VwGH vom 24.02.2011, 2010/16/0276
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Mag. Gerhard Josef Seidl, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Dornbacher Straße 62, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. FSRV/0122-W/10, betreffend Gewährung von Zahlungserleichterungen im Finanzstrafverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung für schuldig erkannt, weil er mittels Gefälligkeitsrechnungen vorsätzlich Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für August 2008 bis Mai 2009 bewirkt habe. Über ihn wurde deswegen eine Geldstrafe in Höhe von EUR 24.800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 62 Tage) sowie Kostenersatz von EUR 363,-- verhängt.
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer, ihm eine Ratenzahlung von "derzeit EUR 50,--" monatlich einzuräumen. Er beziehe lediglich Notstandshilfe von EUR 16,76 täglich. Sollten seine Bemühungen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, erfolgreich sein, werde er bei Eingang des ersten höheren Gehalts seine Ratenzahlungen entsprechend erhöhen. Weiters beantrage er, ihm die restliche Forderung zunächst zu stunden, um ihm die Möglichkeit zu geben, die verhängte Strafe durch Bezahlung "zu erledigen".
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Ansuchen um Bewilligung der Zahlungserleichterung mit der Begründung ab, dass die angebotenen Raten im Verhältnis zur Höhe des Rückstandes (EUR 25.163,--) zu niedrig seien. Dadurch erscheine die Einbringlichkeit gefährdet.
In seiner dagegen erhobenen "Berufung" brachte der Beschwerdeführer vor, er sei mittlerweile 58 Jahre alt und schwer herzkrank, was seine Chancen am Arbeitsmarkt nicht begünstige. Er sehe jedoch das Unrecht seiner Handlungen ein und biete daher die ihm "äußerst mögliche" Zahlung von EUR 100,-- monatlich an. Die Feststellung der Finanzstrafbehörde erster Instanz betreffend die Gefährdung der Einbringlichkeit sei insofern nicht nachvollziehbar, als das Einkommen des Beschwerdeführers ohnehin nicht pfändbar sei und durch die angebotene Ratenzahlung zumindest ein Teil der verhängten Geldstrafe einbringlich gemacht werden könne. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe würde voraussichtlich auf Grund des schlechten gesundheitlichen Zustands des Beschwerdeführers mangels Hafttauglichkeit scheitern. Er habe 1994 einen Hinterwandherzinfarkt erlitten und 2004 einen Stent erhalten, weswegen er in ständiger ärztlicher Behandlung und Beobachtung sei. Es könnten jederzeit und kurzfristig akute Herzbeschwerden auftreten.
Der Beschwerdeführer legte seiner Berufung diverse ärztliche Befunde aus den Jahren 2007 bis 2010 bei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die (Administrativ )Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, das Straferkenntnis vom sei in Rechtskraft erwachsen und die Geldstrafe mit fällig geworden. Der Beschwerdeführer habe eine Bestätigung des AMS vom über den Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe seit Jänner 1993 vorgelegt. Demnach habe der Beschwerdeführer in den letzten Jahren lediglich zwischen Juni 2008 und Oktober 2009 für einen längeren Zeitraum keine Notstandshilfe bezogen (in den Vorjahren jeweils immer nur wenige Tage bis maximal drei Monate). Nach Angaben der Sozialversicherung sei er seit dem als geringfügig beschäftigter Arbeiter gemeldet. Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers stelle die sofortige Entrichtung der Geldstrafe für diesen eine erhebliche Härte dar.
Bei monatlichen Zahlungen zu je EUR 100,-- würde die Begleichung des Strafrückstandes - die während der Laufzeit der Ratenbewilligung fällig werdenden Stundungszinsen noch nicht eingerechnet - über 20,5 Jahre in Anspruch nehmen. Damit wäre die Abstattung der Geldstrafe innerhalb eines angemessenen Zeitraumes aber nicht mehr sichergestellt. Es würde der Pönalcharakter der Strafe unterlaufen werden. Der Beschwerdeführer habe bisher keine Einzahlung geleistet. Zur Entrichtung des am Strafkonto aushaftenden Rückstandes von EUR 26.159,18 erschienen lediglich monatliche Raten in einer Höhe als annehmbar, die der Beschwerdeführer in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Lage aus seinem Einkommen nicht mehr leisten könne.
Die Konsequenz der Ersatzfreiheitsstrafe mangels Zahlungsmöglichkeit sei vom Gesetzgeber gewollt, weil sonst Verbots- und Gebotsnormen weitgehend zu leges imperfectae degradiert würden.
Da in den letzten 17 Jahren der Beschwerdeführer nur in ganz geringem Ausmaß einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und das fortgeschrittene Alter sowie die Erkrankung des Beschwerdeführers die Wiederaufnahme einer geregelten Erwerbstätigkeit und die Erzielung eines dauerhaften zu einer angemessenen Abdeckung des Rückstandes verwertbaren Einkommens nicht erwarten ließen, sei wegen der Gefährdung der Einbringlichkeit eine der Voraussetzungen für die Bewilligung der Zahlungserleichterung nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer ausschließlich inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Gewährung von Zahlungserleichterungen verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Bestimmungen für den Vollzug von Freiheitsstrafen gelten nach § 179 Abs. 1 FinStrG auch für den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen.
