VwGH vom 24.06.2010, 2008/15/0095
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der V AG in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GesmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstraße 41-43, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/1480-L/02, betreffend Umsatzsteuer 1996 und 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist nach diversen Umgründungsvorgängen Rechtsnachfolgerin der umsatzsteuerlichen Organträgerin der V GmbH, welche in den Streitjahren 1996 und 1997 einen Schlachthof betrieben hat. Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung gelangte der Prüfer zur Ansicht, dass Umsatzsteuerbeträge, die in Rechnungen der AP GmbH über die Lieferung von Schweinen an die V GmbH ausgewiesen waren, aus folgenden Gründen nicht als Vorsteuern anzuerkennen seien:
Die AP GmbH sei am am Sitz des Notars Dr. L in G. von Michel A. und Henry L. gegründet worden. Die Firmengründung habe noch vor dem Inkrafttreten der Maßnahmen zur "Reorganisation der USt-Kontrolle" stattgefunden, weshalb kein Antrittsbesuch durch das Finanzamt erfolgt sei. Die Firmenbucheintragung sei am erfolgt, Henry L. sei am als Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden, sodass Michel A. als Alleingesellschafter (und Geschäftsführer) verblieben sei. Als Sitz der Gesellschaft habe der Amtssitz des Notars Dr. L. gedient. Über eigene Räumlichkeiten habe die Gesellschaft nach dem Ermittlungsstand der Finanzverwaltung nie verfügt. Es sei lediglich beim Postamt in G. ein Postfach angemietet worden, zu dem nur der Gesellschafter Michel A. Zugang gehabt habe. Die Gesellschaft habe über keinen eigenen Telefon- oder Faxanschluss verfügt. Beim Finanzamt sei sie unter einer näher angeführten Steuernummer geführt worden, Zustellungsbevollmächtigter sei der Steuerberater gewesen, eine UID-Nummer sei bis gültig gewesen.
Im Oktober 1997 sei betreffend die AP GmbH vorerst eine Umsatzsteuersonderprüfung angeregt worden, weil keine Voranmeldungen abgegeben worden seien. Da keine Steuererklärungen abgegeben worden seien, seien die Erklärungen 1995 und 1996 abberufen worden. Nach telefonischer Urgenz durch das Veranlagungsreferat beim Steuerberater seien die Erklärungen für 1995 und 1996 beim Finanzamt eingelangt, wobei Umsätze mit Null und keine innergemeinschaftlichen Erwerbe erklärt und als Vorsteuer ÖS 4.040,-- im Jahr 1995 und ÖS 290,-- im Jahr 1996 geltend gemacht worden seien.
Der Prüfer des Finanzamtes habe während einer abgabenbehördlichen Prüfung im Zeitraum bis weder mit dem Geschäftsführer des Unternehmens Michel A., noch mit anderen Personen, die der Gesellschaft zurechenbar gewesen sein könnten, irgendeinen Kontakt aufnehmen können. Als Ansprechpersonen seien dem Prüfer der Notar Dr. L., der bloß die Gesellschaftsgründung durchgeführt habe, und der Steuerberater zur Verfügung gestanden. Der Steuerberater habe bei der Schlussbesprechung beim Finanzamt am angegeben, dass er keinen Kontakt zur Mandantschaft gefunden habe. Es seien weder Lohnaufwendungen noch Provisionsabrechnungen aufgeschienen, auch nicht von Claude P., der nach seiner Aussage vor Beamten der "Brigade de Controle et de Recherches" (in der Folge: BCR) die Provisionsabrechnungen für seine Vermittlungstätigkeit zwar an die AP GmbH adressiert, aber an die EP S.A. gesandt habe. Es habe weder am "Firmensitz" noch beim Steuerberater