VwGH vom 30.04.2013, 2013/05/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der V GmbH in Wien, vertreten durch Mag. Peter Abmayer, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Wienerstraße 2/1, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 186489/2012, betreffend Baueinstellung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich im Wesentlichen Folgendes:
Im Zuge einer Erhebung vor Ort am auf der Liegenschaft A-Straße 16 wurde festgestellt, dass (bei der Durchführung des bewilligten Bauvorhabens zur Aufstockung des bestehenden Gebäudes sowie eines Aufzugsschachtzubaues und baulicher Änderungen im Erdgeschoß) an der gartenseitigen Front, angrenzend zur Liegenschaft A-Straße 14, mit der Herstellung eines eingeschoßigen Zubaues in massiver Bauweise (Ziegel und Stahlbeton) im Ausmaß von ca. 12 m2 begonnen wurde. Im Zeitpunkt der Erhebung ist der Rohbau bereits ausgeführt gewesen und das Dach aufgesetzt worden. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde gemäß § 127 Abs. 8a iVm § 127 Abs. 8 lit. a der Bauordnung für Wien (BO) die Einstellung der Bauführung verfügt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG (nach einer geringfügigen Änderung im Spruch) als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die vom Amtssachverständigen bei der Ortserhebung am getroffenen und durch Fotos untermauerten Feststellungen über den begonnenen und nicht vollendeten Bau seien von der Beschwerdeführerin ebensowenig bestritten worden wie ihre Eigenschaft als Bauherrin. Weiters sei auch nicht bestritten worden, dass die Bauführung ohne Erwirkung einer baubehördlichen Bewilligung begonnen worden sei. In der Berufung werde vorgebracht, dass es sich nicht um einen Zubau, sondern um eine bewilligungsfreie Baulichkeit gemäß § 62a Abs. 1 Z. 5 BO handle. Dem Akteninhalt, insbesondere den im Akt einliegenden Fotoaufnahmen, sei aber zu entnehmen, dass die Baulichkeit über eine jederzeit öffenbare Glastüre mit dem Wohngebäude verbunden sei, wodurch der Wohnraum und damit auch das bestehende Gebäude eine Vergrößerung erfahre. Unabhängig davon, dass die gegenständliche Baulichkeit in Massivbauweise (Ziegel und Stahlbeton) errichtet werde und somit nicht aus einem für Baulichkeiten im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 5 BO typischerweise verwendeten Material (z.B. Holz, Metall) bestehe, führe bereits der Umstand, dass, wie sich den Fotoaufnahmen zweifelsfrei entnehmen lasse, die Baulichkeit kein eigenständiges Bauwerk darstelle, sondern durch sie der Wohnraum und somit auch die Kubatur des Gebäudes vergrößert würden, dazu, dass von einem Zubau gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO auszugehen sei. Dass die Ausmaße des § 62a Abs. 1 Z. 5 BO eingehalten würden, vermöge daran nichts zu ändern, da diese Bestimmung im vorliegende Fall nicht zum Tragen komme. Auf Grund des ermittelten Sachverhaltes stehe fest, dass für die bauliche Maßnahme eine baubehördliche Bewilligung erforderlich sei, die bis zur Verfügung der Baueinstellung nicht erwirkt worden sei.
In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht ausreichend geklärt, sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen und habe das Parteiengehör missachtet. Der Baustopp sei inmitten der Bauphase erlassen worden, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Baulichkeit gerade einmal ca. zur Hälfte fertiggestellt gewesen sei. Die belangte Behörde habe damals noch gar nicht wissen können, wie das fertiggestellte Bauwerk letztlich aussehen werde. Die Feststellung, dass die Baulichkeit in keiner Weise in den Gebäudeverband miteingezogen sei, sei unterlassen worden, es fehle nämlich an der Integration der Grundfläche und es sei keine feste Verbindung mit dem Wohnhaus vorhanden. Die Baulichkeit stehe zwar unmittelbar am Hauptgebäude an, weise aber weder einen Kraftschluss noch sonst irgendeine feste Verbindung mit dem Hauptgebäude auf. Sie sei nicht einmal an das Hauptgebäude angelehnt. Außerdem werde sie zur Gänze verglast und sei dann vom Garten und von der Balkontüre zugänglich, was eine vollkommene Abgrenzung bedeute. Die bauliche Abtrennung vom Hauptgebäude sei daher eindeutig gegeben, und es handle sich somit um ein nicht bewilligungspflichtiges, selbständiges Nebengebäude gemäß § 62a Abs. 1 Z. 5 BO. Es bestehe jedenfalls ein Baukonsens, und die gegenständliche Baulichkeit, als nicht