VwGH vom 22.05.2007, 2005/21/0406
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der J, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr 1660/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Rumänien, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 des (bis zum in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
In ihrer Begründung berief sich die belangte Behörde darauf, dass die Beschwerdeführerin am mit dem österreichischen Staatsangehörigen H. eine (am rechtskräftig geschiedene) Ehe geschlossen habe, "um sich in einem Verfahren für die Erteilung des Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen zu können, sie mit dem Ehegatten jedoch kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil in der Höhe von EUR 2.000,-- geleistet habe". Dies sei "unter Beachtung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung" anzunehmen, wofür die schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des H. ein "wesentliches Indiz" böten. Die Beschwerdeführerin habe bei ihrer Einvernahme am weder Angaben zur Adresse oder Einrichtung der angeblichen Ehewohnung, an der sie nicht angemeldet gewesen sei, noch zu eventuellen Mitbewohnern machen können. Ihrer Stellungnahme, wonach die Aussage des H. widersprüchlich gewesen sei und sie finanziell gar nicht in der Lage gewesen wäre, EUR 2.000,-- aufzubringen, sei zu entgegnen, dass es keinen Unterschied mache, ob sie den für die Eheschließung geleisteten Vermögensvorteil aus ihrem eigenen Vermögen aufgebracht habe oder ihr dafür Mittel von einer dritten Person - etwa als Geschenk - zur Verfügung gestellt worden seien. Ebenso liege kein wesentlicher Unterschied darin, ob der Vermögensvorteil, der die Gegenleistung für die Eheschließung darstelle, von ihr selbst oder mit ihrem Wissen von einer dritten Person geleistet worden sei.
Die Beschwerdeführerin halte sich seit dem im Bundesgebiet auf. Sie sei als unselbständige Dienstnehmerin und seit als Gesellschafterin der G. KEG tätig. Sie lebe "seit geraumer Zeit" in Lebensgemeinschaft mit Herrn G., einem weiteren Komplementär der genannten Gesellschaft. Die aus ihrer Berufstätigkeit ableitbare Integration in Österreich werde jedoch als geschmälert angesehen, weil sie nur auf Grund der Scheinehe mit H. "keine Berechtigung nach dem AuslBG zur Ausübung ihrer Beschäftigung" benötigt habe. Auch die Aufenthaltszeiten in Österreich würden "auf Grund der ständigen Täuschungs- und Umgehungshandlungen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung nicht besonders gewichtet". Somit würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin gemäß § 37 FrG als nicht schwer wiegender beurteilt als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Allfällige Privatinteressen an einem Weiterverbleib in Österreich hätten eindeutig hinter die genannten erheblichen öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zurückzutreten. Diese Überlegungen gälten auch für die Beurteilung des Ermessensspielraumes nach § 36 Abs. 1 FrG. Auf Grund dieser Umstände sei "die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer von fünf Jahren dringend geboten und daher vertretbar".
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG konnte gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG hatte als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 dieser Bestimmung zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hatte. Gemäß § 39 Abs. 1 FrG konnte das Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.
Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes unstrittig nicht mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet war und ihr in diesem Zeitpunkt daher nicht die - gemäß § 49 FrG den begünstigten Drittstaatsangehörigen gleichgestellte - begünstigte Stellung als Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers zukam. Eine Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung als Berufungsinstanz liegt somit - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - keinesfalls vor. Ebenso ist nach ständiger hg. Judikatur die Nichtigerklärung der Ehe keine Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG. Weder § 27 Ehegesetz, wonach sich niemand auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen kann, solange die Ehe nicht durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist, noch der in Art. 94 B-VG verankerte Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung stehen einer Beurteilung (der Vorfragen) durch die Verwaltungsbehörde entgegen, ob der Fremde eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, mit dem Ehegatten jedoch ein gemeinsames Familienleben nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0387).
In der Sache macht die Beschwerdeführerin geltend, es lägen keine hinreichenden Beweise für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG vor. Die Angaben des H. seien widersprüchlich: Einmal habe er behauptet, Geld von (seinem Bekannten) G., einmal von der Beschwerdeführerin selbst erhalten zu haben. Die belangte Behörde habe sich weder mit ihren gegenteiligen Ausführungen noch mit ihrem Vorbringen auseinander gesetzt, sie hätte über einen Geldbetrag von EUR 2.000,-- nicht einmal verfügt. Ungeachtet der Widersprüchlichkeiten habe die belangte Behörde vielmehr die Angaben des H. pauschal und ohne nähere Würdigung als glaubwürdig, ihre eigenen dagegen als nicht glaubhaft eingestuft.
Dem ist zu entgegnen, dass die Ausführungen des H. (bei seiner Einvernahme am ) insoweit lediglich zum Inhalt gehabt haben, er habe den Betrag von 2.000,-- EUR von G. gefordert, ihn letztlich aber von der Beschwerdeführerin erhalten. Hierin kann weder ein Widerspruch noch ein Indiz für eine Unrichtigkeit erblickt werden. Letzteres liegt vielmehr in der Aussage der Beschwerdeführerin, die sich an der Adresse der von ihr geltend gemachten Ehewohnung weder angemeldet hatte noch die (etwa räumliche) Situation beschreiben konnte, obwohl sie behauptete, dort ein Jahr lang gewohnt zu haben. Ihre von der belangten Behörde daraus gefolgerte Unglaubwürdigkeit ist im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Schlüssigkeitsprüfung nicht zu beanstanden.
Ebenso treffen die in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde angestellten rechtlichen Überlegungen zur Unmaßgeblichkeit der Aufbringung des geleisteten Vermögensvorteils durch die Beschwerdeführerin zu (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0684, mwN). Insgesamt kann daher die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Das festgestellte Verhalten der Beschwerdeführerin hat das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen erheblich beeinträchtigt. Ihre Auffassung, das Wohlverhalten seit der mehr als drei Jahre zurückliegenden Eheschließung rechtfertige ein Aufenthaltsverbot nicht mehr, kann im Hinblick auf diese verhältnismäßig kurze Zeitspanne nicht geteilt werden. Daher begegnet auch die Ansicht der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seit , ihre berufliche Integration und das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit G. berücksichtigt. Die daraus ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet werden in ihrem Gewicht jedoch dadurch gemindert, dass die Beschwerdeführerin nur auf Grund der missbräuchlich eingegangenen Ehe und der daraus abgeleiteten bevorzugten Stellung als Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers im Bundesgebiet bleiben und eine (zunächst) unselbständige Beschäftigung annehmen durfte. Den privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet kommt daher kein großes Gewicht zu. Dem steht gegenüber, dass sie durch die rechtsmissbräuchliche Eingehung der Ehe maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt hat. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Schließlich macht die Beschwerdeführerin geltend, die Dauer des Aufenthaltsverbotes (im gesetzlichen Höchstausmaß) von fünf Jahren sei unverhältnismäßig und nicht begründet.
Dem ist zu entgegnen, dass diese nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes angemessen ausgemittelt wurde. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zu ihren Gunsten sprechende Sachverhaltsfeststellungen vermisst, werden diese nicht inhaltlich bezeichnet, sodass die Relevanz der damit geltend gemachten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt wird.
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am