Eingangsrechnungen über Schweineeinkäufe gegeben. Aus einem Bericht der luxemburgischen Steuerbehörde über Erhebungen bei der EP S.A. habe sich ergeben, dass diese Gesellschaft im Zeitraum bis keine Rechnungen an österreichische Kunden ausgestellt habe (somit auch nicht an die AP GmbH). Alle Lieferungen nach Österreich seien über die MA GmbH verrechnet worden. An dieser Gesellschaft sei Michel A. ebenfalls beteiligt. Der Kontakt zur V GmbH sei durch einen Telefonanruf von Claude P., der Schweine angeboten habe, hergestellt worden. Die erste Lieferung sei am erfolgt. Mit einem Fax habe Claude P. bekannt gegeben, dass die "Rechnung für die Schweine" über die Adresse der AP GmbH "komme". Die weitere Kontaktaufnahme sei durch Claude P. oder über eine ausländische Telefonnummer, unter der Claude P. von den Einkäufern der V GmbH zu erreichen gewesen sei, erfolgt. Die "Übernehmer der Schecks" seien von Claude P. bekannt gegeben worden. Es gebe keine Hinweise auf Bezugspunkte zur AP GmbH. Horst H., der die Schecks übernommen habe, sei ein Dienstnehmer der EP S.A. gewesen. Rechnungen der AP GmbH seien über die Faxnummer der EP S.A. an die V GmbH gesandt worden. Im Bericht der BCR werde angeführt, dass Claude P. die österreichischen Schlachthöfe nicht über die Tatsache informiert habe, dass die AP GmbH nichts weiter als ein Briefkasten sei und "sie die Mehrwertsteuer wieder erlangen konnten".
Der Prüfer würdigte diese Ermittlungsergebnisse dahin, dass die AP GmbH zwar rechtlich existent sei, da sie im Firmenbuch eingetragen sei, das Umsatzsteuerrecht aber keine Unternehmenseigenschaft kraft Rechtsform kenne. Auch Kapitalgesellschaften besäßen Unternehmereigenschaft nur dann und insoweit, als sie durch Leistungen an Dritte im Wirtschaftsleben in Erscheinung träten. Die AP GmbH sei im Wirtschaftsleben nach Außen hin lediglich in der Form aufgetreten, dass Rechnungen nach den Angaben der V GmbH erstellt worden seien. Das Entleeren eines Postkastens durch den Geschäftsführer begründe aber ebenso wenig eine unternehmerische Tätigkeit wie das Vorhandensein eines Bankkontos, auf das Zahlungen eingingen. Auf Grund des ermittelten Sachverhaltes sehe die Finanzverwaltung in der AP GmbH keinen Unternehmer im Sinne des UStG.
An der auf den Rechnungen aufscheinenden Adresse habe die AP GmbH nie eine Geschäftstätigkeit entfaltet. Es schließe aber bereits die Angabe einer falschen Adresse eines leistenden Unternehmens für sich allein schon die Berechtigung des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug nach § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 aus. Selbst wenn die Unternehmereigenschaft der AP GmbH und die Lieferungen durch diese als erwiesen hätten angesehen werden können, so wäre auf den Rechnungen die Anschrift des liefernden Unternehmens im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 nicht angegeben, weil ein solches an der angegebenen Adresse nicht existiere. In seinem Erkenntnis vom , 99/13/0020, verweise der Verwaltungsgerichtshof auf seine frühere Judikatur und führe aus, dass auch die Angabe "nur" einer falschen Adresse nicht als "kleiner", dem Vorsteuerabzug hinderlicher Formalfehler angesehen werden könne. Die geltend gemachten Vorsteuern aus den Rechnungen der AP GmbH (bzw. Gutschriften an diese) seien daher nicht anzuerkennen.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 und 1997.
