Suchen Hilfe
VwGH 19.03.2009, 2006/01/0453

VwGH 19.03.2009, 2006/01/0453

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS 1
Gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 (ZustG) hat die Behörde, soweit ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 Abs. 1 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Empfänger ist gemäß § 2 Z 1 ZustG die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll. Wird entgegen der Anordnung des § 9 Abs. 3 ZustG nicht der Zustellungsbevollmächtigte, sondern die Partei selbst als Empfänger bezeichnet und dieser zugestellt, so äußert diese Zustellung keine Rechtswirkungen. Eine Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 Abs. 1 ZustG tritt nicht ein; die Heilung eines Zustellmangels nach der eben zitierten Bestimmung liegt darin, dass das Schriftstück in die Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt. War demgegenüber schon eine falsche Person in der Zustellverfügung als Empfänger bezeichnet, so liegt kein Fall des § 7 Abs. 1 ZustG vor.

Anders als in seiner bis zur Novellierung durch BGBl. I Nr. 10/2004 bzw. nach seiner neuerlichen Novellierung durch BGBl. I Nr. 5/2008 maßgeblichen Fassung enthielt das ZustG in seiner im Zeitpunkt der Übermittlung der erstinstanzlichen Erledigung in Kraft stehenden Fassung auch keine besondere Vorschrift für die Heilung einer infolge unterbliebener Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger mangelhaften Zustellverfügung durch tatsächliches Zukommen (Hinweis auf das hg. E vom , Zl. 2005/12/0061, sowie die hg. B vom , Zl. 2005/04/0063, und vom , Zl. 2005/12/0229).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2006/01/0482

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stelzl, über die Beschwerden 1. der H R in S, geboren 1982, vertreten durch Dr. Johann Grandl, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 18/1/2, und 2. des S R in S, geboren 1981, vertreten durch Mag. Dieter Berthold, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 1, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zlen. 255.079/0- III/67/04, 255.080/0-III/67/04, betreffend (zu 1.) §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 bzw. (zu 2.) §§ 78 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, der zweitangefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehemann, der Zweitbeschwerdeführer, sind Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina. Sie stellten am Anträge auf Gewährung von Asyl. Bei einer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am ersuchte die Erstbeschwerdeführerin, ihren Asylantrag als Asylerstreckungsantrag zu werten.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Asylerstreckungsantrag der Erstbeschwerdeführerin gemäß §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen.

Im Verfahren des Zweitbeschwerdeführers wurde dem Bundesasylamt mit Begleitschreiben vom eine Vollmacht ("Generalvollmacht" zur Vertretung "in allen Asyl und Fremdenangelegenheiten") des Zweitbeschwerdeführers an seinen in Österreich wohnhaften Onkel vorgelegt. Der bevollmächtigte Onkel war nach Ausweis der diesbezüglichen Niederschrift bei der Einvernahme des Zweitbeschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am anwesend. Eine Vollmachtskündigung ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Asylantrag des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Zweitbeschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Schließlich wurde der Zweitbeschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde hinsichtlich dieses Bescheides die Zustellung an den Zweitbeschwerdeführer, nicht aber an den bevollmächtigten Onkel verfügt; dem Zweitbeschwerdeführer wurde der Bescheid am auch zugestellt.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß §§ 10, 11 AsylG abgewiesen. Dieser Bescheid wurde am dem Bundesasylamt sowie am der Erstbeschwerdeführerin zugestellt.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Zweitbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Zweitbeschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina (neuerlich) gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt (Spruchpunkt II.) und der Zweitbeschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien-Herzegowina ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid wurde am dem Zweitbeschwerdeführer (nicht aber dem bevollmächtigten Onkel) sowie am dem Bundesasylamt zugestellt.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen, wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist ein schriftlicher Bescheid erst mit der Zustellung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. 2005/04/0063, und vom , Zl. 2004/18/0013, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/03/0201). Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit der Berufungsbehörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge. Die Zuständigkeit reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/06/0167, und vom , Zl. 2001/11/0072, sowie die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Aufl. 1998, S. 1261, E 93 zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 10 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Eine allgemeine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 10 AVG schließt im Allgemeinen die Zustellungsbevollmächtigung ein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/12/0061, vom , Zl. 2007/06/0167, vom , Zl. 2004/12/0212, sowie die bei Walter/Thienel, aaO, S. 306, E 98 zu § 10 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 (ZustG) hat die Behörde, soweit ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 Abs. 1 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Empfänger ist gemäß § 2 Z 1 ZustG die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll.

Wird entgegen der Anordnung des § 9 Abs. 3 ZustG nicht der Zustellungsbevollmächtigte, sondern die Partei selbst als Empfänger bezeichnet und dieser zugestellt, so äußert diese Zustellung keine Rechtswirkungen. Eine Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 Abs. 1 ZustG tritt nicht ein; die Heilung eines Zustellmangels nach der eben zitierten Bestimmung liegt darin, dass das Schriftstück in die Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt. War demgegenüber schon eine falsche Person in der Zustellverfügung als Empfänger bezeichnet, so liegt kein Fall des § 7 Abs. 1 ZustG vor. Anders als in seiner bis zur Novellierung durch BGBl. I Nr. 10/2004 bzw. nach seiner neuerlichen Novellierung durch BGBl. I Nr. 5/2008 maßgeblichen Fassung enthielt das ZustG in seiner im Zeitpunkt der Übermittlung der erstinstanzlichen Erledigung in Kraft stehenden Fassung auch keine besondere Vorschrift für die Heilung einer infolge unterbliebener Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger mangelhaften Zustellverfügung durch tatsächliches Zukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/12/0061, sowie die hg. Beschlüsse vom , Zl. 2005/04/0063, und vom , Zl. 2005/12/0229).

Im vorliegenden Fall hat der Zweitbeschwerdeführer seinen Onkel im Asylverfahren bevollmächtigt. Ungeachtet dessen wurde der erstinstanzliche Bescheid - entsprechend der Zustellverfügung - dem Zweitbeschwerdeführer selbst zugestellt. Diese Zustellung äußert nach dem Gesagten keine Rechtswirkungen. Eine Heilung dieses Zustellmangels kam nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des ZustG nicht in Betracht.

Davon ausgehend lag der belangten Behörde hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers kein wirksam erlassener Bescheid vor. Mit dem meritorischen Abspruch über die Berufung des Zweitbeschwerdeführers hat die belangten Behörde daher die Grenzen ihrer funktionellen Zuständigkeit überschritten, weshalb der zweitangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben war.

Der erstangefochtene Bescheid, mit dem über den Asylerstreckungsantrag der Erstbeschwerdeführerin entschieden wurde, ist nach dem oben wiedergegebenen Verwaltungsgeschehen vor rechtskräftiger Entscheidung über den Hauptantrag ergangen und schon aus diesem Grund inhaltlich rechtswidrig (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2003/01/0186, 0289, 0290). Dieses Ergebnis ist darüber hinaus auch Folge der Aufhebung des zweitangefochtenen Bescheides, zumal damit das Asylverfahren des Zweitbeschwerdeführers mit Wirkung ex tunc wieder offen ist.

Der erstangefochtene Bescheid war demnach wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2006010453.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAE-79265

Feedback

Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,

die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen. Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.

Hinweis ausblenden