bewilligungspflichtiges Gebäude, könne im Rahmen der Baubewilligung sowie auch der Planwechselbewilligung errichtet werden, als bewilligungsfreies Nebengebäude. Die für die Pläne erwirkte Baubewilligung oder Bauanzeige erstrecke sich nicht auf dieses nicht bewilligungspflichtige Gebäude. In der Baubewilligung sei außerdem eindeutig ersichtlich, dass die konstruktive und bauphysikalische Gebäudehülle des Hauptgebäudes unverändert bestehen bleibe und in die Bausubstanz des Hauptgebäudes durch die Errichtung der Baulichkeit in keiner Weise eingegriffen werde. Die Baulichkeit werde somit als nicht bewilligungspflichtiges, selbständiges Nebengebäude qualifiziert. Die Auffassung der belangten Behörde, ein Zubau sei laut einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom immer dann gegeben, wenn die Kubatur eines Gebäudes vergrößert werde, sei veraltet. Die Gesetzeslage sei mittlerweile geändert worden. Zum damaligen Zeitpunkt habe es noch keine bewilligungs- und anzeigefreien Baulichkeiten gegeben. Die Ausnahmeregelung habe in der Entscheidung des Höchstgerichtes nicht berücksichtigt werden können. Die Baulichkeit führe auch nicht dazu, dass das Hauptgebäude so geändert werde, dass es als ein anderes anzusehen sei. Die Bauordnung verweise nirgends auf die für selbständige Nebengebäude zulässige Bauweise und Baumaterialien. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass die Massivbauweise oder das verwendete Material einen Rückschluss auf die Qualifikation als Zu- oder Nebenbau zuließe. Die belangte Behörde berücksichtige auch nicht, dass die Kubatur im Bauwesen das Volumen eines Bauwerks unabhängig von der Gestaltung oder Materialität bezeichne. Da die belangte Behörde selbst auf das Kriterium der Vergrößerung der Kubatur abstelle, gestehe sie damit ein, dass es auf die Massivbauweise und das verwendete Material gar nicht ankommen könne. Dem Gesetz sei auch nicht zu entnehmen, dass der direkte Zutritt in das Nebengebäude über das Hauptgebäude einer Qualifikation als selbständiges Nebengebäude entgegenstünde. Das Gesetz regle auch nicht, dass der direkte Zutritt über das Hauptgebäude Merkmal eines Zubaus sei. Tatsächlich könne es sich bei der gegenständlichen Baulichkeit um keinen Zubau handeln, da es bereits an einer festen Verbindung mit dem Hauptgebäude im Sinne eines Kraftschlusses fehle. Die Baulichkeit werde zwar direkt Mauer an Mauer zum Hauptgebäude errichtet, sei aber weder in irgendeiner Weise mit diesem fest verbunden noch in den Gebäudeverband integriert. Durch die Balkontür des Hauptgebäudes, die dicht abschließe, ergebe sich außerdem eindeutig eine bauliche Trennung zwischen dem Wohnraum und der gegenständlichen Baulichkeit. Auch könne auf Grund der geringen Maße nicht von einer Vergrößerung des Wohnraumes gesprochen werden und schon gar nicht von einer solchen Änderung des Gebäudes, dass es sich nun um ein anderes Gebäude handle. Da die Grundfläche der Baulichkeit unter 12 m2 liege und die Gebäudehöhe 2,5 m nicht überschreite, seien alle Voraussetzungen des § 62a Abs. 1 Z. 5 BO erfüllt und müsse die Baulichkeit als nicht bewilligungspflichtiges, selbständiges Nebengebäude qualifiziert werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 60 der Bauordnung für Wien (BO) idF LGBl. Nr. 25/2009
lautet auszugsweise:
"Ansuchen um Baubewilligung
§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:
a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Bauwerke die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. Ein einzelnes Gebäude ist ein raumbildendes Bauwerk, das in seiner Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet und nicht durch Grenzen eines Bauplatzes oder Bauloses oder durch Eigentumsgrenzen geteilt ist, ausgenommen die zulässige Bebauung von Teilen des öffentlichen Gutes. Der Bezeichnung als ein einzelnes Gebäude steht nicht entgegen, dass in ihm Brandmauern enthalten sind oder es auf Grundflächen von verschiedener Widmung, verschiedener Bauklasse oder verschiedener Bauweise errichtet ist. Ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein. Flugdächer mit einer bebauten Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude. Zubauten sind alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Unter Umbau sind jene Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoß betreffen. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoß gilt nicht als Umbau.
