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VwGH vom 28.05.2008, 2008/15/0136

VwGH vom 28.05.2008, 2008/15/0136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der A GmbH in K, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, 1. vom , GZ. RV/0462-I/06 (hg. 2008/15/0136), und 2. vom , GZ. RV/0463-I/06 (hg. 2008/15/0137), jeweils betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zu diesem Beitrag für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.342,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem Bericht vom über die Lohnsteuerprüfung hinsichtlich des Zeitraumes bis bei der beschwerdeführenden GmbH (in der Folge: Beschwerdeführerin) wurde festgestellt, dass für die Bezüge des mit 47,44 % am Kapital der Beschwerdeführerin beteiligten Geschäftsführer R.W. (hg. 2008/15/0136) kein Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe abgeführt wurde. In einer Beilage zum Bericht ist die Bemessungsgrundlage sowie der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag ziffernmäßig ausgewiesen.

In einem weiteren Bericht vom wurde auch hinsichtlich des mit 47,44 % am Kapital der Beschwerdeführerin beteiligten Geschäftsführer R.S. (hg. 2008/15/0137) festgestellt, dass kein Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe abgeführt wurde. In einer Beilage zu diesem Bericht ist die Bemessungsgrundlage, der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag ziffernmäßig festgehalten.

Das Finanzamt erließ hinsichtlich eines jeden Gesellschafter-Geschäftsführers und eines jeden Jahres mit datierte Haftungs- und Abgabenbescheide unter Verwendung des Bescheidvordruckes L 20. Die ziffernmäßige Angabe der "Bemessungsgrundlage", des "Dienstgeberbeitrages", des "Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag" und des Betrages "für den obigen Zeitraum bereits gebucht" blieb unausgefüllt. Lediglich die Zeile "somit verbleiben zur Nachzahlung" wurde durch Anfügung eines Betrages ergänzt. In der Begründung wurde auf den beiliegenden Bericht (Vordruck L 18) vom hingewiesen.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung beantragte die Beschwerdeführerin die Stornierung der festgesetzten Abgaben mit der Begründung, die auf Grund des Werkvertrages den Geschäftsführern bezahlten Honorare seien weder dienstgeberbeitrags- noch dienstgeberbeitragszuschlagspflichtig.

Mit den insoweit gleich lautenden Berufungsentscheidungen wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, fest stehe, dass die beiden Geschäftsführer ihre Tätigkeit durchgehend über den gesamten Zeitraum des Bestehens der Gesellschaft ausgeübt und zu "knapp unter 50 %" am Stammkapital beteiligt gewesen seien. Nach dem Gesellschaftsvertrag hätten Beschlüsse, soweit der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz nichts anderes bestimmten, der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedurft. Die mit Werkvertrag überschriebene Geschäftsführervereinbarung sehe unter anderem vor, dass der Auftragnehmer (Anmerkung: das ist der Geschäftsführer) bei der Erfüllung des Vertrages bzw. bei der Durchführung der von ihm übernommenen Tätigkeit hinsichtlich Zeiteinteilung und Gestaltung des Tätigkeitsablaufes keinen Weisungen des Auftraggebers unterliege. Es stehe ihm auch kein Urlaub zu. Der Auftragnehmer sei berechtigt, sich geeigneter Vertreter oder Gehilfen zu bedienen. Er sei nicht an die Verwendung bestimmter Arbeitsmittel des Auftraggebers gebunden. Der Auftragnehmer unterliege keinem wie immer gearteten Konkurrenzverbot.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe von Rechtssätzen aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 109/0, und dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2003/13/0018, aus, vorrangig seien die Weisungsgebundenheit und die organisatorische Eingliederung der Geschäftsführer zu prüfen. Eine Vereinbarung, wie im vorliegenden Werkvertrag, dass dem Geschäftsführer eine freie Einteilung seiner Arbeitszeit und des Ablaufes seiner Tätigkeit zugestanden werde, sei insbesondere bei Führungskräften absolut üblich und spräche nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Die Geschäftsführer seien mangels Sperrminorität oder ausreichender Beteiligung an der Gesellschaft weisungsgebunden und im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch die über einen längeren Zeitraum (während der gesamten Bestandsdauer der Gesellschaft) ausgeübte Tätigkeit für die Beschwerdeführerin auch als organisatorisch eingegliedert anzusehen. Die Voraussetzungen des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 - Vorliegen sonst aller Merkmale eines Dienstverhältnisses - in Bezug auf die Beschäftigung seien somit gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen diese Bescheide erhobenen, im Wesentlichen gleich lautenden Beschwerden verbunden und darüber nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde erwogen:

