfügung stellt und die ungehinderte Ausübung des Wohnrechtes garantiert. Sein Vertragspartner hat zur Erlangung dieser Leistung einen unmittelbar nach Abschluss des Vertrages - sohin lange vor dem - fälligen Einmalbetrag zu leisten und den jährlich neu festzusetzenden Unkostenbeitrag. Gerät der Vertragspartner mit der Bezahlung des Unkostenbeitrages länger als 45 Tage nach Ergehen der Zahlungsaufforderung in Verzug, so ruhte Wohnrecht für das betreffende Jahr, das Wohnrecht für die weiteren Jahre lebt wieder auf, sobald die rückständigen Unkostenbeiträge und der Unkostenbeitrag für das laufende Kalenderjahr termingerecht entrichtet werden. Im Falle eines Zahlungsrückstandes der Unkostenbeiträge über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren ist der Beschwerdeführer berechtigt, das Wohnrecht als verwirkt zu erklären. Dies mit der Folge, dass eine Leistungsbereitschaft entfällt und der Teil des im Vorhinein entrichteten Entgeltes, der rechnerisch auf den Zeitpunkt nach Ungültigerklärung des Vertrages entfällt, bei ihm verbleibt. Für den Zeitraum nach Ungültigerklärung des Vertrages durch den Beschwerdeführer bestand für ihn keine Verpflichtung zur weiteren Leistung oder Leistungsbereitschaft und wurde eine solche auch nicht tatsächlich erbracht. Dem Teil des im Vorhinein - lange vor dem - entrichteten Entgeltes, der rechnerisch auf den Zeitraum nach Ungültigerklärung des Vertrages entfällt, steht somit keine Leistung des Beschwerdeführers gegenüber. Entgegen der im Bescheid vertretenen Ansicht fehlt es ab diesem Zeitpunkt an der finalen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung.
Die Ungültigerklärung durch den Beschwerdeführer ist in seinem Interesse erfolgt und stellt keine sonstige Leistung an den Vertragspartner dar. Tritt der vertragstreue Gläubiger (leistender Unternehmer) bei Verzug des Schuldners (des Leistungsempfängers) vom Vertrag zurück, hat er Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens (§ 921 ABGB). Umsatzsteuerlich ist der Ersatz des Nichterfüllungsschadens kein Leistungsentgelt (Ruppe, UStG, 3. Auflage, § 1 Tz 217).
Die Auffassung der belangten Behörde, zum Zeitpunkt des Abschlusses der Time-Sharing-Verträge sei das Entgelt (Einmalbetrag) vom Vertragspartner des Beschwerdeführers für ein 40-jähriges (bis dauerndes) Nutzungsrecht gezahlt worden, sodass die vom Umsatzsteuergesetz geforderte finale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung vorliege, erklärt nicht das Entstehen der Steuerschuld in den Streitjahren für den Teil des im Vorhinein entrichteten Entgeltes, der rechnerisch auf den Zeitpunkt nach Ungültigerklärung der Verträge entfällt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am