VwGH vom 24.02.2011, 2010/16/0272
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des S in K, vertreten durch Mag. Peter A. Miklautz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates Wien vom , GZ. RV/1972-W/10, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Haftungsangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom , St.Nr. X, zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der B GmbH für deren nicht entrichtete Abgaben in Höhe von EUR 111.507,71 (darunter Umsatzsteuer für April 2003 in Höhe von EUR 96.376,61) zur Haftung heran.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei als Geschäftsführer nur für die Überwachung der Buchführung verantwortlich gewesen. Die "finanzielle Leitung" der B GmbH habe HC innegehabt. Der Beschwerdeführer habe bereits am die Geschäftsführung zurückgelegt. Zu diesem Zeitpunkt seien EUR 800.000,-- an Forderungen nur rund EUR 500.000,-- an Verbindlichkeiten gegenüber gestanden. Wenn der Masseverwalter Forderungen nicht eingeklagt habe und diese deshalb als uneinbringlich hätten ausgebucht werden müssen, so wäre auch die Umsatzsteuer zu berichtigen gewesen.
In einem weiteren Schriftsatz vom brachte der Beschwerdeführer vor, die Rückstände in den Abgabenerklärungen seien auf Grund von Rechnungen an die damalige Hauptauftraggeberin S AG entstanden. Bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der B GmbH am habe der am bestellte Notgeschäftsführer Gespräche mit dem Rechtsschutzversicherer und der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei über eine Klagsführung gegen die S AG (Gesamtforderung: EUR 459.538,47) geführt. Der Masseverwalter habe es aber verabsäumt, die bis ins Detail aufbereiteten Forderungen gegenüber der S AG geltend zu machen oder die diesbezüglichen Rechnungen an die S AG zu stornieren und gutzuschreiben, sollten diese zu Unrecht bestanden haben. Daraus hätte sich sogar ein Guthaben beim Finanzamt ergeben.
Nach Ergehen einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung gab die belangte Behörde mit Berufungsentscheidung vom der Berufung ebenfalls teilweise Folge und schränkte den Haftungsbetrag auf EUR 102.722,12 ein. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer für Abgaben, die erst nach dem fällig geworden wären, nicht zur Haftung herangezogen werden könne. Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass der Masseverwalter es im Konkursverfahren trotz Zusage der Rechtsschutzversicherung unterlassen habe, die Forderung gegen die S AG im Klagswege hereinzubringen, weshalb diese nunmehr endgültig uneinbringlich und damit die Umsatzsteuer für April 2003 zu berichtigen wäre, müsse entgegen gehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht im Haftungsverfahren vorgebracht werden könnten, sondern ausschließlich im Verfahren betreffend den Abgabenanspruch nach § 248 BAO. Die Umsatzsteuervorauszahlung für April 2003 sei mit Bescheid vom festgesetzt worden.
Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer unter Angabe zweier Steuernummern einen "Antrag auf Wiederaufnahme zur Aufhebung des Haftungsbescheides etc.", in welchem er ausführte:
"… ich beantrage mit Vorlage neuer Beweismittel die Wiederaufnahme des Haftungsbescheides gemäß § 9 iVm § 80 BAO vom , Aufhebung des Bescheides über die Aussetzung der Einhebung vom , Aussetzung der Einhebung bis zur Ausstellung eines neuen Bescheides."
Der Beschwerdeführer brachte vor, es sei ihm am gelungen, von der S AG Schriftstücke zu erhalten, die ihm während seiner Geschäftsführertätigkeit nie übergeben worden seien, nämlich eine E-Mail mit Daten der Sachbearbeiterin bei der S AG und Senderin der Unterlagen vom , ein Schreiben vom über die Retournierung der nicht anerkannten und ungebuchten Schlussrechnung (Grundlage für die Umsatzsteuer April 2003) sowie ein Schreiben vom mit Daten für eine neue Schlussrechnung, die allerdings eine Forderung der S AG und somit eine Vorsteuer von EUR 26.555,13 ergeben hätte.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom "betreffend die Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens" ab und führte begründend aus, dass die im Antrag vorgebrachten Argumente keine neuen Tatsachen in Hinsicht auf die Haftungsinanspruchnahme wären. Die Einwendungen bezüglich der Umsatzsteuerfestsetzung für April 2003 könnten einem Antrag auf Wiederaufnahme nicht zum Erfolg verhelfen, sondern wären allenfalls in einem Verfahren gemäß § 248 BAO im Zuge der Berufung gegen den Haftungsbescheid auszutragen gewesen.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe nachweislich erst am die für den "Einspruch" erforderlichen Unterlagen von der S AG erhalten. Aus diesen gehe hervor, dass die Rechnung, welche die von ihm verlangte Umsatzsteuer aufweise, storniert worden sei, wovon er keine Kenntnis gehabt habe. Aus den Dokumenten gehe hervor, dass diese Umsatzsteuer nie in einer Umsatzsteuervoranmeldung als Vorsteuer in Anspruch genommen worden sei und daher auch keine Steuerschuld beim ursprünglichen Rechnungsleger entstanden sein könne. Der Beschwerdeführer habe zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides keinen Zugang zu Dokumenten gehabt, weil er keinerlei Rechte und Funktionen innegehabt habe. Die Gesellschaft sei nicht mehr existent gewesen, wodurch er auch keine Möglichkeit für eine Berichtigung der Buchung gehabt habe. Er habe erst nach Erhalt der Dokumente am diese vorlegen und die Wiederaufnahme des Verfahrens zur "Löschung des Haftungsbescheides" vornehmen können.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung "gegen den Bescheid des Finanzamtes … vom betreffend Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens" als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben seien Beweismittel, welche im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO neu hervorgekommen seien und im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden des Beschwerdeführers nicht haben geltend gemacht werden können. Auch sei die Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO eingehalten worden, weil der Beschwerdeführer nach seinem glaubhaften Vorbringen diese Beweismittel erst am erhalten habe und die Wiederaufnahme bereits mit Schreiben vom beantragt habe.