Die rechtlichen Voraussetzungen der Erzielung von Einkünften nach § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der zu 50 % oder mehr an einer Kapitalgesellschaft beteiligten oder über eine Sperrminorität verfügenden Personen im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, auf dessen Gründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, klar gestellt. Mit Erkenntnis vom , 2007/15/0095, auf dessen Gründe ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass auch in Ansehung der Geschäftsführer, deren Beteiligung 50 % nicht erreicht und die auch nicht über eine Sperrminorität verfügen - von seltenen Ausnahmen abgesehen - entscheidende Bedeutung dem Umstand zukommt, ob die Geschäftsführer bei ihrer Tätigkeit in den betrieblichen Organismus des Unternehmens der Gesellschaft eingegliedert sind, und dass weiteren Elementen eine Bedeutung für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 nur in solchen Fällen zukommen kann, in denen eine Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft nicht klar zu erkennen wäre.

Die Feststellung der belangten Behörde, die zu jeweils 47,44 % an der Beschwerdeführerin beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer seien in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin eingegliedert, wird in der Beschwerde nicht bestritten. Dass im Beschwerdefall einer der seltenen Ausnahmefälle vorläge, in denen ein Gesellschafter-Geschäftsführer nicht als Dienstnehmer seiner Gesellschaft anzusehen wäre, zeigt die Beschwerde mit ihrem Hinweis auf die außerhalb des gesellschaftsrechtlichen Bereiches eingeräumte Weisungsungebundenheit nicht auf. Vor dem Hintergrund des funktionalen Verständnisses vom Begriff der Eingliederung in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft wurden in der Judikatur den Sachverhaltskomponenten der Anwesenheit des Gesellschafter-Geschäftsführers in den Betriebsräumlichkeiten der Gesellschaft, der Vorgabe eines festen Arbeitsplatzes und einer festen Arbeitszeit und des Unterworfenseins unter betriebliche Ordnungsvorschriften keine Bedeutung zugebilligt (vgl. nochmals das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2003/13/0018).

Die Beschwerde kann daher insofern keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzeigen.

Die Beschwerdeführerin erblickt eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide auch darin, dass die belangte Behörde die Verstöße der Abgabenbehörde erster Instanz gegen § 198 Abs. 2 BAO, wonach die Abgabenbescheide auch die Bemessungsgrundlage und den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu enthalten haben und gegen § 201 BAO, wonach die gesamte Abgabe und nicht nur die Nachforderung festzusetzen ist, nicht aufgegriffen hat.

Nach § 201 BAO ist ein Abgabenbescheid (nur) zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Da sich die Selbstberechnung der von der beschwerdeführenden Gesellschaft geschuldeten Dienstgeberbeiträge samt Zuschlag jedenfalls deswegen als unrichtig erwiesen hatte, weil sie die Bezüge ihrer wesentlich beteiligten Geschäftsführer diesen lohnabhängigen Abgaben nicht unterworfen hatte, lagen die Voraussetzungen zur Erlassung eines solchen Abgabenbescheides vor.

Die bescheidmäßige Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe hat sich auf die gesamte im Bemessungszeitraum zu entrichtende Abgabe und nicht bloß auf eine restliche und nur bestimmte Sachverhalte in Betracht ziehende Abgabenforderung zu erstrecken (vgl. mit weiteren Nachweisen das hg. Erkenntnis vom , 95/16/0321). Der Dienstgeberbeitrag stellt gemäß § 41 Abs. 3 FLAG eine einheitliche Abgabe dar, die von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen ist, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind. Dessen ungeachtet hat das Finanzamt die Beschwerdeführerin mit gesondertem Bescheid für jeden Gesellschafter-Geschäftsführer zur Nachzahlung eines bestimmten Betrages an Dienstgeberbeitrag (samt Zuschlag) verpflichtet. Damit ist das Finanzamt seiner Pflicht zur einheitlichen Festsetzung der Abgaben nicht nachgekommen.

Die belangte Behörde hat die Rechtswidrigkeit der erstinstanzlichen Abgabenfestsetzung nicht aufgegriffen und die angefochtenen Bescheide daher gleichfalls mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am