VwGH vom 24.11.2011, 2008/15/0235
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des W G in G, vertreten durch die Rieger-Wolf, Groiß Partner Treuhand Wirtschaftsprüfungs- Steuerberatungs GmbH in 3550 Langenlois, Holzplatz 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0918-G/07, betreffend Einkommensteuer 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der verheiratete Beschwerdeführer war im Streitjahr 2003 in G, einem im Nahebereich von Wien gelegenen Ort, nichtselbständig beschäftigt. Der (behördlich festgestellte) Hauptwohnsitz der Ehefrau des Beschwerdeführers lag in Wien, während der Beschwerdeführer laut Melderegister im gesamten Streitjahr einzig in J, Steiermark, gemeldet war. Unterkunftgeberin in J war die Mutter des Beschwerdeführers.
In der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung beantragte der Beschwerdeführer den Abzug diverser Werbungskosten, u. a. für Familienheimfahrten und Verkehrsstrafen.
Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 2003 verschiedene Aufwendungen, darunter die oben genannten nicht als Werbungskosten.
In der dagegen gerichteten Berufung verwies der Beschwerdeführer hinsichtlich der Familienheimfahrten auf frühere Berufungen. Darin hatte der Beschwerdeführer den Standpunkt vertreten, dass die Meldeadressen nur sehr eingeschränkt als Beurteilungskriterien für das Vorliegen des tatsächlichen Lebensmittelpunktes herangezogen werden könnten. Dazu verwies er auf den Streit zweier Gemeinden um die Frage der Hauptwohnsitzfeststellung seiner Ehefrau und legte deren Wohnsitzerklärung aus dem Jahr 2001 vor. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers befinde sich (ungeachtet der Verhältnisse seiner Ehefrau) jedenfalls in der Steiermark, während sein Nebenwohnsitz in Wien liege, wo die Familie des Beschwerdeführers den größeren Teil des Jahres lebe. Auf Grund der beengten räumlichen Verhältnisse in Wien befände sich das persönliche Hab und Gut des Beschwerdeführers jedoch in J. Der Beschwerdeführer sei beruflich viel auf Reisen und nütze J als Schlafstätte "sowie als Ort für das Mittagessen (Eltern)". In der Wiener Wohnung, die nur eine Größe von 55 m2 aufweise, befänden sich lediglich die wichtigsten Unterlagen des Beschwerdeführers sowie ein PC. Der Grund, warum sich die Familie des Beschwerdeführers für rund 35 Wochen im Jahr montags bis freitags in Wien aufhalte, liege in den umfangreicheren Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Da den Beschwerdeführer die Trennung von seiner Familie sehr belaste, habe er ein Grundstück im Süden Wiens erworben. Dort solle ab 2005 nach erfolgtem Hausbau ein gemeinsamer Familienwohnsitz begründet werden.
Die Geldstrafen stellten nach Ansicht des Beschwerdeführers Werbungskosten dar, weil sie ausschließlich "für beruflich bedingte Fahrten bezahlt" worden seien.
Über Vorhalt der belangten Behörde erläuterte der Beschwerdeführer, er lebe mit seiner Frau und den (nunmehr zwei) Kindern in aufrechter Ehe. Hauptwohnsitz und "mittlerweile echter Aufenthaltsort" der Ehefrau sei Wien. Echte Schwerpunkte seines Aufenthaltes seien - "abgesehen von den Orten der Arbeitgeber" - zwei steirische Orte. "Eine Verlegung meines Mittelpunktes nach Wien war daher ebenso nicht möglich wie die Verlegung des Lebensmittelpunktes meiner Frau in die Steiermark. Somit hatten wir zwei getrennte Wohnorte und eine Zusammenführung war meist nur am Wochenende und in den Ferien möglich".
Die Verkehrsstrafen seien anzuerkennen, weil es sich dabei immer um "Geschwindigkeitsstrafen aufgrund von Fahrten mit Termindruck und immer Parkstrafen entweder auf einem Treffen mit Geschäftspartnern oder Tochtergesellschaften (gehandelt habe). Oder es waren in Bezirken von Wien weder Garagen in der Nähe noch bzw Parkplätze vorhanden oder auch der Parkschein abgelaufen."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers in den beiden genannten Punkten keine Folge.
Als Werbungskosten absetzbare Familienheimfahrten lägen im Beschwerdefall nicht vor, weil der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehepartnerin und seinem Sohn überwiegend im Jahr in Wien lebe. Die Frau des Beschwerdeführers sei in Wien beschäftigt, der Sohn besuche in Wien den Kindergarten. Gemeinsame Fahrten der Ehegatten in die Steiermark stellten somit keine Familienheimfahrten dar.
Strafen, die wie im vorliegenden Fall für Geschwindigkeitsüberschreitungen und einmal für Parken im Parkverbot verhängt worden seien, sollten das persönliche Fehlverhalten des Steuerpflichtigen bestrafen. Sie stellten Kosten der privaten Lebensführung auch dann dar, wenn das Fehlverhalten, das zur Bestrafung geführt habe, anlässlich einer beruflich bedingten Fahrt gesetzt worden sei.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde.
Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Familienheimfahrten
Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz, sind als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/13/0095).
Als Familienwohnsitz gilt bei einem verheirateten Steuerpflichtigen jener Ort, an dem er mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0006).
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde irre in ihrer Annahme, er sei im Streitjahr ebenso wie seine Ehefrau in Wien berufstätig gewesen. Tatsächlicher Beschäftigungsort des Beschwerdeführers sei vom März 2002 bis Dezember 2007 G gewesen, während sich seine Ehefrau von Oktober 2002 bis August 2005 in Karenz/Mutterschutz befunden habe.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:
Im Beschwerdefall ist entscheidend, dass die belangte Behörde auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren unbedenklich davon ausgehen konnte, dass die Ehegatten in J über keinen gemeinsamen Familienwohnsitz verfügt haben, welcher den Bedürfnissen einer Kleinfamilie eher entsprochen hätte, als die (lediglich 55 m2 große) Wohnung in Wien. Dass sich die Eheleute im Streitjahr überwiegend in Wien aufgehalten haben, ist auch nach dem Beschwerdevorbringen unbestritten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer nicht in Wien, sondern in G, einem Ort im Einzugsbereich von Wien, beschäftigt war. Dass es der Ehefrau nicht möglich gewesen wäre, ihren Lebensmittelpunkt in die Steiermark zu verlegen, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren selbst vorgetragen. Auch fänden die Kinder des Beschwerdeführers in Wien bessere Betreuungsmöglichkeiten. Damit in Einklang steht die vom Beschwerdeführer vorgelegte Stellungnahme seiner Ehefrau gegenüber der Meldebehörde, worin ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer bis August 2000 in der Steiermark gearbeitet habe und erst seit September 2000 in Wien aufhältig sei.
Das nunmehrige Sachvorbringen des Beschwerdeführers, seine Ehefrau sei im Streitjahr nicht berufstätig gewesen, sondern habe lediglich Familienleistungen bezogen, - dem die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit einem Verweis auf einen vorhandenen Lohnzettel der Ehefrau entgegentritt - verstößt gegen das im Verwaltungsverfahren geltende Neuerungsverbot. Dies gilt auch für die Beschwerdeausführungen, wonach die Eheleute in Wien über keine eigene Waschmaschine verfügt hätten.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Familienheimfahrten wird schließlich auch nicht mit dem Vorbringen untermauert, dass die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr durch jenes Finanzamt erfolgt sei, welches für den in der Steiermark gelegenen Wohnsitz des Beschwerdeführers zuständig ist.
Dass die belangte Behörde eine örtliche Unzuständigkeit des Finanzamtes nicht aufgegriffen habe, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Solches ergibt sich im Hinblick auf die Bestimmung des § 73 erster Satz BAO (vor dessen Aufhebung durch das BGBl. I Nr. 9/2010) auch nicht aus der, dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Sachverhaltsannahme des überwiegenden Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Wien. Die Zuständigkeit der belangten Behörde beruht auf dem Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat, BGBl. I Nr. 97/2002, in Verbindung mit der jeweiligen von der Vollversammlung des unabhängigen Finanzsenates beschlossenen Geschäftsverteilung.
2. Geldstrafen
Bei Geldstrafen, deren Verhängung durch das eigene Verhalten des Steuerpflichtigen ausgelöst worden ist, ist davon auszugehen, dass die Zuwiderhandlungen, die zur Bestrafung führen, nicht in den Rahmen einer normalen Betriebsführung fallen und demnach nicht im Betrieb als solchem, sondern im schuldhaften Verhalten des Steuerpflichtigen ihre auslösende Ursache haben. Derartige dem Betriebsinhaber auferlegte Strafen sind in der Regel nicht abzugsfähig (vgl. zusammenfassend das hg. Erkenntnis vom , 99/13/0221).
Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die im Rahmen beruflicher Verrichtungen ein Fehlverhalten setzen (vgl. zum EStG 1972 schon das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/14/0069).
Geldstrafen sind in der Regel der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen zuzuzählen.
Ausnahmen hat der Verwaltungsgerichtshof bei Vorliegen eines engen Zusammenhanges mit der Einkunftserzielung anerkannt, wenn die Geldstrafen vom Nachweis eines Verschuldens unabhängig sind oder auf ein nur geringes Verschulden zurückzuführen sind (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom ).
Der Beschwerdeführer behauptet zwar, dass diese Voraussetzungen gegenständlich erfüllt wären, "jedes Mal (sei nur) Versehen bzw nur geringes Verschulden" vorgelegen, ohne jedoch konkrete Sachverhalte vorzutragen, die die vom Beschwerdeführer vorgenommene rechtliche Beurteilung seines Fehlverhaltens als bloß geringfügig erkennen ließen (zu Geschwindigkeitsüberschreitungen vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom , 96/14/0022).
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am