Allerdings scheitere eine Bewilligung der beantragten Wiederaufnahme daran, dass die Kenntnis dieser Umstände keinen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, weil in der (nachträglichen) Berichtigung der Umsatzsteuer für April 2003, für die der Geschäftsführer zur Haftung herbeigezogen worden sei, kein Wiederaufnahmsgrund betreffend das Haftungsverfahren zu erblicken sei. Vielmehr handle es sich dabei um eine Minderung des Abgabenanspruchs, der durch Abgabenbescheid festzustellen sei und sich nach (zusammengefasster) Verbuchung und Verrechnung unmittelbar auf die Höhe des Haftungsbetrages auswirke. Die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer für April 2003 sei mit Bescheid vom festgesetzt worden und entziehe sich daher einer Überprüfung im Haftungsverfahren auf Grund der bestehenden Vorfragenbindung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf Stattgebung seines Antrags auf Wiederaufnahme der Verfahren zu den Steuernummern Y und X auf Grund Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 303 BAO und somit in dessen Recht auf korrekte Vorschreibung der haftungsbegründeten Abgabenverbindlichkeit" verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 303a BAO hat der Wiederaufnahmsantrag u.a. die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, zu enthalten. Dabei ist keine bestimmte Form der Bezeichnung gefordert. Entscheidend ist, dass aus dem Wiederaufnahmsantrag hervorgeht, welches Verfahren gemeint ist ( Ritz , BAO3, Tz 4 zu § 303a).
Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nach § 85 Abs. 2 BAO nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Angabe seiner Steuernummer und jener der B GmbH, durch die Überschrift "… zur Aufhebung des Haftungsbescheides etc." sowie dem Inhalt seines Antrages zum Ausdruck gebracht, dass sich dieser Antrag sowohl auf das ihn betreffende Haftungsverfahren als auch auf das mit Bescheid vom abgeschlossene Verfahren zur Festsetzung der Umsatzsteuer für April 2003 der B GmbH beziehe. Die Abgabenbehörde habe aber - ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens - diesen Antrag ausschließlich als einen solchen auf Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens gedeutet und darüber entschieden.
Damit vermag die Beschwerde aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Es kann im Beschwerdefall dahin gestellt bleiben, ob dem Schreiben des (nicht vertretenen) Beschwerdeführers vom auch ein (allenfalls verbesserungsbedürftiger) Antrag auf Wiederaufnahme des die B GmbH betreffenden Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für April 2003 zu entnehmen war.
Die Beschwerde bestreitet nämlich nicht, mit dem genannten Schreiben (auch) einen Wiederaufnahmsantrag hinsichtlich des unter St.Nr. X geführten Haftungsverfahrens gestellt zu haben, über den mit Bescheid des Finanzamtes vom entschieden worden ist. Dem angefochtenen Bescheid liegt ausschließlich diese Entscheidung zugrunde. Damit wird aber auch die Sache des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf diese Sache beschränkt. Die Frage, ob der Beschwerdeführer auch einen weiteren Antrag, nämlich jenen auf Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens betreffend die B GmbH gestellt hat, ist somit nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides. Auf Grund einer sogenannten Bescheidbeschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof nicht die behauptete Untätigkeit einer Behörde zu beurteilen (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom , 90/16/0234, mwN).
Gegen eine allfällige Säumigkeit des Finanzamtes in Bezug auf den vom Beschwerdeführer behaupteten Wiederaufnahmsantrag stünde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Einbringung eines Devolutionsantrages gemäß § 311 BAO offen. In einem solchen Verfahren wäre zu klären, ob das Schreiben des Beschwerdeführers vom auch auf die Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens betreffend die B GmbH gerichtet war.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am