VwGH vom 17.02.2020, Ra 2018/17/0182
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Dr. Koprivnikar und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision des M Z in R, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-S-1553/001-2017, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich),
1. zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt. Es wurden über ihn drei Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Weiters wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens vorgeschrieben. Er habe als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ eines näher bezeichneten Unternehmens drei näher konkretisierte Glücksspielgeräte in einem konkret genannten Lokal unternehmerisch zugänglich gemacht.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge. Es ergänzte die Strafsanktionsnorm im Rahmen einer Maßgabebestätigung durch den Zusatz "i.V.m. § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG, BGBl. Nr. 620/189 i.d.F. BGBl. Nr. 118/2016", erlegte dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Bei der Strafbemessung sei zu berücksichtigen, dass am Tag der Kontrolle zwei "einschlägige rechtskräftige Bestrafungen" des Revisionswerbers wegen Übertretungen nach "§ 32 Abs. 1 Z 1 GSpG" vorgelegen seien und daher der zweite Strafsatz gemäß § 52 Abs. 2 GSpG anzuwenden sei. 3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung. 5 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 2.1. Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. , mwN).
9 2.2. Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision zu erwidern, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum , Pfleger, C-390/12. 10 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie bis 0049, Rn. 24 ff; ).
11 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht das in § 14 Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG) statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher bis 0049, Rn. 34 ff). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt sich im Revisionsfall keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
12 2.3. Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass sich die Revision in diesem Umfang als unzulässig erweist. 13 3.1. Soweit die Revision jedoch vorbringt, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 3 VStG, wonach im Spruch u. a. auch die richtige Strafnorm anzuführen sei (der Revisionswerber führt dazu aus, das Verwaltungsgericht hätte den für ihn günstigeren ersten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG heranzuziehen gehabt), erweist sie sich als zulässig. Sie ist auch begründet.
14 3.2. Die Staffelung der Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG orientiert sich nach dem Willen des Gesetzgebers (siehe dazu ErläutRV 24 BlgNR 24. GP, 23) an der Staffelung der Mindest- und Höchststrafen in § 28 Abs. 1 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (Aus lBG) (vgl. etwa auch ). 15 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, kann von einer "Wiederholung" im Sinn dieser Gesetzesbestimmungen nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine einschlägige Vorstrafe vorliegt (etwa ). Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein "Wiederholungsfall" im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt (vgl. , jeweils zu § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG).
16 Der im Fall "der erstmaligen und weiteren Wiederholung" vorgesehene vierte (und hinsichtlich der Strafhöhe strengste) Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (, mwN).
17 Der im Fall "der erstmaligen und weiteren Wiederholung" vorgesehene zweite Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes demgegenüber die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem ersten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung in diesem Fall doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (). 18 Waren die vom Verwaltungsgericht als strafsatzerhöhend herangezogenen beiden Vortaten keine dem ersten Strafsatz unterliegenden Übertretungen, war die von ihm angenommene Voraussetzung für die Heranziehung des zweiten Strafsatzes im Revisionsfall nicht gegeben. Eine das Vorliegen eines strengeren Strafsatzes nicht rechtfertigende Vortat kann in einem solchen Fall jedoch als Erschwerungsgrund herangezogen werden (vgl. wiederum , mwN). 19 3.3. Da im angefochtenen Erkenntnis weder die "einschlägigen rechtskräftigen Bestrafungen" näher dargestellt werden noch eine nachvollziehbare Begründung für die Heranziehung des zweiten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG enthalten ist, liegt ein Begründungsmangel vor, der einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. , mwN). 20 Das angefochtene Erkenntnis entzieht sich nämlich insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit; es war daher im Umfang seines Strafausspruchs sowie hinsichtlich der Verfahrenskosten gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
21 Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.
22 4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018170182.L00 |
Schlagworte: | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete |
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