VwGH vom 07.07.2011, 2008/15/0143

VwGH vom 07.07.2011, 2008/15/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der E P in P, vertreten durch die Kosch Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bäckerstraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0016-G/05, betreffend Einkommensteuer 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war im Streitjahr 2002 beschränkt steuerpflichtig mit den Einkünften aus einer in Österreich gelegenen Land- und Forstwirtschaft (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988) und einem in Österreich gelegenen Vermietungsobjekt.

In der Berufung gegen den erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheid 2002 begehrte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine auch das Jahr 1997 umfassende abgabenbehördliche Prüfung, im Rahmen derer die Beschwerdeführerin mit dem Bestreben zur Erlangung einer Restitution von in Tschechien gelegenem Vermögen zusammenhängende Aufwendungen ("Prozesskosten") als Betriebsausgaben des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes anerkannt wissen wollte, die erstmalige Dotierung einer Rückstellung zur Vorsorge von mit dem Restitutionsbegehren zusammenhängenden künftigen Prozesskosten (in Höhe von 308.000 EUR).

Dazu brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, es habe sich mittlerweile ergeben, dass ihr im väterlichen Testament als Universalerbe eingesetzter Adoptivbruder KJ seine Erbenstellung verwirkt habe. Die Ansprüche seien auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Im väterlichen Testament seien dem bzw. den Erben auch die Ansprüche gegen den tschechoslowakischen Staat auf das tschechische Vermögen vermacht worden. Der Erbe sei testamentarisch dazu verhalten, diese Ansprüche geltend zu machen und die Naturalrestitution dieses Familienbesitzes anzustreben. Die Nichterfüllung dieser Auflage würde (auch) bei der Beschwerdeführerin zur Rechtsfolge des § 709 ABGB und damit zur Nachlassverwirkung (auch in Bezug auf den in Österreich gelegenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und Hausbesitz) führen. Die für die Verfolgung der Restitutionsansprüche anfallenden Kosten stünden daher in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Sicherung und Erhaltung der österreichischen Einkunftsquellen. Daher sei bei der Gewinnermittlung für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb eine entsprechende Rückstellung für künftige Prozesskosten zu bilden.

Mit Berufungsvorentscheidung nahm das Finanzamt eine Verböserung vor. Es verweigerte nicht nur die Anerkennung der in der Berufung begehrten Rückstellung, sondern erhöhte den erklärten Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft um den Betrag von 46.221,92 EUR, weil es feststellte, dass die Beschwerdeführerin mit dem Restitutionsbemühen zusammenhängende Aufwendungen (laufende Prozesskosten) in dieser Höhe bei der Gewinnermittlung bereits gewinnmindernd geltend gemacht hatte.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In der mündlichen Berufungsverhandlung betonte sie, kennzeichnend für den gegenständlichen Fall sei, dass die strittigen Aufwendungen der Vermeidung des Verlustes einer bereits bestehenden Einkunftsquelle dienten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und übernahm die mit der Berufungsvorentscheidung vorgenommene Abgabenfestsetzung.

Von rückstellungsfähigen Prozess- oder Verfahrenskosten könne nur gesprochen werden, wenn den betreffenden Aufwendungen eine betriebliche Veranlassung zugrunde liege.

Vermögensvermehrungen durch Erbschaften fänden in der einkommensteuerlich unbeachtlichen Privatsphäre des Erben statt, auch wenn das Nachlassvermögen ganz oder zum Teil der Einkunftserzielung diene. Aufwendungen des Erben, die mit dem Erwerb von Nachlassvermögen in Zusammenhang stünden, führten daher grundsätzlich weder zu Betriebsausgaben noch zu Werbungskosten.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, dass es nicht um Erbauseinandersetzungen oder Erbschaftsregelungen, sondern um die Vermeidung der Rechtsfolge nach § 709 ABGB und damit um die Sicherung hinterlassener inländischer Einkunftsquellen gehe, sei darauf zu verweisen, dass § 709 ABGB ausschließlich auf Erbschaftsregelungen (Zuwendung eines Nachlasses unter einem Auftrag) bezogen sei. Aufwendungen für das Einbringen einer Erbschaftsklage sowie mit der Restitution ausländischen Vermögens zusammenhängende Verfahrenskosten, die in der vermeintlichen Stellung als Erbin und in vermeintlicher Erfüllung eines letztwilligen Auftrages getätigt würden, seien nicht dem Erwerb oder Betrieb einer Land- und Forstwirtschaft (oder einer anderen Einkunftsquelle) zuzuordnen, sondern beträfen den nicht der Einkommensteuer unterliegenden Erwerb von Nachlassvermögen.

Kosten, die zeitversetzt aus der (vermeintlichen) Abwehr eines (vermeintlich drohenden) Verlustes des letztwillig Zugewendeten (hier: durch Legate erworbene inländische Einkunftsquellen) entstünden, befänden sich im gleichen Kausalzusammenhang wie Aufwendungen, die aus derartigen Auseinandersetzungen unmittelbar anfielen.

Damit stellten die im Wege einer Rückstellung für das Jahr 2002 geltend gemachten künftigen Prozesskosten schon dem Grunde nach keine rückstellungsfähigen Aufwendungen dar.

Auch die aus diesem Titel von der Beschwerdeführerin bei der Gewinnermittlung in Abzug gebrachten laufenden Prozesskosten könnten nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, "das Legat (recte Erbe)" wäre bei Nichterfüllung der im Testament festgelegten Auflage der Betreibung von Restitutionsansprüchen ex tunc weggefallen. Die Unterlassung der Auflagenerfüllung hätte nämlich zur Erbunwürdigkeit der Beschwerdeführerin geführt. Die Aufwendungen für die Auflagenerfüllung hätten also dazu gedient, den Wegfall der inländischen Einkunftsquellen zu vermeiden. Sie stellten damit als Abwehrkosten Betriebsausgaben dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Über die Beschwerde der auch im gegenständlichen Fall auftretenden Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid der belangten Behörde, mit dem diese hinsichtlich Einkommensteuer 1997 die Aufwendungen der Beschwerdeführerin aus der Betreibung der Restitutionsansprüche nicht als Betriebsausgaben anerkannt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, 2008/15/0142, abgesprochen. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass diese Aufwendungen aus der Erfüllung der im Testament festgelegten Auflage unabhängig davon, ob die Auflagenerfüllung vor oder nach der Übereignung des vermachten Vermögens erfolgt, nicht zu Betriebsausgaben (und auch nicht zu Werbungkosten) führen.

Jenem Beschwerdefall gleicht der gegenständliche Beschwerdefall sowohl hinsichtlich des rechtserheblichen Sachverhalts als auch der zu beantwortenden Rechtsfrage, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf jenes Erkenntnis verwiesen wird.

Hinsichtlich der Frage der Rückstellung kommt im Beschwerdefall dazu, dass die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren weder zu den weiteren Voraussetzungen der Rückstellungsbildung, wie etwa dem ernsthaften Drohen des Eintritts der Verpflichtung (vgl. Hofstätter/Reichel, § 9 EStG 1988, Tz 33ff), noch - im Hinblick auf die freiwillige Rückstellungsbildung bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 - zu den Voraussetzungen der Bilanzänderung (vgl. Hofstätter/Reichel, § 4 Abs. 2 EStG 1988 Tz 95ff und § 9 EStG 1988, Tz 18ff) ein Vorbringen erstattet hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am