Die Ersatzfreiheitsstrafe darf nach § 179 Abs. 2 FinStrG nur in dem Umfang vollzogen werden, der dem nicht bezahlten oder nicht eingebrachten Teil der Geldstrafe oder des Wertersatzes entspricht. Das gleiche gilt auch dann, wenn die Bezahlung oder Einbringung der Geldstrafe oder des Wertersatzes erst nach Strafantritt erfolgt.
Ist ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug wegen einer Krankheit oder Verletzung, wegen Invalidität oder eines sonstigen körperlichen oder geistigen Schwächezustandes des Bestraften nicht durchführbar, so hat nach § 176 Abs. 1 FinStrG die Finanzstrafbehörde erster Instanz den Strafvollzug so lange aufzuschieben, bis dieser Zustand aufgehört hat.
Gemäß § 172 Abs. 1 FinStrG obliegt die Einhebung, Sicherung und Einbringung der Geldstrafen und Wertersätze sowie der Zwangs- und Ordnungsstrafen und die Geltendmachung der Haftung den Finanzstrafbehörden erster Instanz. Hiebei gelten, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bundesabgabenordnung und die Abgabenexekutionsordnung sinngemäß.
Die Gewährung von Zahlungserleichterungen für die Entrichtung von Geldstrafen nach dem Finanzstrafgesetz richtet sich damit nach § 212 BAO (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/13/0084).
Gemäß § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass im Hinblick auf die Erwerbssituation des Beschwerdeführers (anhaltende Arbeitslosigkeit, Krankheit, fortgeschrittenes Alter) die Einbringlichkeit der Strafe durch den Aufschub gefährdet wäre.
Die Vorschrift des § 212 Abs. 1 BAO setzt für die Gewährung von Zahlungserleichterungen voraus, dass die Einbringlichkeit des aushaftenden Betrages durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Die Unterstellung der Gewährung von Zahlungserleichterungen für die Entrichtung von Geldstrafen nach dem Finanzstrafgesetz unter das Regelungsregime des § 212 BAO erfolgt nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 172 Abs. 1 FinStrG aber nur "sinngemäß". Da die Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe ohnehin unter der Sanktion des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe steht, kommt dem Umstand der Gefährdung der Einbringlichkeit der aushaftenden Forderung im Falle einer Geldstrafe kein Gewicht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/13/0084).
Maßgebend für die Entscheidung über Zahlungserleichterungen zur Entrichtung einer Geldstrafe ist die sachgerechte Verwirklichung des Strafzweckes. Dieser besteht in einem dem Bestraften zugefügten Übel, das ihn künftig von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten soll. Dass die Gewährung solcher Zahlungserleichterungen, welche dem Bestraften eine "bequeme" Ratenzahlung einer Geldstrafe gleichsam in Art der Kaufpreisabstattung für einen Bedarfsgegenstand ermöglichen soll, dem Strafzweck zuwider liefe, liegt auf der Hand. Aber auch im Ruin der wirtschaftlichen Existenz eines Bestraften kann keine sinnvolle Erreichung des mit der Bestrafung verfolgten Zwecks erblickt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0093, mwN).
Der Beschwerdeführer hat bereits im Berufungsverfahren geltend gemacht, aufgrund seines Gesundheitszustandes haftunfähig zu sein, sodass die Ersatzfreiheitsstrafe mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vollzogen werden könne. Sein Vorbringen läuft darauf hinaus, dass bei Nichtgewährung seines Ratenzahlungsansuchens die Geldstrafe nicht einbringlich sei und die Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollzogen werden könne.
Mit diesem Vorbringen, das der Beschwerdeführer mit ärztlichen Befunden untermauert hat, hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt. Es ist der belangten Behörde zuzugestehen, dass eine Ratendauer von mehr als 20 Jahren regelmäßig keinen angemessenen Zeitraum mehr darstellen wird. Allerdings wäre der Strafzweck zweifellos nicht verwirklicht, wenn mangels pfändbaren Einkommens oder Vermögens die Strafe nicht eingebracht und gleichzeitig wegen des nicht bloß vorübergehend geschwächten Gesundheitszustandes des Bestraften die Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollzogen werden könnte. Die belangte Behörde hat aber solche Überlegungen nicht angestellt. Vielmehr hat sie in Verkennung der Rechtslage ausschließlich Feststellungen über das geringe Einkommen des Beschwerdeführers, nicht aber über die von ihm behauptete Haftunfähigkeit getroffen. Solche Feststellungen wären aber im Beschwerdefall erforderlich gewesen, ging es doch um die Bestrafung eines Sozialhilfeempfängers, bei welchem auch nicht vom Vorliegen pfändbarer Vermögenswerte ausgegangen werden kann. Angesichts der Höhe des von der belangten Behörde festgestellten Sozialhilfebezugs ist auch nicht ersichtlich, dass die vom Beschwerdeführer angebotenen Zahlungen für den Beschwerdeführer die Bedeutung "bequemer" Ratenzahlung gehabt hätten.
Indem die belangte Behörde ihrer Entscheidung ausschließlich die Prognose zugrunde gelegt hat, dass die Erzielung eines zur raschen Begleichung der Strafe verwertbaren Einkommens nicht zu erwarten sei, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer nunmehr die Zahlung von monatlichen Raten in Höhe von je EUR 300,-- angeboten hat.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am