VwGH vom 11.04.2011, 2010/17/0135
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätin Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des Magistrats der Stadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-05/K/34/2365/2010-1, betreffend Übertretung des Wiener Parkometergesetzes (mitbeteiligte Partei: T R in R), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom betreffend eine durch den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Mitbeteiligten T.R. begangene Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf.
Die belangte Behörde legte dabei ihrer Entscheidung zugrunde, dass ein näher bezeichnetes Fahrzeug am zu einer näher genannten Uhrzeit in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien von einem Kurzparkzonenüberwachungsorgan überprüft worden sei. Dieses habe dabei festgestellt, dass der im Kraftfahrzeug befindliche Parkschein entfernte Entwertungen aufwies; außerdem sei die angekreuzte Abstellzeit mit Bleistift und somit nicht haltbar vorgenommen worden und habe das Jahr gefehlt.
Daraufhin erging nach dem Akteninhalt eine mit datierte erstbehördliche Strafverfügung wegen Hinterziehung der Parkometerabgabe gegen eine näher angeführte "Kraftfahrzeug-Halterin". Diese wendete dagegen mit Einspruch vom ein, dass das Fahrzeug nicht von ihr, sondern von T.R. gelenkt worden sei; nach Auskunft des Lenkers sei der Parkschein ordnungsgemäß entwertet worden.
Die Behörde erster Instanz erließ nunmehr eine Strafverfügung gegen T.R. Die betreffende Erledigung wurde zunächst im direkten Postweg an diesen gesendet, von ihm aber nicht behoben.
Die Behörde erster Instanz ersuchte nunmehr das Regierungspräsidium Freiburg im Breisgau unter Hinweis auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, um Zustellung (unter anderem) der gegenständlichen Strafverfügung zu eigenen Handen von T.R. Nach dem im Akt befindlichen Zustellzeugnis wurde die Sendung nach einem vergeblichen Zustellversuch im zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt; der Tag der Zustellung sei der gewesen.
In seinem gegen die Strafverfügung gerichteten Einspruch, der am zur Post gegeben wurde, führte T.R. unter anderem aus, dass er seit zahlungsunfähig sei.
Mit dem vor der belangten Behörde angefochtenen Straferkenntnis vom entschied die Behörde erster Instanz ausschließlich über die verhängte Strafe bzw. die Kosten. Sie setzte die Geldstrafe von EUR 140,-- auf EUR 70,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 48 auf 24 Stunden herab; gemäß § 64 Abs. 2 VStG wurde der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag mit 10 % der Geldstrafe festgesetzt.
Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, eine weitere Herabsetzung sei im Hinblick auf die schwere Verschuldensform (Abgabenhinterziehung durch Verwendung eines manipulierten Parkscheines) nicht in Betracht gekommen. Die Strafe solle durch ihre Höhe geeignet sein, wirksam von einer Wiederholung abzuhalten. Mildernd sei das Fehlen von Vorstrafen nach dem Wiener Parkometergesetz zu werten gewesen; eine Geldstrafe sei auch dann gerechtfertigt, wenn der Bestrafte kein Einkommen beziehe.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid in rechtlicher Sicht davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Rechtmäßigkeit der Zustellung der erstinstanzlichen Strafverfügung an T.R. nach dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955, und nicht nach dem Amtshilfevertrag und Rechtshilfevertrag BGBl. Nr. 526/1990, zu beurteilen sei. Es liege daher - wie noch näher begründet wird - keinesfalls eine rechtswirksame Zustellung der erstbehördlichen Strafverfügung vom vor. Soweit sich der erstinstanzliche Bescheid darauf stütze, dass damit eine Strafe für eine mit dieser Strafverfügung bereits dem Grunde nach rechtskräftig festgestellte Verwaltungsübertretung bestimmt werden solle, sei für eine solche Herabsetzung auf Grund einer überhaupt fehlenden Bestrafung kein Platz, weshalb das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben gewesen sei.
Die beschwerdeführende Partei bekämpft mit ihrer auf § 14a des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, LGBl. für Wien Nr. 53/1990, gestützten Amtsbeschwerde diesen Bescheid der belangten Behörde ausschließlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof vor, mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom , BGBl. III Nr. 202/2002, zum sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages vom zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, sei festgelegt worden, dass Zustellungen wie die hier gegenständliche nicht nach diesem Abkommen vorzunehmen seien. Es sei vielmehr der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, anzuwenden, dies entgegen der Ansicht der belangten Behörde.
Dieses Vorbringen ist grundsätzlich zutreffend (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/17/0182, mit dem die vorangegangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die erwähnte Verordnung des Bundesministers für Finanzen mit näherer Begründung als überholt erkannt wurde).
Im Beschwerdefall erwies sich der angefochtene Bescheid jedoch schon aus anderen Erwägungen als rechtswidrig, weshalb die Frage, welches der genannten Rechtshilfeabkommen zur Beurteilung der Zustellung heranzuziehen sei, letztlich nicht entscheidungswesentlich ist:
Schon auf Grund des von T.R. erhobenen Einspruches gegen die erstinstanzliche Strafverfügung steht fest, dass diese ihm zugekommen ist. Die Behörde erster Instanz hat den Einspruch auch nicht als verspätet zurückgewiesen (hinsichtlich der Frage der Rechtzeitigkeit einer Parteihandlung unterscheidet sich somit der vorliegende Fall von demjenigen, den der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0044, zu beurteilen hatte), sondern vielmehr einer meritorischen Erledigung zugeführt. Auch die belangte Behörde ging (wohl zutreffend) nicht von einer Verspätung des Einspruches aus, sodass sie - gleich welches Rechtshilfeabkommen anzuwenden gewesen wäre - die nach § 7 Zustellgesetz eingetretene Heilung eines allfälligen Zustellmangels ihrer Entscheidung zugrunde zu legen gehabt hätte (vgl. auch hiezu wieder näher das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/17/0182).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-79566