VwGH vom 29.04.2008, 2005/21/0401
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Bernhard Hüttler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-400732/5/Gf/Gam, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom ordnete die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Togo, gemäß § 61 Abs. 1 des (bis in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG die Schubhaft zur Sicherung "des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung" sowie zur Sicherung "der Abschiebung bzw. Zurückschiebung" an. Zur Begründung führte sie aus, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers am eingestellt worden sei. Der Beschwerdeführer sei am nach § 27 Abs. 1 und 2 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. (Gemäß dem in den Verwaltungsakten erliegenden Strafregisterauszug erfolgte eine Verurteilung zu sieben Monaten Freiheitsstrafe, davon sechs Monate bedingt nachgesehen. In der Folge wurde der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen.)
Eine weitere rechtskräftige Verurteilung sei am nach § 27 Abs. 1 und 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten erfolgt. Auf Grund dieser Verurteilungen sei beabsichtigt, gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Am sei er von der Justizanstalt Wien-Josefstadt in die Justizanstalt Linz überstellt worden. Er sei in Österreich nirgends gemeldet und "nach Haftentlassung als unstet zu betrachten".
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) die Schubhaftbeschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft vom bis zum ab. Diesen Ausspruch begründete sie im Wesentlichen damit, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers "mit Bescheid" vom eingestellt worden sei. Damit habe der Beschwerdeführer - der nicht vorgebracht habe, dass er dagegen eine Berufung erhoben hätte - seinen Abschiebeschutz gemäß § 19 Abs. 1 AsylG verloren. Auch wenn der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt den mit dem Antritt der Strafhaft einhergehenden Wechsel seiner Abgabestelle nicht hätte melden, sondern die Asylbehörde diese Änderung von Amts wegen hätte feststellen müssen, bewirke die irrtümliche Annahme, dass eine Abgabestelle nicht bekannt sei, nicht, dass deshalb "der Einstellungsbescheid mit absoluter Nichtigkeit behaftet" gewesen wäre. Vielmehr sei dieser Bescheid infolge des Umstandes, dass er unbekämpft geblieben sei, trotz seiner inhaltlichen Fehlerhaftigkeit in Rechtskraft erwachsen und damit verbindlich geworden. Im Ergebnis sei sohin eine Verhängung der Schubhaft gemäß § 61 FrG nicht aus den Gründen des § 21 Abs. 1 FrG (richtig: AsylG) gehindert gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen hat:
Gemäß § 21 Abs. 1 Asylgesetz 1997 in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, finden auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz im Sinn des § 19 Abs. 1 genießen, oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, u. a. die Bestimmungen des FrG über die Schubhaft keine Anwendung.
Nach dem Akteninhalt wurde das Asylverfahren des am eingereisten Beschwerdeführers, der an diesem Tag einen Asylantrag gestellt hat, am zugelassen.
Gemäß § 30 Abs. 2 AsylG idF der Novelle 2003 sind Asylverfahren, über deren Zulässigkeit abgesprochen wurde, einzustellen, wenn an einer Unterkunft, an der der Asylwerber aufrecht angemeldet ist, eine Zustellung gemäß § 21 Zustellgesetz nicht möglich ist, der Asylwerber eine gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz hinterlegte Sendung der Behörde nicht behebt und eine andere Abgabestelle nicht leicht festgestellt werden kann; es sei denn, der maßgebliche Sachverhalt kann dennoch ermittelt werden.
Die belangte Behörde unterlag einem Rechtsirrtum bei ihrer Annahme, die Einstellung des Asylverfahrens habe mit bekämpfbarem Bescheid zu erfolgen. In Wahrheit ist die Einstellung formlos vorzunehmen und in einem Aktenvermerk festzuhalten (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 99/20/0046).
Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zlen. 2005/21/0260 u.a., bereits ausgesprochen, dass sich die Schubhaftbehörde mit der Frage, in welchen Zeiträumen dem Fremden die Asylwerbereigenschaft und ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet (§ 19 Abs. 2 und § 24a Abs. 4 AsylG) zukommen, ohne Bindung an eine unrichtige Einstellung des Asylverfahrens auseinandersetzen müsse. Selbst wenn jedoch eine Einstellung des Asylverfahrens rechtmäßig erfolgt, hat die die Schubhaft anordnende Behörde in ihre Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen, dass das Asylverfahren nach § 30 Abs. 4 erster Satz AsylG auch ohne entsprechenden Antrag von Amts wegen fortgesetzt werden könne (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0446).
Da die belangte Behörde dem gegenüber von einer Bindung an eine auch rechtswidrig erfolgte Einstellung des Asylverfahrens und demzufolge von einer uneingeschränkten Anwendung der Schubhaftbestimmungen des FrG ausging, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am