In einer dagegen erhobenen Berufung wurde im Wesentlichen vorgebracht, die AP GmbH sei bis 1999 in Österreich "ungestört tätig" gewesen. Erst dann seien die Finanzbehörden tätig geworden. Es habe eine Betriebsprüfung stattgefunden. Es seien Erhebungen durch die Prüfungsabteilung Strafsachen durchgeführt und letztlich Strafanzeigen wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges gegen alle Beteiligten (Geschäftsführer, Gesellschafter und sonstige als Vertreter auftretende Personen) der AP GmbH erstattet worden. Da diese offensichtlich ausschließlich im Ausland (Belgien, Frankreich, Deutschland) wohnhafte Personen seien, "konnten sie nach unserem Kenntnisstand weder vernommen noch wie beabsichtigt verhaftet werden". Lediglich Vertreter des Vorlieferanten EP S.A., Luxemburg und des Handelsagenten Claude P., Frankreich, hätten als Zeugen vernommen werden können. Der als Handelsagent auftretende Claude P. habe dabei angegeben, dass er seine Abrechnungen immer an die AP GmbH gelegt habe, sie jedoch an die Adresse von EP S.A. gesandt habe. In der Folge wurde die Ansicht vertreten, dass die AP GmbH "offensichtlich Geschäftstätigkeiten in Österreich ausgeübt" habe. "Des öfteren" sei auch "der unternehmerische Hintergrund der Gesellschaft hinterfragt und darauf der Gesellschaft plausible Antworten erteilt" worden. Auch sonst seien Geschäfte in einer Art getätigt worden, wie sie bei Schlachthöfen absolut üblich seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die AP GmbH sei weder Unternehmer im Sinne des UStG 1994 gewesen, noch habe sie Lieferungen erbracht, weil sie mangels Abschlusses von Verpflichtungsgeschäften gar keine Verfügungsmacht habe verschaffen können. Zudem hätten die Rechnungen nicht jene Merkmale aufgewiesen, die für einen Vorsteuerabzug erforderlich seien. In den umsatzsteuerlich relevanten Vorgang sei die AP GmbH erst dann eingeschaltet worden, wenn die Beschwerdeführerin Aufstellungen über die beförderten Fleischmengen übermittelt bzw. wenn sie eine Gutschrift erhalten habe. Der Vermittler Claude P. habe seine (an die AP GmbH gerichteten Rechnungen) an die EP S.A. (von der sie auch bezahlt wurden) gesandt. Die AP GmbH sei als reine Briefkastenfirma zu bezeichnen, die lediglich ein Postfach unterhalten habe und nach außen hin nicht in Erscheinung getreten sei. Die Aussagen der "handelnden" Personen könnten in ihrer Gesamtheit die Unternehmereigenschaft der AP GmbH nicht stützen, sondern untermauerten deren Briefkastenfunktion. Wenn die Beschwerdeführerin Nachweise für das Bestehen von Verpflichtungsgeschäften im üblichen Ablauf des Schweinehandels (über Vermittler, mündlich, ohne Zahlungsrisiko und ohne Vertrag) erkenne, so sei ihr insofern zu widersprechen, als Bestellungen ausschließlich über Claude P. bzw. Horst H. zu Stande gekommen seien. Mit der AP GmbH seien weder Gesamtlieferverträge noch Einzellieferverträge geschlossen worden. Wären solche über die Vermittler zu Stande gekommen, so hätte die EP S. A. (bei der auch der Gesellschafter Michel A. in nicht unwesentlicher Position tätig gewesen sei) an die AP GmbH verrechnen müssen, was sie aber nicht getan habe. Die Fakten sprächen daher gegen ein Verpflichtungsgeschäft zwischen der Beschwerdeführerin und der AP GmbH einerseits sowie der AP GmbH und der EP S.A. andererseits. Daran änderte auch das Auftreten des Vermittlers Claude P. nichts. Dieser habe zwar pro forma seine Provisionsrechnungen an die AP GmbH adressiert, diese aber der EP S.A. übermittelt. Die Buchhaltung der AP GmbH weise keinerlei Kosten für die Vermittlung von Lieferungen auf. Nach Ansicht der belangten Behörde sei der Vermittler nicht für die AP GmbH, sondern für "die EU-Lieferanten" aufgetreten. Dies werde durch die Ermittlungen bei Claude P. bestätigt, wonach dieser Michel A. nur einmal getroffen habe und er hauptsächlich mit einer anderen Person über die EP S.A. in Verbindung stehe. Eine Lieferung bedürfe der "Verschaffung der Verfügungsmacht" durch den liefernden an den empfangenden Unternehmer. Damit die Verfügungsmacht überhaupt verschafft werden könne, müsse sie der Unternehmer selbst besitzen oder einen Dritten mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragen. Wer keine Verfügungsmacht habe, könne keine Lieferung tätigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen dieser Gesellschaft ist verneint worden, weil die Rechnungen den Erfordernissen des § 11 UStG 1994 weder formell entsprochen hätten, noch von einer Leistungserbringung der AP GmbH auszugehen sei.
Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nach § 11 Abs. 1 UStG 1994 müssen Rechnungen, die in den folgenden Ziffern 1 bis 6 aufgezählten Angaben enthalten; nach der Z. 3 die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung.
Nach § 11 Abs. 2 UStG 1994 können die nach Abs. 1 erforderlichen Angaben auch in anderen Belegen enthalten sein, auf die in der Rechnung hingewiesen wird.
In der Beschwerde wird vorgetragen, "aus der Sicht" der V GmbH habe sich die Unternehmereigenschaft aus der völlig üblichen Einbindung der AP GmbH am Ende einer Lieferkette eines Reihengeschäftes und den von ihr ausgestellten Rechnungen ergeben. Aus den Zeugenvernehmungsprotokollen von Mitarbeitern der V GmbH und der "sonstigen Geschädigten" sei zu entnehmen, dass diese keinen Anlass gehabt hätten, an der Existenz der Gesellschaft und damit an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsabwicklung zu zweifeln. "Des Öfteren" sei auch "der unternehmerische Hintergrund der Gesellschaft hinterfragt und darauf der Gesellschaft plausible Antworten erteilt" worden.
Mit diesen allgemeinen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung nicht auf. Die Beschwerdeführerin führt weder aus, welche Überlegungen etwa die Mitarbeiter der V GmbH angestellt haben, wenn sie Rechnungen der AP GmbH über den Faxanschluss der EP S.A. erhielten. Die Beschwerdeführerin konkretisiert aber auch nicht, wann, wie oft, von wem und in welcher Form der "unternehmerische Hintergrund der AP GmbH hinterfragt" wurde und welche konkreten, "plausiblen Antworten" darauf tatsächlich gegeben wurden.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Verfahrensvorschriften insofern rügt, als die belangte Behörde von "widersprüchlichen und uneindeutigen" Aussagen von Zeugen ausgegangen wäre, so ist nicht zu erkennen, aus welchen konkreten Aussagen welcher Personen auf eine Leistungserbringung durch die AP GmbH hätte geschlossen werden müssen. Das konkrete Vorbringen, Aussagen des Claude P. bestätigten "seine Leistungsbeziehungen" zur AP GmbH, ist vor dem Hintergrund schon des Berufungsvorbringens, wonach Claude P. seine Provisionsabrechnungen für seine Vermittlungstätigkeit zwar an die AP GmbH adressiert, aber an die EP S.A. geschickt habe und des unbestrittenen Ermittlungsergebnisses, dass er die österreichischen Schlachthöfe nicht darüber informiert habe, dass es sich bei der AP GmbH um eine "Briefkastenfirma" gehandelt habe, unverständlich.
Die belangte Behörde konnte die Versagung des Vorsteuerabzuges somit unbedenklich darauf stützen, dass die AP GmbH die in den strittigen Rechnungen ausgewiesenen Leistungen nicht erbracht hat.
Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am