…"
§ 62a BO idF LGBl. Nr. 25/2009 lautet auszugsweise:
"Bewilligungsfreie Bauvorhaben
§ 62a. (1) Bei folgenden Bauführungen ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:
…
5. Gartenhäuschen, Lauben, Saletteln, Geräte- und Werkzeughütten und dergleichen mit einer Grundfläche von höchstens 12 m2 und einer Gebäudehöhe beziehungsweise lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von höchstens 2,50 m im Bauland, auf Grundflächen für Badehütten und im Erholungsgebiet - Sport-und Spielplätze;
…"
§ 82 BO idF LGBl. Nr. 25/2009 lautet auszugsweise:
"Nebengebäude
§ 82. (1) Nebengebäude sind Gebäude oder gesondert in Erscheinung tretende Teile eines Gebäudes, wenn sie nicht mehr als ein über dem anschließenden Gelände liegendes Geschoß aufweisen, keine Aufenthaltsräume enthalten und eine bebaute Grundfläche von nicht mehr als 100 m2, in Gartensiedlungsgebieten von nicht mehr als 5 m2 haben.
…"
§ 127 BO idF LGBl. Nr. 24/2008 lautet auszugsweise:
"§ 127. …
(8) Die Bauführung darf nicht weitergeführt werden, wenn
a) ein Bau ohne Baubewilligung oder entgegen den Bestimmungen des § 62 oder des § 70a ausgeführt wird;
b) der Prüfingenieur oder der Bauführer der Behörde nicht bekanntgegeben worden ist;
c) nicht entsprechende Baustoffe verwendet oder entsprechende Baustoffe unfachgemäß verwendet werden;
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d) | Konstruktionen mangelhaft ausgeführt werden; |
e) | Schalungen oder Pölzungen mangelhaft sind; |
f) | die erforderlichen statischen Unterlagen auf der Baustelle nicht aufliegen oder mangelhaft sind; |
g) | der Untergrund den Annahmen nicht entspricht, die den statischen Unterlagen zugrunde liegen. |
(8a) Wird die Bauführung entgegen Abs. 8 weitergeführt und erlangt die Behörde davon Kenntnis, hat sie den Bau einzustellen. Darüber ist möglichst binnen drei Tagen an den Bauherrn, den Bauführer oder den sonst Verantwortlichen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen; einer Berufung gegen diesen Bescheid kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu.
…"
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob der gegenständliche Bau, dessen Bauführung auf Grund des Nichtvorliegens einer erforderlichen Baubewilligung eingestellt wurde, baubewilligungspflichtig oder baubewilligungs- und bauanzeigefrei ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es im vorliegenden Zusammenhang auf die verwendeten Baumaterialien ankommt (vgl. dazu, dass diese bei der Beurteilung, ob eine Baulichkeit kleineren Umfanges iSd § 6 Abs. 3 BO vorliegt, keine Rolle spielen, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0176; zur Relevanz derselben bei der Frage, ob eine Pergola vorliegt, vgl. hingegen die bei Moritz , Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 170 zitierte hg. Rechtsprechung; vgl. ferner, allerdings nicht iZm der Frage der Notwendigkeit einer Baubewilligung vor der Errichtung, § 85 Abs. 1 BO und § 15 Abs. 1 Wiener Kleingartengesetz).
Die Frage der Bewilligungspflicht oder der Bewilligungs- und Anzeigefreiheit hängt nämlich in einem Fall wie dem hier gegebenen jedenfalls davon ab, ob der Bau ein Zubau zum (Haupt)gebäude iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO oder eine bewilligungsfreie bauliche Anlage im Sinne des § 62a BO ist, wobei hier die Z. 5 des Abs. 1 der zuletzt genannten Bestimmung in Frage kommt.
Im hier gegebenen Zusammenhang mit der Bewilligungspflicht ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Bau ein Nebengebäude darstellt oder nicht, da ein solches sowohl ein eigenständiges Gebäude als auch ein gesondert in Erscheinung tretender Teil eines anderen Gebäudes sein kann (vgl. § 82 Abs. 1 BO).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es aber von Bedeutung, dass ein Gebäude gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO ein raumbildendes Bauwerk ist, das in seiner Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet. Dies muss auch für Gebäude im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 5 BO gelten. Nun ist es zwar möglich, dass ein Gebäude (eine raumbildende bauliche Anlage) im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 5 BO unmittelbar an ein anderes angebaut wird. Dann aber, wenn diese raumbildende Baulichkeit, mag sie auch sonst die Kriterien des § 62a Abs. 1 Z 5 BO erfüllen, wie hier direkt durch eine Türe von einem Raum des anderen Gebäudes aus betreten werden kann, liegt die erforderliche körperliche Einheit in Bezug auf diesen Bau, der allenfalls § 62a Abs. 1 BO unterliegen könnte, nicht mehr vor, sondern entsteht eine Vergrößerung des anderen Gebäudes durch einen weiteren Raum. Dabei kommt es auf die konkrete bautechnische Verbindung der Baulichkeiten nicht mehr weiter an. Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, wenn sie die gegenständliche Baulichkeit als Zubau und damit als bewilligungspflichtig qualifiziert hat.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am